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Estland: Gendatenbank für eine ganze Nation  
  Die Regierung in Estland hat in dieser Woche die Stiftung ''Estnische Genbank'' gegründet. In ihr sollen die Erbinformationen der gesamten Bevölkerung gesammelt werden.  
Der gesetzliche Rahmen für das in seiner Größe weltweit einzigartige Vorhaben steht schon seit Dezember des Vorjahres, nun wird mit der praktischen Vorarbeit begonnen. Ein erster Test mit dem Sammeln von 10.000 Genproben soll im Herbst 2001 statt finden.
Ein Fragebogen und 50 Milliliter Blut
Mindestens zwei Drittel von insgesamt 1,4 Millionen Bürgern des jungen baltischen Staates sollen in den nächsten Jahren einen Fragebogen ausfüllen und 50 Milliliter Blut für Genanalysen abgeben. In den dadurch gewonnenen Reihendaten wollen Wissenschaftler Besonderheiten suchen, die auf Krankheitsrisiken wie Krebs, Alzheimer oder Diabetes hinweisen. Die gewonnenen Daten sollen für die gezielte Entwicklung neuer Medikamente verwendet werden.
Missbrauch der Daten angeblich unmöglich
''Individualmedizin - das ist die Hoffnung der Zukunft'', meint der Arzt Jaanus Pikani, einer der Initiatoren des Projektes. Dass die Gendatenbank missbraucht werden könnte, halten er und seine Kollegen durchweg für ''unmöglich''. Eine 16-stellige Verschlüsselungstechnik werde künftig für Sicherheit sorgen. Man orientiere sich dabei an den Praktiken, die Banken für ihre Internet-Geschäfte verwenden, erklärt Pikani.
Daten können dem Spender zugeordnet werden
Bisher wurden Gendaten flächendeckend nur auf der 275.000 Einwohner zählenden Nordatlantikinsel Island von einer privaten Firma gesammelt. Hier allerdings schon seit 1996. Im Gegensatz zum isländischen Projekt wird es in Estland aber grundsätzlich möglich sein, die individuellen Daten auch im Nachhinein dem jeweiligen Spender zuzuordnen. Trotz diesem Vorhaben findet weder eine öffentliche Diskussion noch Proteste statt.

''Die Menschen sind besorgt über ihre Gesundheit'', sagt Hannes Danilov, Vizeminister im zuständigen Sozial- und Gesundheitsministerium: ''Sie wollen lieber alles als nichts wissen.'' Mehr als 90 Prozent der Bevölkerung haben sich in einer Testumfrage zur Teilnahme bereit erklärt.
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Island und DeCode
Island verspricht sich in der boomenden Gentechnikbranche einen Wettbewerbsvorteil durch eine monopolistisch und privatwirtschaftlich betriebene Gendatenbank. So wurde am 22. Januar 2000 dem amerikanischen Unternehmen DeCode die exklusive Lizenz für 12 Jahre gewährt, die medizinischen Daten sowie genealogischen und genetischen Informationen der gesamten Bevölkerung Islands auf kommerzieller Basis auszuwerten. Dies geschah gegen den Willen großer Teile der Bevölkerung, wie auch großer Teile der Ärzteschaft in Island.
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Finanzierung noch ungewiss
Bisher ungelöst sind Probleme des estnischen Projektes wie die noch nicht fertig gestellte Computersoftware und die Finanzierungsfrage. Zwischen umgerechnet 2,81 und 7,04 Milliarden Schilling werde das Projekt kosten, schätzen Experten. Der Betrag soll zu großen Teilen von der Privatwirtschaft aufgebracht werden.

Estnische Vertreter sind zu den Biotechnikfirmen weltweit ausgeschwärmt, um für Investitionen zu werben. Später soll sich, so hofft man in Tallinn, eine boomende Gen- und Biotechniksparte im Universitätsstädtchen Tartu ansiedeln.
Daten dürfen nicht außer Landes gebracht werden
Das estnische Genbankgesetz verbietet, die Daten außer Landes zu schaffen. So bleibt den interessierten Unternehmen gar nichts anderes übrig, als Niederlassungen nahe dem Zentralcomputer zu gründen. Die Universität der Stadt Tartu baut bereits Kapazitäten aus, um die erwartete Arbeitskraftnachfrage bedienen zu können.
Erhoffter Investitionsschub
Der Initiator des Projektes, Jaanus Pikani, erhofft sich durch die geplante Gendatenbank 1,41 Milliarden Schilling Direktinvestitionen jährlich, was die derzeitige Gesamtmenge von Auslandsinvestitionen um etwa 30 Prozent steigern würde.
Im Herbst 2001 erster Testlauf
Zu den Mitbegründern der Datenbank gehört auch Außenminister Toomas Ilves. Ab Herbst 2001 sollen rund um die Stadt Tartu die ersten 10.000 Proben von Gendaten gesammelt werden, um Logistik und Verfahren zu testen. 2002 soll das Projekt auf Hochtouren laufen.
->   Demographische Daten über Estland
->   Das estnische Genomprojekt
 
 
 
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01.01.2010