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Strichcodes: Die Zukunft der Arten-Einteilung  
  Um die Vielfalt der Natur halbwegs zu überblicken, hat die Biologie die Systematik und Klassifizierung ersonnen. Die wichtigste Einheit dafür ist die Art. Kanadische Forscher schlagen nun vor, die Tierwelt mit Informationen kleiner Gen-Sequenzen einzuteilen - und die Ergebnisse durch unverwechselbare Strichcodes darzustellen.  
In dieser Technik könnte die - im Vergleich zu anderen Methoden sparsamere und effizientere - Zukunft der Arteneinteilung liegen.
Genauigkeit von 99,9999 Prozent
Propagiert wird der globale "Tier-Katalog" mit Hilfe eines einfachen Gentests vom Genetiker Paul Hebert von der University of Guelph in Kanada.

Sein Forscherteam identifizierte DNA-Strichcodes für etwa 2.000 Arten - laut ihrer in den "Proceedings of the Royal Society B" vorgestellten Angaben mit einer Genauigkeit von 99,9999 Prozent.
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Der Artikel von Paul Hebert und seinem Team ist unter dem Titel "Barcoding animal life: cytochrome c oxidase subunit 1 divergences among closely related species" in den "Proceedings of the Royal Society B" (DOI: 10.1098/rsbl.2003.0025) erschienen.
->   Proceedings of the Royal Society B
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Neue Methoden änderten Klassifizierung
Seit den 1980er Jahren hat die molekularbiologische Forschung die Systematik und Taxonomie der Biologie - das Beschreiben und Ordnen der Artenvielfalt nach bestimmten Gesichtspunkten - stark verändert. Dies betrifft besonders die Techniken der Gen-Sequenzierung.

So wurden auf Grund der Analyse von Nukleotiden und Aminosäuren Sequenzstammbäume aufgestellt, die zum Teil andere verwandtschaftliche Verhältnisse auswiesen als die mit klassischen Methoden - etwa der Paläontologie und Homologieforschung - aufgestellten Stammbäume der Arten.
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Numerische Daten: Nicht unumstritten
Die Sequenzierungstechniken bieten für Systematik und Taxonomie standardisierte Verfahren, die scheinbar interpretationsfreie - da numerische - Daten liefern. Manche Biologen halten dies für einen "numerischen Reduktionismus", der sich auf die Objektivität von Zahlen beruft, die aber zu unzulässigen Schlüssen führen können.
->   Taxonomen als "Taufpaten" der Naturwissenschaft (2.10.02)
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650 Buchstaben der mitochondrialen DNA
Hebert und sein Team sehen die von ihnen vorgeschlagene Etikettierung der Arten nicht als Gegensatz zu klassischen Methoden.

Ihr Strichcode basiert auf einer relativ kleinen Sequenz der mitochondrialen DNA: 650 Buchstaben bzw. Basen.
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"Kraftwerke" der Zelle
Mitochondrien sind die "Kraftwerke" der Zellen mit einem eigenen Genom. Die untersuchten DNA-Bereiche eignen sich besonders gut für genetische Identifizierungen, da sich ihre Sequenz relativ schnell wandelt und damit Unterschiede zwischen Arten ausdrückt.
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Bei 2.000 Tierarten erfolgreich getestet
Bei mehr als 2.000 untersuchten Tierarten fanden sich an dieser kurzen Gen-Sequenz signifikante Unterschiede, die als eindeutiges Klassifizierungsmuster dienten.

Bei der einzigen Gruppe, bei der die Resultate unklarer waren, handelte es sich um Quallen und Seeanämonen. Bei ihnen scheint das "Evolutionstempo" zu gering, als dass ihre DNA-Differenzen eindeutige Hinweise auf ihre Art liefern.
Weitere Differenzierungs-Felder
Mit der Methode sollen aber nicht nur Arten eindeutig voneinander unterschieden werden. Es wird von den Autoren auch vorgeschlagen, sie zur Differenzierung des Geschlechts, des Alters und des Stadiums (etwa bei Raupen) zu verwenden.
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Arten
Art oder Spezies ist die wichtigste, klar abgrenzbare Verallgemeinerungseinheit der Biologie und somit grundlegend für Systematik, Klassifikation und Taxonomie. Arten sind Gruppen von Individuen, die auf dem Abstammungsverhältnis von Eltern und Nachkommen basieren und in Gestalt, Physiologie und Verhalten soweit übereinstimmen. Bei Lebewesen mit zweigeschlechtlicher Sexualität ist die Fähigkeit, gemeinsam fruchtbare Nachkommen zu erzeugen, ein weiteres entscheidendes Kriterium. Bisher wurde etwa eine Million Tierarten identifiziert. Speziell aufgrund der Artenvielfalt von Insekten könnten es aber auch zehn oder einhundert Millionen sein.
->   All Species Foundation
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Sparsame Alternative
Weitere Vorteile laut den Autoren: Sie funktioniert auch an Hand sehr kleiner Körperabschnitte - etwa von Insektenbeinen - und auch an Exemplaren, die bereits vor Jahrzehnten gesammelt worden sind.

Und: Während andere Techniken der Spezifizierung relativ viel Zeit und Arbeit beansprucht, könnte die genetische Klassifikation - ausgeführt von Computern und Robotern - eine sparsame Alternative sein.
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Zwei Millarden Dollar für globale Systematik?
Nach Ansicht von Hebert könnten umfassende Strichcode-Projekte innerhalb der kommenden fünf Jahre starten und in 20 Jahren beendet werden. Die Kosten für die Spezifizierung der globalen Arche Noah schätzt er auf zwei Milliarden US-Dollar.
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Institutionen zeigen Interesse
Mehrere Institutionen haben laut der Online-Ausgabe von "Nature" bekannt gegeben, die neue Technik anwenden zu wollen, darunter auch das US National Museum of Natural History in Washington.

Ein Entomologe des Museums, Scott Miller, bezeichntete den Strichcode als "aufregendes Werkzeug".
->   University of Guelph
->   US National Museum of Natural History
 
 
 
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01.01.2010