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Forscher treiben therapeutisches Klonen voran  
  Der Traum von maßgeschneiderten Ersatzteilen für den kranken oder verschlissenen menschlichen Körper ist ein Stück näher gerückt. Einem Forscherteam um den Entwicklungsbiologen Hans Schöler gelang es im Tierversuch, Eizellen künstlich herzustellen. Eizellen sind der Grundstock für das umstrittene therapeutische Klonen, das Patienten in der Zukunft einmal mit neuen Muskeln, Organen oder Hirnzellen versorgen könnte.  
Das Team beschreibt die nach Meinung von Biologen und Ethikern umwälzende Arbeit in der Online-Ausgabe des Wissenschaftsjournals "Science" vom Freitag.
Der Artikel "Derivation of Oocytes from Mouse Embryonic Stem Cells" von Schöler und Kollegen ist erschienen als "Science"-Vorabpublikation in www.sciencexpress.org (doi:10.1126/science.1083452).
->   Der Originalartikel (kostenpflichtig)
Embryonale Stammzellen in der Petrischale
Die Forscher um Schöler und seine Kollegin Karin Hübner von der University of Pennsylvania bei Philadelphia legten dichte Kulturen von embryonalen Stammzellen in Petrischalen an.

Dann beobachteten sie, wie diese nach etwa acht Tagen das Frühstadium von Keimzellen, die Vorstufe von Eizellen, erreichten. Später sahen die Forscher Merkmale für die als Meiosis bekannte Zellteilung und schließlich glichen die ursprünglichen Stammzellen sogar frühen Embryos.
->   Informationen über Meiose/Meiosis
Neu: Die Identifikation der Eizellen
Neu daran ist letztlich aber nur, dass es gelang, die Eizellen als solche zu identifizieren. Denn: "Vielen (Forschern) dürfte jetzt klar werden, dass auch sie diese frühen Keimzellen bereits hatten", wird Schöler in einem Begleitartikel in "Science" zitiert.

Der 50-jährige Deutsche machte das Gen Oct4 mit grün leuchtendem Farbstoff sichtbar und wies damit die Entwicklung der Zellen nach.
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Oct4: Warum reproduktives Klonen nicht funktioniert
Oct4 hatte Schöler schon einmal als "genetischer Marker" gedient. Das Gen half ihm zu erläutern, warum reproduktives Klonen, das heißt, das Klonen von Mensch und Tier, biologisch "aussichtslos" ist und auch in der Zukunft nicht zum Erfolg führen kann. Diese Arbeit, die im Journal "Genes & Development" erschien, wurde kürzlich von der mehr populärwissenschaftlichen Zeitschrift "Discovery" als eine der wichtigsten Forschungsergebnisse des Jahres 2002 gekürt. Schöler landete auf Platz 33 der internationalen Top 100.

Seither wirft er "Klonforschern" wie der französischen Chemikerin Brigitte Boisselier vor, die Öffentlichkeit hinters Licht zu führen. Boisselier, ein Mitglied der Ufo-gläubigen Raelianer-Sekte, hat seit Dezember die Geburt mehrerer gesunder, angeblich geklonter Babys bekannt gegeben. Dagegen meint Schöler, dass es "biologisch nicht möglich (ist), gesunde Organismen zu klonen".
->   Mehr dazu: Das Gen, das Säugerklone absterben lässt
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Ziel: Verständnis der zellulären Wandlungsfähigkeit
Sein Ziel sei, so Schöler gegenüber der dpa, die Wandlungsfähigkeit von Zellen zu verstehen. Schöler hält es nicht für ausgeschlossen, dass differenzierte (adulte) Körperzellen - Hautzellen zum Beispiel - eines Tages in das Stadium embryonaler Stammzellen zurückgeführt werden können.

"In Bezug auf die Abläufe zwischen den Zellen im Körper sind wir noch ganz am Anfang unseres Verständnisses", sagt er und vergleicht den gegenwärtigen Kenntnisstand der Biologen mit dem früheren "Lochkartenstadium" der Computer-Wissenschaft.
Eizellen wären keine Mangelware mehr
Die Aussicht, Eizellen im Labor heranzuziehen, hat für den Deutschen vor allem praktischen Wert. Sollte es möglich sein, das bisher nur bei Mäusen erzielte Ergebnis auch mit embryonalen Stammzellen von Menschen nachzuvollziehen, gäbe es künftig keinen Mangel an den bisher noch raren Eizellen mehr.

Außerdem würde Frauen der schwierige und unangenehme Prozess der Eizellen-Gewinnung und -Spende erspart.
Argument gegen die Kritiker
Gleichzeitig würde Religionsführern, Ethikern, Politikern in Deutschland und den USA, die jetzt noch gegen die Verwendung dieser Zellen in der Forschung protestieren, "der Wind aus den Segeln genommen", meint Schöler.

Er hofft, unter den 64 von US-Präsident George W. Bush zugelassenen embryonalen Stammzellen-Linien wenigstens eine zu finden, mit der die Produktion künstlicher humaner Eizellen im Labor gelingt.
Experten-Prognose: "Ethisches Erdbeben"
Nichtsdestotrotz sieht der Bioethiker Arthur Caplan von der Universität von Pennsylvania ein "ethisches Erdbeben" voraus.

Sollten menschliche Eizellen aus der Petrischale tatsächlich in der Medizin einsetzbar sein, würde nach seiner Einschätzung eines der größten Bedenken gegen therapeutisches Klonen wegfallen.

Könnten die gleichen Eizellenaber auch befruchtet und zum Klonen von Babys genutzt werden, würde dies den Proteststurm erst richtig entfachen, sagt der Ethiker in "Science" voraus.

Gisela Ostwald, dpa
->   University of Pennsylvania School of Veterinary Medicine
->   Alles zum Stichwort Klonen im science.ORF.at-Archiv
 
 
 
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01.01.2010