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Stammt der SARS-Erreger aus dem Weltraum?  
  Es klingt abstrus, ist jedoch als seriöse wissenschaftliche Hypothese gemeint: Britische Forscher vermuten, dass der Erreger von SARS aus dem Weltall stammt. Die Argumente: Erstens regne gemäß aktuellen Messungen täglich etwa eine Tonne an Mikroorganismen aus dem Weltraum auf die Erde nieder. Und zweitens zeige die Krankheit ein Verbreitungsmuster, das am ehesten durch einen "Import vom Himmel" erklärt werden könne.  
Drittens sei der Erreger "unerwartet neuartig" und daher nicht irdischen Ursprungs, wie Chandra Wickramasinghe und seine Kollegen von der Cardiff University in einem Bericht an das Fachmagazin "Lancet" feststellen.

Die Hypothesen der britischen Astrobiologen stehen im Gegensatz zu bisher geäußerten Fachmeinungen - und werden in Zukunft wohl auch nicht unwidersprochen bleiben. Man darf gespannt sein, wie die Wissenschaftsgemeinde reagiert.
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"SARS- a clue to its origins?"
Der Artikel "SARS - a clue to its origins?" von Chandra Wickramasinghe, Milton Wainwright und Jayant Narlikar erschien in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift "Lancet" (Band 361, S. 1832, Ausgabe vom 24 Mai 2003).
->   Lancet
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Leben als Importprodukt
Die These ist an sich nicht unbekannt: Schon DNA-Pionier Francis Crick vermutete, dass das Leben nicht auf der Erde entstanden, sondern gewissermaßen ein extraterrestrisches Importprodukt sei.

Gemäß der so genannten Panspermien-Hypothese könnten primitive Zellen mit Hilfe von Meteoriten oder anderen Himmelskörpern die Erde erreicht haben - und somit den Beginn der irdischen Evolution markiert haben.
->   Mehr dazu (ISCID Encyclopedia of Science and Philosophy)
Mikroben aus dem Weltall: Eine Tonne pro Tag
Chandra Wickramasinghe und seine Kollegen wiesen jedenfalls kürzlich nach, dass solche Spekulationen nicht völlig aus der Luft gegriffen sind: In einer Publikation in den "FEMS Microbiology Letters" vom Jänner dieses Jahres zeigten sie, dass im Bereich der Stratosphäre nennenswerte Mengen an Mikroorgansimen zu finden sind.

Berechnungen ergaben, dass etwa eine Tonne solch organischen Materials pro Tag auf die Erde nieder regnet. Das entspricht insgesamt zehn hoch 19 Bakterien bzw. 20.000 Bakterien pro Quandratmeter.
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"Microorganisms from stratospheric air samples"
Die Studie " Microorganisms cultured from stratospheric air samples obtained at 41 km" von M. Wainwright, N.C. Wickramasinghe, J.V. Narlikar und P. Rajaratnam erschien in der Zeitschrift "FEMS Microbiology Letters" (Band 218 (1), S. 161-165).
->   FEMS Microbiology Letters
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Epidemien extraterrestrischen Ursprungs
Die britischen Astrobiologen erwiesen sich im Gespräch mit science.ORF.at als bekennende Anhänger der Panspermien-Hypothese. Daher verwundert es wenig, wenn sie bei der Entstehung von Epidemien ähnliche Vorgänge vermuten.

Als Beispiel führen sie in ihrem "Lancet"-Artikel die so genannte Spanische Grippe an, die als verheerendste Seuche des 20. Jahrhunderts in die Geschichte einging.
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1917-1919: Mindestens 20 Millionen Todesopfer
Die als Spanische Grippe bezeichnete Pandemie hat von 1917-1919 mindestens 20 Millionen (möglicherweise sogar 40 bis 50 Millionen) Todesopfer gefordert. Damals wurde mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung infiziert. Der Lehrbuchmeinung zufolge vermutet man bei dem Erreger eine Verwandtschaft zum klassischen Schweine-Influenzavirus, aber auch zu Vogelviren. Molekulare Analysen lassen vermuten, dass sich der Erreger vor Ausbruch der Pandemie durch Mutationen an den Menschen als Wirtsorganismus angepasst hatte.
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Spanische Grippe: Hinweise auf nicht-irdische Quelle
Nach Wickramasinghes Ansicht könnten sich nicht nur ungefährliche, sondern auch pathogene Mikroben ihren Weg von der Stratosphäre zur Erde gebahnt haben. Bei der Spanischen Grippe spreche jedenfalls einiges dafür:

Die ungewöhnliche Epidemiologie, der Ausbruch der Krankheit in völlig isolierten Dörfern in Alaska, sowie das gleichzeitige, sprunghafte Auftreten an verschiedenen Orten dieser Welt.
Kritik an mathematischen Modellen
An mathematischen Modellen, die solche Verbreitungsmuster erklären wollen, kritisieren Wickramasinghe und seine Kollegen, dass Elemente wie die so genannten "Superspreader" (Personen, die in kürzester Zeit einen Vielzahl an Menschen infizieren können) unbewiesene ad hoc-Hypothesen darstellten.

Ihrer Meinung nach sei in manchen Fällen ein "vertikaler Input" (sprich: Mikroben aus dem Weltall) die einfachere Erklärung.
SARS: Coronavirus - oder doch nicht?
Dies sei etwa bei SARS - prima facie - der Fall: Erstens handle es sich bei dem Erreger um einen "unerwartet neuartigen Virus". Auf die Nachfrage, warum dann der Erreger als Corona-Virus klassifiziert werden konnte, antwortet Wickramasinghe: "Das SRAS-Virus wurde zwar in die Klasse der Corona-Viren eingereiht, aber die Basensequenz seines Erbguts unterscheidet sich dramatisch von jener der bisher bekannten Corona-Viren."

Eine Meinung, der womöglich nicht jeder Virologe zustimmen würde. Eine kürzlich erschienene genetische Analyse von Forschern des Genome Intitute of Singapore erbrachte in dieser Hinsicht jedenfalls keine ganz klare Entscheidung.

In der letztwöchigen Ausgabe von "Lancet" schrieben die Genetiker unentschlossen: "Das Singapur SARS Virus ähnelt - bei klarer Unterscheidbarkeit - den Gruppe 2-Coronoaviren innerhalb der Familie der Coronaviridae".
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"Genome sequence analysis of SARS coronavirus isolates"
Die Arbeit "Comparative full-length genome sequence analysis of 14 SARS coronavirus isolates and common mutations associated with putative origins of infection" von YiJun Ruan und Mitarbeitern erschienam 9. Mai in der Zeitschrift "Lancet".
->   Lancet
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Mit Meteoritenstaub zur Erde
Nach Wickramasinghe könnten die Viren mit Meteoritenstaub die Erde erreicht und zunächst östlich des Himalaya (wo die Stratosphäre am dünnsten ist) zu Boden gegangen sein: Gefolgt von sporadischen Niedergängen in benachbarten Arealen.

Als weiteres Argument führt Wickramasinghe Berichte an, denen zufolge "70 Prozent der SARS Fälle in China nicht auf Infektionen durch andere Patienten zurückgeführt werden konnten." Dies alles bilde einen unvollständigen, aber schlüssigen Hintergrund für die Spekulation der britischen Astrobiologen.

Auch wenn die Weltraum-Hypothese von einer eindeutigen Verifikation weit entfernt ist - für angeregte Diskussionen in der Fachwelt dürfte sie auf jeden Fall sorgen.

Robert Czepel, science.ORF.at
->   Cardiff University
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at
->   Mikroorganismen aus der Stratosphäre
->   Klimawandel begünstigt Krankheitserreger
->   Neues Influenza-Virus entstanden
->   Sämtliche Artikel zum Stichwort SARS
 
 
 
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01.01.2010