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Urplasma: Physiker bestätigen ihr "Rezept"  
  Nur Mikrosekunden nach dem Urknall oder "Big Bang", als das neugeborene Universum sich lediglich über einige Kilometer erstreckte, existierte alle Materie in einem speziellen Zustand: Quarks und Elektronen schwammen frei in einer unglaublich heißen und dichten "Suppe" - dem so genannten "Quark-Gluonen-Plasma". Soweit die Theorie. Ein Team von US-Forschern wollte bereits 2001 in einem Experiment Hinweise auf ein solches Plasma gefunden haben - Kritiker bezweifelten allerdings die Ergebnisse. Neue Versuche der Wissenschaftler bestätigen nun ihre damalige Behauptung.  
Wie das Wissenschaftsmagazin "New Scientist" in seiner aktuellen Ausgabe berichtet, versuchen seit Jahren verschiedene Forscherteams weltweit, die wenige Sekunden nach dem Urknall existierende Situation nachzubilden. In anderen Worten: Man versucht, ein "Quark-Gluonen-Plasma" zu erzeugen.
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Sekunden nach dem Urknall: Das "Quark-Gluonen-Plasma"
Materie besteht aus Protonen und Neutronen, die wiederum aus Quarks zusammengesetzt sind. Quarks allerdings existieren nicht für sich, sondern sind durch die Gluonen entweder mit zwei anderen Quarks oder mit einem Antiquark verbunden. Diese Verknotung existiert in einem "Quark-Gluonen-Plasma" nicht mehr - einer ultradichten "Energiesuppe", in der Quarks, Antiquarks und Gluonen frei in Kontakt treten.
->   Mehr dazu in www.quantenwelt.de
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Kollision von Goldatomen für den Nachweis
Zwar gaben bereits im Jahr 2000 Wissenschaftler vom europäischen Teilchenphysik-Zentrum CERN bekannt, dass sie erstmals Anzeichen eines solchen Plasmas beobachtet hätten - allerdings waren nicht alle Kritiker davon überzeugt. Das Experiment wurde beendet, bevor die Ergebnisse überprüft werden konnten.

Schließlich meldeten die Physiker vom Relativistic Heavy Ion Collider (RHIC) am Brookhaven National Laboratory im US-Bundesstaat New York Erfolg: Geschaffen wurde die Milliarden Grad heiße Materie ihres "Little Bang", indem die Physiker geladene Goldatome mit nahezu Lichtgeschwindigkeit aufeinander schossen.
Detektoren spürten "jet quenching" auf
Alle vier Detektoren mit den klingenden Namen STAR, PHENIX, BRAHMS und PHOBOS beobachteten damals ein Phänomen, das sich "jet quenching" nennt:

Kollidieren zwei Ionen miteinander, so streuen sie normalerweise zwei Teilchenstrahlen in entgegengesetzte Richtungen aus. Doch bei dem Experiment mit den Goldionen konnte manchmal nur ein solcher Strahl aufgespürt werden.

Dies passt zu dem, was Physiker sich von einer Suppe aus frei schwimmenden Quarks, wie sie kurz nach dem Urknall existiert haben soll, erwarten - wenn eine Kollision nahe am Rand eines solchen Plasmas geschähe, so würde ein Teilchenstrahl vom Plasma verschluckt werden.
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"Big Bang": Die Entstehung des Universums
Die Mehrheit der Astronomen akzeptiert heute die Theorie vom Urknall oder "Big Bang": Das Universum ist demnach vor rund 16 Milliarden Jahren in einer gewaltigen Explosion entstanden. Als das Universum in den kommenden 500 Millionen Jahren expandierte und sich abkühlte, verwandelte sich das Plasma, aus dem das Universum bis dahin bestand, in Atome und neutrale Gase, in erster Linie Wasserstoff und Helium. In den darauf folgenden 500 Millionen Jahren begannen sich aus dem kalten Gas die ersten Galaxien zu entwickeln. Der Raum zwischen den einzelnen Galaxien dehnt sich - so die These - immer noch fortwährend aus.
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Kritik: Ergebnisse dank Energie des Goldes
Viele Theoretiker allerdings gaben sich mit den Ergebnissen nicht zufrieden - und argumentierten, dass der fehlende Strahl auch mit der hohen Energie der Goldnuklei zusammen hängen könnte - statt mit irgend einer Art von neuem Materiezustand.
Neue Tests: Gold und Deuterium
Die RHIC-Physiker machten sich also daran, ihre Behauptung weiter zu untermauern - und führten erneut Versuche im Teilchenbeschleuniger durch. Diesmal allerdings mit Gold- sowie wesentlich kleineren Deuterium-Ionen.

Damit wiesen zwar die Goldatome die gleiche Energie auf wie in den früheren Experimenten, doch insgesamt reichte sie nicht aus, um ein "Quark-Gluonen-Plasma" zu erzeugen.
Resultat: Kein "jet quenching" zu beobachten
Die Resultate der Wissenschaftler werden noch analysiert, doch eines scheint schon jetzt klar: "Wir haben bei der Gold-Deuterium-Kollision keine Unterdrückung eines Strahls beobachtet", wird Barbara Jacek vom PHENIX-Detektor in "New Scientist" zitiert.

Ein Ergebnis, das auch die Forscher der anderen drei Einrichtungen bestätigen können.

Dies wiederum legt nahe, dass der Effekt des "jet quenching" tatsächlich durch ein "Quark-Gluonen-Plasma" entstanden ist und nicht durch die Goldionen selbst. Es sei unvorstellbar, dass das, was man bei der Gold-Gold-Kollision beobachtet habe, lediglich extrem heißes Gas aus gewöhnlicher Materie sei, kommentiert Thomas Ulrich vom STAR-Detektor die neuen Ergebnisse.
Neue Experimente sollen weitere Einblicke bringen
Die Forscher planen nun neue Experimente, um den eindeutigen Nachweis zu erbringen. Gedacht wird etwa an Kollisionen auf niedrigeren Energielevels, um - so hoffen die Physiker - dabei den Übergang von gewöhnlicher Materie zum "Quark-Gluonen-Plasma" verfolgen zu können.
->   Brookhaven's Relativistic Heavy Ion Collider (RHIC)
->   "New Scientist"
->   Alles zum Stichwort Urknall in science.ORF.at
 
 
 
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01.01.2010