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Quantenpurifikation: Verschränkte Teilchen in der Reinigung  
  Das Team um den österreichischen "Quanten-Beamer" Anton Zeilinger sorgt erneut für Aufsehen: Wie die Fachzeitschrift "Nature" in der aktuellen Titelgeschichte berichtet, gelang den Wiener Physikern die Realisierung eines Quanteneffekts, der bislang nur in der Theorie bekannt war: Sie unterzogen verschränkte Paare von Lichtteilchen einer Art "Frischzellenkur", für die man sich Anwendungen bei Quantencomputern erhofft.  
Die Forscher vom Institut für Experimentalphysik der Universität Wien bedienten sich hierbei des Prinzips "Aus zwei mach eins": Zwei Paare von Photonen mit einer Verschränkungs-Genauigkeit von 75 Prozent wurden experimentell in eines umgewandelt, dessen Genauigkeit bei nunmehr 92 Prozent liegt.
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Die Arbeit "Experimental entanglement purification of arbitrary unknown states" von Jian-Wei Pan, Sara Gasparoni, Rupert Ursin, Gregor Weihs und Anton Zeilinger erschien in der Zeitschrift "Nature" (Band 423, S. 417-422, Ausgabe vom 22. Mai 2003).
->   Original-Artikel (kostenpflichtig)
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Frischzellenkur für Lichtteilchen
Gewissermaßen eine Frischzellenkur verpassten die Wiener Wissenschaftler Photonen, die sich in einem so genannten verschränkten Zustand befinden. Indem sie einen Teil dieser Lichtteilchen beobachten und dadurch "opfern", wird die nachlassende Verschränkung der verbliebenen Partikel sozusagen aufgefrischt.
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Verschränkung
Die so genannte Verschränkung ist ein Phänomen, das es lediglich in der submikroskopischen Quantenwelt gibt. So bleiben zwei verschränkte Teilchen, auch wenn sie in verschiedene Richtungen auf die Reise geschickt werden, wie durch Geisterhand mit einander verbunden. Albert Einstein - für den die Quantentheorie ohnehin nicht der "wahre Jakob" war - bezeichnete solche Phänomene als "spukhafte Fernwirkung". Allgemein gesprochen setzt die Verschränkung der Tendenz Grenzen, Teile eines (physikalischen) Systems unabhängig voneinander zu betrachten.
->   Mehr dazu (quantenwelt.de)
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Verschränkte Teilchen - siamesische Zwillinge auf Distanz
Bestimmt man den Zustand eines der beiden Teilchen, etwa die Schwingungsebene oder Polarisation, so kennt man auch den Zustand des unter Umständen weit entfernten Partners, ohne auch diesen kontrollieren zu müssen.

Vor der Messung des ersten Partikels ist der Zustand beider Teilchen - so versichern Theoretiker - unbestimmt. Der Zustand wird erst mit dem Zeitpunkt der Bestimmung festgelegt, sowohl am gemessenen Teilchen als auch am entfernten Partner.
Kryptographie als Anwendung
Mittlerweile wird die Verschränkung an Photonen oder anderen Teilchen für zahlreiche grundlagenwissenschaftliche Experimente genutzt. Etwa bei so genannten Teleportations-Versuchen, landläufig (und etwas unkorrekt) auch als "Beamen" bezeichnet:

Dabei wird Information, z.B. ein bestimmter Quantenzustand, auf ein weit entferntes Teilchen gezielt übertragen. Forscher arbeiten auch bereits an praktischen Anwendungen, etwa in der absolut abhörsicheren Quantenkryptographie. Abhörsicher schon deshalb, weil definitionsgemäß jede Beobachtung nicht ohne Folgen bleibt, ein Lauscher würde unweigerlich Spuren hinterlassen.
Dekohärenz lockert die "telepathische" Bindung
In der Theorie sollte die Verschränkung zwar über unbestimmte, also beliebige Distanzen wirken, in der Praxis lässt die Qualität der Verschränkung aber mit zunehmender Entfernung der Teilchen nach. Dieser Qualitätsverlust wird durch die so genannte Dekohärenz verursacht.
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Dekohärenz
Dekohärenz bezeichnet in der Quantentheorie die unumkehrbare Entstehung klassischer Eigenschaften eines Quantensystems durch die unvermeidliche Wechselwirkung mit seiner Umgebung. "Klassisch" bedeutet hier: Ein physikalisches Verhalten ohne Überlagerung ("Superposition"), wie es für makroskopische Objekte im Alltag (z.B. Katzen, Planeten oder Fußbälle) typisch ist.

Die Dekohärenz beruht auf der Entstehung eines verschränkten Quantenzustands zwischen System und Umgebung, was dazu führt, dass lokal (am System selbst) keine Information mehr über bestimmte quantenmechanische "Interferenzterme" vorliegt, obwohl diese im Gesamtsystem vorhanden ist.
->   Mehr dazu (Uni Wien)
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Die Lösung: Reinigungsstationen für Teilchen
Nun haben die Wiener Physiker eine Art von Reinigungsstation entwickelt, in der der ursprünglich hohe Verschränkungsgrad wieder hergestellt werden kann. Der Fachbegriff dafür: "Quantenpurifikation". Dazu verwenden die Wissenschaftler vorläufig Teilchen, die in einer Lichtquelle zwar perfekt verschränkt erzeugt, anschließend aber künstlich gestört werden.
"Nature"-Titelbild mit Zeilingers Kommentaren
Bild: Nature/Robin Riegler
Da von einem Teil der Lichtteilchen die Polarisation bestimmt werden muss und die Teilchen somit ausfallen, verringert sich nach der Reinigungsstation die Zahl der Pärchen. Jene, die durchkommen, sind aber wieder wesentlich besser verschränkt.
Die Verschränkungsrate konnte auf diese Weise von 75 auf 92 Prozent erhöht werden.

Damit können in Zukunft Experimente mit verschränkten Photonen über größere Distanzen durchgeführt werden. In bestimmten Abständen, wenn die Qualität der Verschränkung nachlässt, werden eben Reinigungsstationen eingeschoben. Da sich die Zahl der Photonen aber bei jeder Station verringert, sind nach wie vor Limits gesetzt.

Diese Ergebnisse waren der Zeitschrift "Nature" immerhin eine Titelgeschichte wert. Felice Frankel - Spezialistin für Wissenschafts-Visualisierung vom Massachusetts Institute of Technology - bot an, das Coverbild zu gestalten.

Sie erhielt Fotos des experimentellen Aufbaus, erläutert durch Zeilingers Kommentare - und zeigte sich davon so begeistert, dass sie diese mit einem Foto des leuchtenden Laseraufbaus auf das Cover bannte.
->   Institut für Experimentalphysik, Uni Wien
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at
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->   Das Stichwort Quanten im science.ORF.at-Archiv
 
 
 
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01.01.2010