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"Kern-Mission": Sonde soll Erdmittelpunkt erforschen  
  Der Mittelpunkt der Erde, der so genannte Kern, ist Gegenstand vieler Studien, denen allerdings allesamt etwas Spekulatives anhaftet: Denn direkte Untersuchungen sind nicht möglich. Noch nicht, meint nun ein US-Wissenschaftler - und stellt einen ambitionierten Plan vor, mit dem eine Sonde bis ins Innerste des Planeten vordringen soll. Teil des Plans sind unter anderem Tausende Tonnen geschmolzenes Eisen.  
Nach der Vorstellung von David J. Stevenson vom renommierten California Institute of Technology (Caltech) in Pasadena könnte ein etwa Grapefruit-großes Gerät zum Erdkern gelangen, indem es in Tausenden Tonnen geschmolzenem Eisen "mitreist", wie der Forscher im Fachmagazin "Nature" schreibt.

Ein bescheidener Plan im Vergleich zu Weltraumforschungsprogrammen, meint Stevenson.
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"Mission to Earth's core - a modest proposal"
Der Artikel "Mission to Earth's core - a modest proposal" von David J. Stevenson ist erschienen in "Nature", Bd. 423, Seiten 239-240, vom 15. Mai 2003.
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Vorschlag: Spalt sprengen und mit Eisen füllen
Der Plan des Caltech-Professors klingt tatsächlich reichlich bizarr: Er schlägt vor, einen Spalt in die Erdoberfläche zu sprengen und diesen mit Tausenden Tonnen geschmolzenem Eisen zu füllen. Der Riss werde sich dann - dank der Schwerkraft - zum Erdkern hin "fortpflanzen".

Eingeschlossen in das heiße, flüssige Metall soll die Sonde innerhalb von etwa einer Woche zum Erdmittelpunkt wandern, wobei sich laut Plan hinter dem Eisen der Spalt wieder schließt.
TNT und flüssiges Eisen
Die Berechnungen von Stevenson haben ergeben, dass die Energie, die für die Erzeugung des Spalts notwendig wäre, einigen Megatonnen TNT oder einem Erdbeben der Stärke sieben auf der Richterskala entspräche. Auch der Einsatz von Nuklearenergie ist demnach denkbar.

Die dadurch gestellte technologische Herausforderung sei geringer, als beim so genannten "Manhattan-Projekt", meint Stevenson. In dessen Rahmen entwickelten von der US-Regierung beauftragte Forscher einst die erste Atombombe.

Für die benötigte Menge an flüssigem Eisen könnten laut dem Forscher bereits rund zehn hoch acht Kilogramm reichen - eine Menge, die innerhalb einer einzigen Stunde durch die Eisengießereien der Welt produziert werde.
Messungen von Temperatur und Zusammensetzung
Die Sonde schließlich soll Temperatur, elektrische Leitfähigkeit und die chemische Zusammensetzung des Erdkerns messen - und ihre Daten per Schallwellen zurück an Oberflächen-Detektoren wie etwa das Laser Interferometer Gravitational Wave Observatory (LIGO) am California Institute of Technology senden.
->   LIGO
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Geheimnisvoller Mittelpunkt: Der Erdkern
Die genaue Zusammensetzung des annähernd kugelförmigen Erdkerns ist nicht bekannt. Wissenschaftler gehen jedoch davon aus, dass er hauptsächlich aus geschmolzenem Eisen besteht - mit einem geringen Prozentsatz an anderen Elementen. Seismologischen Untersuchungen zufolge gibt es vermutlich einen äußeren, flüssigen und einen inneren, festen Kern. In letzterem sollen Temperaturen um 6.600 Grad Celsius herrschen.
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Warum am Erdkern forschen?
Der Erdkern bzw. seine genaue Zusammensetzung und Struktur haben indess wichtige Folgen für den gesamten Planeten, denn die heißen Gesteinsströme im Inneren machen die Erde zu einer Art riesigem Magneten. Das Magnetfeld, das somit erzeugt wird, schützt die Erde vor schädlicher Strahlung aus dem Weltall.

Welche Wärmequellen im Inneren der Erde existieren, ist ebenfalls eine offene Frage - denn das Erdmagnetfeld hält bereits länger, als es eigentlich sollte: Des Rätsels Lösung ist vermutlich radioaktives Material - vielleicht Kalium-40, genauen Aufschluss könnte tatsächlich die Sonde liefern.

Konvektionsströme, welche Wärmeenergie aus dem Erdinneren an die Oberfläche befördern, sind wiederum für die Bewegung der Platten verantwortlich. Die komplexen Prozesse im Erdkern besser zu verstehen ist daher das Ziel vieler Forschungsprojekte.
"Faszinierende Probleme im Inneren der Erde"
Was radikal klingt, ist zudem nach Ansicht von Stevenson ein äußerst anspruchsloser Plan: Sein Vorschlag sei - im Vergleich mit Weltraumforschungsprogrammen - bescheiden und erscheine möglicherweise deshalb unrealistisch, weil bislang wenig Anstrengung investiert worden sei.

"Planetenmissionen haben unsere Einsicht in das Sonnensystem und wie Planeten arbeiten verbessert", schreibt Stevenson, "aber keine vergleichbare Forschungsanstrengung wurde auf das Innere der Erde gerichtet - wo ebenso faszinierende wissenschaftliche Probleme darauf warten, untersucht zu werden."

Für entsprechende Forschungen sei bislang auch vergleichsweise wenig Geld aufgewendet worden - "es gibt kein Untergrund-Äquivalent zur NASA." Nun jedoch sei es Zeit zu handeln.

Sabine Aßmann, science.ORF.at
->   California Institute of Technology Geological and Planetary Sciences
->   Umfassende Informationen zur Erde in www.meta-evolutions.de
Mehr zum Kern der Erde in science.ORF.at:
->   Radioaktives Material als Wärmelieferant im Erdkern
 
 
 
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01.01.2010