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Der Philosoph Hans Jonas wäre am 10. Mai 100  
  Gibt es Werte in der Natur? Die meisten Philosophen bezweifeln das. Werte sind für sie von Menschen gemacht und ändern sich mit den Menschen. Anders dagegen Hans Jonas, der vor 100 Jahren (am 10. Mai 1903) in Mönchengladbach geboren wurde und vor 10 Jahren (am 5. Februar 1993) in New York starb. Er war davon überzeugt, dass es "Werte an sich gibt, die im Sein verankert sind". Seine ökologische Ethik unter dem Titel "Das Prinzip Verantwortung" (1979) löste ein weltweites Echo aus.  
Jonas wandte sich gegen jede Form technischen Fortschritts- und Machbarkeitswahns. Er warnte vor den unabsehbaren Folgen der Naturzerstörung, der Atomforschung und Gentechnik.

Sein kategorischer Imperativ lautet: "Handle so, dass die Wirkungen deiner Handlungen verträglich sind mit der Permanenz echten menschlichen Lebens auf Erden."
Bezug zur Biotechnologie: "Recht auf Nichtwissen"
Auch seine Position zur Biotechnologie ist hoch aktuell. Das von Jonas geforderte "Recht auf Nichtwissen" wird unter anderem in der Debatte um eine Charta für die Europäischen Grundrechte immer wieder zitiert:

Die medizinische Möglichkeit, mehr über die eigenen Erbanlagen zu erfahren, muss demnach ein bloßes Angebot bleiben. Niemand darf - etwa auf Druck von Versicherungen oder Arbeitgebern - zu Gentests gezwungen werden.
Die Verantwortung des Menschen
Kritiker werfen Jonas einen "naturalistischen Fehlschluss" vor: Aus dem Sein folge niemals ein Sollen, betonen sie. Aus einer Tatsachenfeststellung dürfe kein moralischer Schluss gezogen werden.

In der Tat heißt es bei Jonas: "Der Mensch ist das einzige Wesen, das Verantwortung haben kann. Indem er sie haben kann, hat er sie."

Verantwortung habe der Mensch nicht nur für seine Mitmenschen, sondern auch für alle künftigen Generationen, für Kriege und Hunger in anderen Kontinenten, für die gesamte Natur: Das ist der Grundgedanke von Jonas' "Fern-Ethik".
Für eine Selbstbescheidung des Menschen
Als Schüler von Martin Heidegger gab Jonas der neuzeitlichen Philosophie eine Mitschuld am Ökokollaps. Seit René Descartes (1596- 1650) beherrsche der Dualismus von Subjekt und Objekt, Geist und Natur, Sollen und Sein, das Denken.

Gegen die Selbstermächtigung der instrumentellen Vernunft trat Jonas für eine Selbstbescheidung des Menschen ein, eine Ehrfurcht vor der an sich zweckhaften Natur.

Das "Prinzip Verantwortung" war in diesem Sinne auch ein Gegenentwurf zur technologisch-sozialistischen Utopie des "Prinzips Hoffnung" von Ernst Bloch.
Flucht vor den Nazis
Wozu technologischer Wahn fähig ist, erfuhr Hans Jonas, der aus einer jüdischen Familie stammte, selbst schmerzhaft. Seine Mutter wurde 1942 in Auschwitz ermordet. Er selbst floh - noch bevor seine Doktorarbeit über die Gnosis als Buch erschien - vor den Nazis nach London, später nach Jerusalem.

Als Soldat der britischen Armee kehrte er 1945 nach Deutschland zurück. 1950 übernahm er eine Professur in Ottawa (Kanada). Von 1955 bis zu seiner Emeritierung 1976 lehrte er als Professor für Philosophie an der New School for Social Research in New York. 1987 nahm er den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels entgegen.

Bernward Loheide, dpa
->   Hans-Jonas-Zentrum der Freien Universität Berlin
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Salzburger Nachtstudio: Hans Jonas zum 100. Geburtstag
Aus Anlass des 100. Geburtstages von Hans Jonas befasst sich das Salzburger Nachtstudio am Mittwoch (7. Mai 2003) um 21.00 Uhr mit dem Philosophen: Der Salzburger Ethiker Edgar Morscher, der Mediziner Johannes Huber u. a. nehmen zum Denken und Denker Hans Jonas Stellung und beleuchten sein "Prinzip der Verantwortung" aus heutiger Sicht.
->   Radio Österreich 1
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01.01.2010