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Hirnforscher: Übung macht den Meister  
  Intelligente Menschen haben - rein neurowissenschaftlich betrachtet - den Vorteil, dass sie bei kniffligen Aufgaben ihr Gehirn besonders effizient nutzen. Das ist allerdings nicht alleine eine Frage der Intelligenz, denn laut einer neuen Studie lässt sich dies durchaus lernen: Bei den verschieden begabten Probanden jedenfalls unterschieden sich die Muster der Hirnaktivierung kaum voneinander - solange sie Aufgaben in ihrem Fachgebiet lösten.  
Die Hirnforscher Roland Grabner und Aljoscha C. Neubauer von der Universität Graz haben gemeinsam mit der Kognitionspsychologin Elsbeth Stern vom Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin die Fähigkeiten und Gehirnleistungen von Grazer Taxifahrern genauer untersucht.

Ihre Ergebnisse werden in der Fachzeitschrift "International Journal of Psychophysiology" erscheinen, wie das Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in einer Aussendung mitteilte.
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Der Artikel "When intelligence loses its impact: neural efficiency during reasoning in a familiar area" der drei Wissenschaftler erscheint in einer der kommenden Ausgaben des "International Journal of Psychophysiology".
->   "International Journal of Psychophysiology"
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Debatte um geistige Leistungen
Seitdem Wissenschaftler mit bildgebenden Verfahren dem Gehirn beim Denken quasi zusehen können, ist die Debatte um die Schicksalhaftigkeit von geistigen Leistungen wieder entbrannt.
Intelligenz: Effizientere Nutzung des Gehirns
Denn intelligente Menschen besitzen gegenüber weniger intelligenten Artgenossen tatsächlich einen Vorteil, der physiologisch nachweisbar ist: sie lösen schwierige Aufgaben mit weniger Gehirnaktivität und nutzen offenbar das Gehirn effizienter.
Mit Übung geht's genauso gut
Lernen und Üben bringt da nichts, könnte man folgern. Doch das ist so nicht richtig, wie nun ein neues Experiment zeigt, das Roland Grabner, Aljoscha C. Neubauer und Elsbeth Stern abgeschlossen haben.

Auch weniger intelligente Menschen können demnach auf ihrem Fachgebiet hohe Leistungen erbringen - und das Muster ihrer Hirnaktivierung unterscheidet sich dabei nicht wesentlich von dem ihrer intelligenteren Kollegen.
Grazer Taxler als Versuchspersonen
Die Wissenschaftler rekrutierten für ihre Versuchsreihe 31 erfahrene Taxifahrer aus Graz. Diese Experten für das Grazer Straßennetz unterschieden sich in ihrer Intelligenztestleistung erwartungsgemäß voneinander.
Erster Test: Ein "Alltags-Problem"
Im ersten Experiment wurde den Taxifahrern nun eine Route in Graz vorgegeben - anschließend defilierten Grazer Straßennamen auf einem Computerbildschirm vorbei. Die Versuchspersonen mussten unter Zeitdruck entscheiden, ob sie diese Straßen auf dem Weg zu ihrem Ziel kreuzen würden oder nicht.
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Elektro-Enzephalogramm zeichnete Hirnaktivität auf
Dabei trugen sie eine Kappe mit 27 Elektroden, welche ein Elektro-Enzephalogramm (EEG) aufzeichnete und die Veränderungen in der elektrischen Aktivität verschiedener Gehirnregionen registrierte.
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Muster bei allen Probanden gleich
Alle Männer lösten diese vertrauten Aufgaben ohne große geistige Anstrengung: Nur kleine Bereiche im Gehirn zeigten eine gewisse Aktivität und dieses sparsame Muster unterschied sich bei den einzelnen Versuchspersonen kaum.
Zweiter Test: Unvertraute Aufgabe
Beim zweiten Experiment dagegen wurde den Taxifahrern eine unvertraute Aufgabe gestellt, die an ihre räumliche Intelligenz appellierte:

Auf einem fiktiven Straßennetz durften sie sich 30 Sekunden lang eine bestimmte Fahrstrecke einprägen. Anschließend erschienen rote Punkte auf einer Blankokarte auf dem Bildschirm und sie mussten entscheiden, ob dieser Punkt auf ihrer Route liege oder nicht.
Je intelligenter, desto weniger Aufwand
Dieses neue Problem lösten die Intelligenteren mit deutlich weniger geistigem Energieaufwand als ihre Kollegen, die beim Intelligenztest schlechter abgeschnitten hatten.
Übung kann Hirnprozesse optimieren

Bei vertrauten Aufgaben, wie sie im beruflichen Alltag vorkommen, wirken sich also Intelligenzunterschiede offenbar nicht auf die Effizienz von Hirnprozessen aus. Auch andere Experimente weisen darauf hin, dass Menschen durch Üben ihre Hirnprozesse in bestimmten Bereichen optimieren können.

Überrascht sind die Forscher von diesem klaren Befund nicht. Vielmehr bestätigen die neurophysiologischen Daten das, was auch ihre psychologischen Experimente mit Kindern im Vor- und Grundschulalter zeigen:

Lernfortschritte hängen nicht vorwiegend von der Intelligenz ab. "Vorwissen und Übung können eine niedrigere Intelligenz durchaus wettmachen, umgekehrt aber kann eine hohe Intelligenz fehlendes Wissen nicht kompensieren," betonte Stern.
->   Max-Planck-Institut für Bildungsforschung
->   Institut für Psychologie der Universität Graz
->   www.innovatives-oesterreich.at
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01.01.2010