News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Kosmos 
 
Was wiegt das Universum?  
  Eine zwei Jahre dauernde Beobachtung von über 100.000 Galaxien, vier mal mehr als bei früheren derartigen Untersuchungen, lieferte die bislang genaueste Beschreibung von Struktur und Ausdehnung des Universums.  
Diese Woche präsentieren John Peacock und seine Mitarbeiter von der University of Edinburgh im aktuellen Nature Magazine Daten von bislang 141.000 untersuchten Galaxien. Ihre neuartige dreidimensionale Karte des lokalen Kosmos gibt auch eine Vorstellung von der Gesamtmasse des Universums.
''Rotverschiebung als Maß der Ausdehnung''
Im Rahmen der 2dF Galaxy Redshift Survey (two-degree-field-(2dF)-Projekt) soll bis zum Ende dieses Jahres die Rotverschiebungen von 250 000 Galaxien gemessen werden. Diese Rotverschiebungen sind nicht nur ein Maß für die Ausdehnung des Weltalls, sondern auch Ausdruck für die Geschwindigkeit, mit der sich Galaxien von der Erde entfernen. Daraus lassen sich ihre Positionen ableiten. Auf diese Weise entstand eine Karte bislang nicht gekannter Präzision.
...
Rotverschiebung ...
... ist die Verschiebung von Spektrallinien einer elektromagnetischen Strahlung zu größeren Wellenlängen, beim Licht also zum roten Ende des sichtbaren Spektrums hin. Die wichtigste physikalische Ursache für eine Rotverschiebung ist der Doppler-Effekt bei Lichtquellen (Sternen oder Spiralnebeln), die sich von uns entfernen. Nach der Relativitätstheorie tritt in dem von Sternen ausgestrahlten Licht eine Rotverschiebung auf, weil die Lichtquanten gegen die anziehende Schwerkraft des Sternes Arbeit leisten müssen und folglich Energie verlieren und somit einer Frequenzminderung unterliegen. Steht in Zusammenhang mit dem Hubble-Effekt (siehe weiter unten).
->   Mehr zu Rotverschiebungen
...
Britisch-australische Zusammenarbeit
Die jetzt vorgestellten Ergebnisse sind das Produkt einer Zusammenarbeit von britischen und australischen Astronomen, die ein speziell dafür angefertigtes Instrument an der Anglo-Australischen Sternwarte in Australien benutzten.

Die jetzt erstellt Karte zeigt unter anderem die Ungleichmäßigkeit der Galaxienverteilung im Universum. Fast leere Räume sind durchzogen von leuchtenden, bis zu 100 Millionen Lichtjahre langen Strukturen.
Junges Universum sehr homogen
Die kosmische Hintergrundstrahlung, die gleichsam Echo des Urknalls ist, lässt indes darauf schließen, dass das junge Universum bei hohen Temperaturen und hoher Dichte homogen war. Die heute ungleiche Verteilung der Galaxien scheint also im Widerspruch zur gleichförmigen Hintergrundstrahlung zu stehen.
Verdichtung durch Masse-Anziehung
In Modell der britisch-australischen Astronomen verstärken sich kleine, etwas dichtere Galaxien-Bereiche dadurch, dass deren lokale Masseanreicherungen auch die Gravitation erhöhen und somit noch mehr Masse anziehen und so weiter: ein sich selbst verstärkender Effekt.

Da die gleichmäßige Expansion des Universums in diesen Bereichen gebremst wird, erhöhen sich die Dichtekontraste zusätzlich. Es existieren also Bereiche, wo sich Materie konzentriert und so eine ungleichmäßige Struktur des Universums entsteht.
...
Hintergrundstrahlung ...
... ist eine schwache, offenbar aus allen Richtungen des Weltraums gleichmäßig einfallende Radiostrahlung, die mit der Frühentwicklung und der Entstehung des Universums zusammenhängt. 1992 entdeckte der Satellit COBE winzige Unregelmäßigkeiten in der kosmischen Hintergrundstrahlung, die vermutlich auf frühe Unregelmäßigkeiten in der Materieverteilung zurückgehen.
->   Mehr zur Entstehung des Universums und zu Hintergrundstrahlung
...
Rotation in dichten Gruppen
Mit Hilfe statistischer Analysen der Galaxienbewegungen konnten John Peacock und sein Team zeigen, dass die Galaxien innerhalb eines Haufens in dichten Gruppen umeinander rotieren. Dagegen bewegen sie sich im größerem Maßstab langgezogener Strukturen in Richtung einer Konzentration der Masse.
Ein Atom pro Kubikmeter
Aus diesen Beobachtungen ließen sich zudem Rückschlüsse auf die Masse des Universums schließen; deren Dichte ist extrem gering. Matthew Colless von der Research School of Astronomy & Astrophysics der Australian National University schätzt, dass es im Durchschnitt pro Kubikmeter nur ein einzelnes Atom gibt.

Insgesamt bestehe das Universums nur zu 35 Prozent aus Materie, der Rest ist irgendeine Art dunkler Energie, die das All gleichmäßig ausdehnt.
...
Hubble-Effekt ...
... ist die Beziehung zwischen Entfernung und Fluchtgeschwindigkeit der Galaxien infolge der Expansion des Weltalls. Die Fluchtgeschwindigkeit ist der Entfernung mit großer Annäherung proportional. Der Hubble-Effekt spielt bei der Diskussion über die Struktur des Weltalls eine bedeutende Rolle. Vor allem ist dabei noch ungeklärt, wie groß der Wert der "Hubble-Konstante" ist. Er dürfte bei 55-75 km/s pro 3,26 Mio. Lichtjahre Entfernung liegen.
...
''Früher eher Philosophie als Wissenschaft''
"Die Kosmologie wurde lange Zeit aufgrund der dürftigen Daten eher als Zweig der Philosophie und weniger als Disziplin der Physik angesehen.

Sie erlebte in den letzten Jahren einen dramatischen Fortschritt und ist nun auf dem Weg in ein Zeitalter von groß angelegten Studien und präzisen Messungen", kommentiert Marc Davis von der University of California, Berkeley die neuesten Ergebnisse der australisch-britischen Astronomen.
->   Das The 2dF Galaxy Redshift Survey-Projekt
->   Institute of Astronomy, University of Edinburgh
->   Originalartikel im Nature (Nature 410, pp 169-173; 2001) (kostenpflichtig).
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Kosmos 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010