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Universelle Regel für Wasserstoff entdeckt  
  Kein Element kommt im Universum so häufig vor wie Wasserstoff. Dank seiner Eigenschaften wird er heute in so unterschiedliche Systeme wie Halbleiter, Isolatoren oder Lösungsmittel eingebaut und findet Anwendung etwa in der Raumfahrt und Lebensmittelindustrie. Bislang war es allerdings nicht möglich, ohne aufwendige Tests genau vorherzusagen, wie Wasserstoff die verschiedenen Materialien und Lösungen beeinflusst. Das könnte sich in Zukunft ändern, denn Forscher haben eine Art universelle Regel entdeckt, die genau dies leisten soll.  
Wissenschaftler des Fritz-Haber-Instituts in Berlin und des kalifornischen Palo Alto Research Center haben ein allgemeines Gesetz für Wasserstoff gefunden, wie die Forscher im Fachmagazin "Nature" berichten.
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"Universal alignment of hydrogen levels"
Der Artikel "Universal alignment of hydrogen levels in semiconductors, insulators and solutions" ist erschienen in "Nature", Bd. 423, Seiten 626 - 628, vom 5. Juni 2003 (doi:10.1038/nature01665).
->   Der Originalartikel in "Nature" (kostenpflichtig)
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Einfluss auf die Materialeigenschaften
Auf der Erde kennt man Wasserstoff hauptsächlich als Komponente von Wasser. Doch auf Grund der geringen Größe seiner Atome wird das Element häufig auch in Materialien eingebaut, wo es ganz wesentlich die Materialeigenschaften beeinflusst.

Um neue Materialien entwickeln bzw. vorhandene verbessern zu können, wäre es daher wichtig, wenn man verstehen und sogar voraussagen könnte, wie Wasserstoff sich in unterschiedlichen Substanzen oder Lösungen verhält.
Wasserstoff saugt Elektronen und Löcher auf
Eine der wichtigsten Eigenschaften von Wasserstoff ist beispielsweise seine Fähigkeit, Elektronen aus einem Material aufnehmen bzw. an das Material abgeben zu können.

Dank dieser Eigenschaft wirkt das Element in vielen Materialien wie ein Schwamm und saugt überschüssige Elektronen oder "Löcher" (fehlende Elektronen) einfach auf.
Halbleiter: H macht Defekte unschädlich
Dieser Effekt wird vor allem in der Halbleiterindustrie genutzt. Denn selbst unter den besten Bedingungen bilden sich Unvollkommenheiten im Material - häufig mit fatalen Folgen für die Effizienz und Lebensdauer von Halbleiter-Bauelementen.

Wasserstoff macht solche Defekte dank seines schwammartigen Charakters unschädlich.
Fundamentaler Prozess in vielen Reaktionen
 
Bild: Fritz-Haber-Institut

Visualisierung der Defektwellenfunktion eines Wasserstoffatoms, welches mit einem Halbleiter (CdTe) wechselwirkt. Wasserstoff (gelb) bindet mit einem Cd-Atom (grün) und bricht dadurch die Bindung zwischen einem Cd und einem Te-Atom (blau). Die transparenten Kugeln markieren die Positionen der Atome im idealen Gitter. Die rosafarbene Fläche zeigt die berechnete Wellenfunktion. Aufbauend auf solchen Rechnungen gelang es, eine universelle Regel für die Ausrichtung der elektronischen Niveaus des Wasserstoffs aufzustellen.

Diese Eigenschaft von Wasserstoff - sein schwammartiger Charakter - wird jedoch nicht nur in der Halbleiterindustrie genutzt, sondern ist einer der fundamentalsten Prozesse in vielen chemischen und biologischen Reaktionen.

Beispiele sind Speichersysteme für Wasserstoff, Brennstoffzellen, Katalysatoren, aber auch die Aktivität von Biomolekülen in Lösungen.
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Wasserstoff: Leichtes Element mit großer Zukunft
Wasserstoff ist das leichteste Element im chemischen Periodensystem und zugleich das häufigste des Universums. Das Element bildet für sich genommen ein farb-, geruch- und geschmacklose Gas (Formelzeichen H2). Es tritt auf der Erde jedoch überwiegend gebunden auf, etwa zusammen mit Sauerstoff als Wasser (H2O) oder mit Kohlenstoff oder Stickstoff in fossilen Brennstoffen. Das Element ist für alle Organismen der Erde lebensnotwendig.

Verwendung findet Wasserstoff beispielsweise bei der Herstellung von Düngemittel oder als Treibstoff in der Luft- und Raumfahrt. In der Lebensmittelindustrie wird er zur Härtung von flüssigen Fetten verwendet, die dann in Margarine oder Keksen zum Einsatz kommen. Mit der Brennstoffzelle wird der Wasserstoffbedarf nach Einschätzung von Fachleuten stark zunehmen. Langfristig könnte Wasserstoff das Öl als Energieträger ablösen. Dieser Wandel müsste allerdings ergänzt werden von der Erschließung erneuerbarer Energiequellen zur Wasserstoffgewinnung.
->   Mehr dazu: Wasserstoff - Das Erdöl der Zukunft
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Schlüsselgröße: Das "Übergangsniveau"
Eine Schlüsselgröße, um dieses Verhalten von Wasserstoff zu beschreiben, ist das so genannte Übergangsniveau (transition energy): Liegt dieses Energieniveau oberhalb des Elektronenreservoirs (chemischen Potentials) der Umgebung, gibt Wasserstoff Elektronen ab, ist es unterhalb, kann Wasserstoff Elektronen aufnehmen.

Um das Niveau genau zu bestimmen, waren bisher aufwendige Experimente bzw. umfangreiche Rechnungen erforderlich. Eine einfache Regel, die schnelle und unkomplizierte Vorhersagen erlauben würde, gab es nicht.
Simulationen enthüllen universelle Regel
Chris G. Van de Walle vom Palo Alto Research Center und Jörg Neugebauer vom Fritz-Haber-Institut haben jetzt modernste Hochleistungscomputer genutzt, um diesem Problem auf den Grund zu gehen.

Ihre Computersimulationen beruhen auf den grundlegenden physikalischen Gesetzen der Quantenmechanik. Die Forscher berechneten damit systematisch die Übergangsniveaus des Wasserstoffs für verschiedenste Materialklassen.

Dabei entdeckten sie völlig überraschend, dass diese Niveaus einheitlich ausgerichtet sind - sie liegen praktisch auf einer Linie. Diese Ausrichtung ist dabei nicht auf einzelne Materialklassen beschränkt, sondern völlig universell: Sie gilt für so verschiedene Systeme wie Halbleiter, Isolatoren oder sogar für Flüssigkeiten.
"Regel verbindet bisher als getrennt betrachtete Gebiete"
"Zu unserer großen Überraschung stellten wir fest, dass das Übergangsniveau nicht materialabhängig ist, auch wenn der Wasserstoff völlig unterschiedlich in verschiedene Materialien eingebaut wird. Unsere Regel verbindet damit bisher als getrennt betrachtete Gebiete, wie die Materialforschung und die Biochemie des Lebens", sagt Jörg Neugebauer, einer der beteiligten Forscher und Leiter einer Nachwuchsgruppe am Fritz-Haber-Institut.
Voraussagen für zu entwickelnde Materialsysteme
Dank der Kenntnis dieser universellen Regel ist es in Zukunft viel leichter, dass Verhalten von Wasserstoff in neuartigen bzw. in neu zu entwickelnden Materialsystemen vorauszusagen.

Konkrete Anwendungen ergeben sich beispielsweise bei der Entwicklung von ultravioletten Laserdioden, die für die nächste Generation von DVD-Spielern benötigt werden, für die drahtlose Kommunikation, für Wasserstoffspeicher und Brennstoffzellensysteme.
->   Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft
->   Palo Alto Research Center
->   Alles zum Stichwort Wasserstoff in science.ORF.at
 
 
 
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01.01.2010