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Nahrungsmittelallergie: Weniger häufig als angenommen  
  Umfragen zufolge nehmen etwa 20 Prozent der Bevölkerung an, auf ein oder mehrere Nahrungsmittel allergisch zu sein. Tatsächlich dürfte die Zahl der "echten", erwachsenen Lebensmittelallergiker eher bei ein bis zwei Prozent liegen. Weitaus mehr Menschen reagieren auf bestimmte Lebensmittel mit so genannten Intoleranz- oder Unverträglichkeitsreaktionen, kennen aber die jeweiligen Auslöser und allfällige Behandlungsmöglichkeiten kaum. Der Ö1-Radiodoktor beschäftigte sich mit den vielfältigen Ursachen der Nahrungsmittelallergie.  
"Echte Lebensmittelallergien sind durch IgE-Antikörper vermittelt. Alle anderen durch Nahrungsmittel verursachten Beschwerden sind toxisch bedingt, Reaktionen auf biologisch wirksame Stoffe (Histamin-Intoleranz), psychische Abneigungen gegen bestimmte Speisen oder es handelt sich um einen Mangel an für die Verdauung nötigen Enzymen (Laktose-Intoleranz). Zusätzlich gibt es Reaktionen, deren Ursachen bisher nicht genau geklärt sind", so Reinhart Jarisch, Facharzt für Dermatologie und Allergologe.
Farbstoffe, Konservierungsmittel und Co.
"Entgegen der landläufigen Meinung sind allergische Reaktionen auf Nahrungsmittelzusätze höchst selten," so Werner Pfannhauser vom Institut für Lebensmittelchemie und -technologie der TU Graz.

"Allerdings beinhalten recht viele Lebensmittel sozusagen versteckt Ei- oder Milchprodukte, mit denen der Käufer nicht rechnet. Durch die Liberalisierung des Lebensmittelmarktes kommt der Lebensmittelkennzeichnung eine wachsende Bedeutung zu", meint der Lebensmittelchemiker.

"Während die EU schon seit Jahren eine 'Informationsphilosophie' (strenge Kennzeichnungsbestimmungen) verfolgt, ging man in Österreich von einer Art 'Schutzphilosophie' (strenge Produktionsvorschriften) aus. Wahrscheinlich wird in den nächsten Jahren EU-weit eine strenge Kennzeichnungspflicht eingeführt werden."
Langwierige Suche
Wenn der Verdacht auf eine Nahrungsmittelallergie vorliegt, kann bei der Vielzahl an möglichen Ursachen wahre Detektivarbeit nötig sein, um die zu Grunde liegende Krankheit zu enttarnen.

Zur grundsätzlichen Orientierung eine Zusammenfassung der vier wichtigsten Krankheitsbilder:
Toxische Reaktion auf Lebensmittel
Unterschiedliche Nahrungsmittelbestandteile können den Verdauungstrakt (Magen, Darm) reizen und werden vom Körper somit als "giftig" eingestuft. Die entsprechenden Reaktionen, wie z.B. Erbrechen oder Durchfall stellen eine natürliche Schutzfunktion dar - denn, was den Körper schnell wieder verlässt, kann ihn nur kurz schädigen.
Lebensmittel-Intoleranzen
Bei Lebensmittel-Intoleranzen wird zwischen enzymatisch und pharmakologisch bedingten Unverträglichkeiten unterschieden.

Enzymatisch bedeutet, dass ein bestimmter Bestandteil in der Nahrung nicht verdaut werden kann, da das dafür verantwortliche Enzym nicht oder in zu geringem Ausmaß vom Körper gebildet wird. Diese Defekte können angeboren sein oder im Laufe der Zeit erworben werden. Das Paradebeispiel hierfür ist die Laktose- Intoleranz.

Als pharmakologische Reaktion wird eine Überempfindlichkeit auf jene Nahrungsbestandteile bezeichnet, die ab einer bestimmten Konzentration eine Wirkung auf Körperfunktionen, z.B. den Blutdruck, ausüben.
Klassisches Beispiel hierfür ist die Histamin-Intoleranz. Normalerweise wird das mit der Nahrung aufgenommene Histamin im Darm durch ein körpereigenes Enzym abgebaut. Ist nicht ausreichend Enzym vorhanden (oder wird dieses z.B. durch Alkohol gehemmt), so gelangt vermehrt Histamin in das Blut und verursacht u.a. heftige Herz-Kreislauf - Reaktionen.
Pseudoallergische Reaktionen
Ursachen und genaue Abläufe so genannter pseudoallergischer Reaktionen sind nicht völlig bekannt. Wie der Name schon andeutet, reagiert der Körper auf einen Nahrungsbestandteil ähnlich wie bei einer echten Allergie.

"Allerdings", so Reinart Jarisch, "ist hier nicht das Immunsystem beteiligt, sondern ein bestimmter Bestandteil der Nahrung (abhängig von der aufgenommenen Menge) löst direkt eine allergieähnliche Reaktion aus oder verstärkt eine bestehende Allergie. Es gibt auch natürliche Substanzen, wie z.B. Benzoate und Salicylate in bestimmten Obst- und Gemüsesorten, die zu pseudoallergischen Reaktionen führen können."
Die "echten" Lebensmittelallergien
Zwischen zwei bis fünf Prozent der Kleinkinder unter drei Jahren und etwa zwei Prozent der Erwachsenen sind von "echten" Lebensmittelallergien betroffen. Die köpereigene Abwehr richtet sich dabei unnötiger Weise gegen harmlose Eiweiße oder Eiweißkomplexe, die in Nahrungsmitteln vorhanden sind.

In der Folge bildet das Abwehrsystem spezielle Antikörper der Klasse IgE. Daraufhin wird Histamin in großer Menge ausgeschüttet und dies führt zu allergischen Reaktionen wie Heuschnupfen, Nesselsucht, Magen-Darm-Beschwerden, Schwellungen und Entzündungen der Mund- und Nasenschleimhäute oder Asthmaanfällen.

Im Extremfall kann sich sogar ein allergisch bedingter Kreislaufschock entwickeln.
Therapie der Nahrungsmittelallergien
Es gibt zwar eine Vielzahl von neuen, relativ nebenwirkungsfreien Medikamenten (Antiallergika), aber eine Dauertherapie ist trotzdem nur die zweitbeste Möglichkeit. In erster Linie sollte versucht werden, das/die auslösende(n) Lebensmittel zu meiden.

Reinhart Jarisch: "Das ist manchmal leicht möglich - ohne Meeresfrüchte kann man leben, in anderen Fällen ist dies schwierig. Denn vor allem Kuhmilch, Weizen oder Hühnerei können eventuell versteckt in Nahrungsmitteln vorliegen. Wichtig für alle Menschen, die schon einmal dramatische Symptome nach dem Genuss von Nahrungsmitteln hatten, ist es, immer Tabletten, Asthma-Sprays oder sogar ein Injektions-Notfallset mitzuführen."

Christoph Leprich, Ö1-Radiodoktor
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Eine kostenlose Infomappe zur Sendung vom 26. Mai 2003 kann bestellt werden unter: ORF Redaktion Radiodoktor, Postfach 1000, Kennwort: Lebensmittelallergien, 1040 Wien oder E-Mail: radiodoktor@orf.at.

Zu Gast waren: der Allergologe Reinhart Jarisch, der Lebensmittelchemiker Werner Pfannhauser sowie der Kinderarzt Zsolt Szepfalusi.
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01.01.2010