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Libellen verwenden die "Motion Camouflage"  
  Räuberische Arten benutzen mit Vorliebe Tarnungen, um bei der Jagd so spät wie möglich von ihrer Beute entdeckt zu werden. Bei Insekten beliebt ist etwa die farbliche Imitation der Umgebung oder das äußerliche Angleichen an andere, ungefährliche Spezies. Libellen gehen gar noch einen Schritt weiter. Sie können dank hochkomplexer Flugtechnik ihre Annäherung an die Beute verschleiern, indem sie - obwohl in Bewegung - wie ein unbewegliches, feststehendes Objekt wahrgenommen werden.  
In einem Artikel im aktuellen Fachmagazin "Nature" beschreiben die Forscher um Akiko Mizutani vom Centre for Visual Science der Australian National University in Canberra, wie Libellen sich der Technik der "Motion Camouflage" - der "Tarnung in Bewegung" bedienen.
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"Motion camouflage in dragonflies"
Der Artikel "Motion camouflage in dragonflies" von Akiko Mizutani und Kollegen ist erschienen in "Nature", Bd. 423, Seite 604, vom 5. Juni 2003.
->   Der Originalartikel in "Nature" (kostenpflichtig)
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Insekten: Meister der Tarnung
Gerade Insekten gelten als Meister der Tarnung, viele Vertreter der riesigen Gruppe der Gliederfüßler können sich äußerst gekonnt verbergen - sei es als Räuber, oder als Beute. Zumindest gilt dies, solange sie bewegungslos verharren.

Denn die offensichtliche Bewegung eines Objektes, wie sie über die Netzhaut wahrgenommen werden kann, ist das erste Signal, um Räuber - oder auch Beute - zu entdecken und gegebenenfalls anzugreifen oder zu flüchten.
Libellen täuschen die Netzhaut des Opfers
Libellen jedoch umgehen dieses Hinderniss ganz offensichtlich, wie die australische Forschergruppe nun berichtet: Anhand von Stereo-Kameras gelang es den Wissenschaftlern, die Bewegungen von Libellen (Hemianax papuensis) dreidimensional zu rekonstruieren.

Das Ergebnis: Die geflügelten Räuber wenden die ausgeklügelte und hochkomplizierte Technik der "Motion Camouflage" an.

Durch ihrer genau abgestimmten Flugmanöver lassen sie die Netzhaut des Opfers "glauben", sie selbst seien ein bewegungsloses Objekt - während sie allerdings längst die Verfolgung aufgenommen haben.
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"Motion Camouflage" tarnt die Annäherung
Das Prinzip der "Motion Camouflage" wurde erstmals 1995 in dem Fachartikel "Strategies for active camouflage of motion", erschienen in den "Proceedings of the Royal Society of London B" vorgeschlagen: Eine heimliche Strategie, die es dem Räuber demnach erlaubt, seine Annäherung an eine Beute zu tarnen. Der Verfolger erreicht dies, indem sich er entlang einer bestimmten Achse fortbewegt und so den Eindruck erweckt, er sei ein entferntes, bewegungsloses Objekt.

Befindet sich sein Ausgangspunkt beispielsweise vor einem Felsen, so bewegt er sich auf sein Opfer zu, indem er immer direkt auf der Position zwischen Fels und Beute bleibt. Die Netzhaut des Verfolgten nimmt lediglich den Felsen wahr. Der fixe Punkt muss dabei aber keinen Gegenstand darstellen, es kann sich auch um den Verfolger selbst handeln - der folglich vom Opfer als bewegungsloses Objekt wahrgenommen wird.
->   "Strategies for active camouflage of motion" (Abstract)
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Rekonstruktion der Flugbahn in 3D
Die Wissenschaftler rekonstruierten für ihre Untersuchung insgesamt 15 Flugbahnen von Interaktionen zwischen zwei rivalisierenden männlichen Libellen-Artgenossen. Bei sechs dieser Manöver fanden sich laut Bericht klare Hinweise auf aktive "Tarnung in Bewegung".
Interaktion zwischen Verfolger und Verfolgtem
 
Bild: Nature/ Akiko Mizutani

Die Grafik zeigt die Interaktion zweier Libellen: Der blaue Punkt bezeichnet jeweils den Kopf des Verfolgers, der roten den des Verfolgten. Die Verbindungslinien zwischen beiden treffen sich annähernd in einem Punkt hinter dem Verfolger.

Mit anderen Worten: So weit es das Opfer angeht, ist der Verfolger nicht von einem unbeweglichen Objekt, das sich an der Stelle des Kreuzungspunktes befindet, unterscheidbar.
Netzhaut registriert kaum einen Unterschied
 
Bild: Nature/ Akiko Mizutani

Umgelegt auf die Wahrnehmung der Netzhaut der verfolgten Libelle zeigt sich, dass zwischen einem unbeweglichen Objekt und dem Verfolger kaum ein Unterschied zu erkennen ist.
Funktioniert auch beim "taktischen Rückzug"
Nach Angaben des Forscherteams zeigten die territorialen Manöver der rivalisierenden Libellen auch klar, dass es sich nicht einfach um eine simple Verfolgung ohne Tarn-Technik handelt. Denn auch wenn der Verfolger sich von dem Verfolgten wegbewegte, blieb die "Motion Camouflage" erhalten.

Wie die Insekten dies allerdings genau machen, ist nach wie vor nicht bekannt: Aktive "Motion Camouflage" wird durch eine hochpräzise Flugkontrolle und Positionsmessung möglich, schreiben die Forscher in "Nature" - "obwohl die Art und Weise, in der die Verfolger dies erreichen, unklar ist."
->   Australian National University Centre for Visual Science
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at:
->   Gut getarnt? Die UV-Tricks der Krabbenspinne
->   Täuschen statt Tarnen - Die Farbtricks der Stachelspinne
->   Die Evolution von Tarnung und Täuschung
 
 
 
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01.01.2010