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Evolution im Reagenzglas  
  Wiener Wissenschafter haben eine Methode entwickelt, wie sich positive Mutationen und damit Evolution von Bakterienkulturen verfolgen lassen.  
Üblicherweise verbindet man mit Evolution lange Zeiträume, die innerhalb eines Menschenlebens nicht beobachtet werden. Im Reagenzglas versucht man heute, solche Evolutionsprozesse nachzustellen - damit soll gezeigt werden, wie und wann Mutationen auftreten, wie schnell sie sich verbreiten, und wie sie zuletzt eine ganze Kultur verändern.
Experimentelle Evolution
In den letzten Jahren ist eine neue evolutionäre Forschungsrichtung entstanden, die experimentelle Evolution. Dabei versuchen Forscher die Evolutionsdynamiken an einem Modelsystem zu verfolgen. Besonders geeignet sind Organismen, die sich schnell vermehren und im Reagenzglas gezüchtet werden können - wie zum Beispiel Bakterien.

Bisher jedoch waren der Analyse solcher Modellsysteme allerdings deutliche Grenzen gesetzt - es gab keine Möglichkeiten, die einzelnen Bakterien einer Kultur in einem Reagenzglas zu unterscheiden.

Dr. Christan Schlötterer und seinem Team am Institut für Genetik der Veterinärmedizinischen Universität Wien ist es jetzt gelungen, die Bakterien mit Unterscheidungsmerkmalen zu versehen. Evolutionsprozesse lassen sich so viel direkter verfolgen.
Positive Mutationen
Was die Wissenschafter vor allem interessiert, sind ¿positive¿ Mutationen, die allerdings viel seltener auftreten als die ¿negativen¿. Bei den Bakterien treten etwa 2 bis 3 positive Mutationen in 1000 Generationen, also 1000 Zellteilungsrunden, auf, die - ganz im Sinne der Evolutionstheorie ¿ ihren Trägern zu besserer Fitness, also größerer Nachkommenschaft verhelfen.
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Genetische Mutationen
Genetische Mutationen, Veränderungen des Erbguts, sind ein ganz natürlicher Prozess. Bei der Verdopplung der DNA bei jeder Zellteilung können Fehler passieren. Die meisten davon werden von einem zelleigenen Sicherheitssystem gleich repariert ¿ aber nicht alle. Von den Veränderungen, die bleiben, wirken sich die meisten negativ für die Zellen aus. Nur etwa ein Millionstel aller Mutationen hat positive Auswirkungen.
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Mutierte Bakterien erkennen
Bisher gab es dabei ein paar stark einschränkende Probleme: wenn eine solche positive Mutation auftritt, ist das nach außen nicht immer gleich sichtbar, die Bakterien sehen weiterhin gleich aus. Die mutierten Bakterien können daher auch von den anderen nicht getrennt werden.
Bakterien markieren mit Mikrosatelliten
Die Wiener Molekularbiologen haben jetzt eine Technik entwickelt, die diese Unterscheidung einzelner Bakterien ermöglichen soll. Dazu wurden den Mikroorganismen ein Stück zusätzliche DNA eingebaut, dass die Eigenschaft hat, hoch polymorph zu sein, das heißt, stark variieren zu können - sogenannte Mikrosatelliten-DNA.
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Mikrosatelliten-DNA
Das gesamte Erbgut besteht aus kodierenden Bereichen, die die Gene und diese regulierende Sequenzen enthalten, und nicht kodierenden Bereichen mit unbekannter Funktion. Mikrosatelliten sind Abschnitte in nicht kodierenden Bereichen des DNA-Fadens, in denen einfache Sequenzen der DNA-Bausteine, z.B. GA, GAG, CAA, unterschiedlich oft wiederholt werden, so dass die Abschnitte unterschiedlich lang sind. Jedes Individuum besitzt eine einzigartige Kombination dieser verschieden langen Abschnitte der Mikrosatelliten, die bei einer Längenanalyse in einem Analysengerät ein individuelles Bandenmuster, ähnlich einem Strichcode, ergeben. Dieses Bandenmuster wird auch als DNA-Profil oder genetischer Fingerabdruck bezeichnet. Es kann zum Bespiel auch für Vaterschaftstests verwendet werden.
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Die Bakterien einer Kultur tragen also nun alle als Merkmal so eine Microsatelliten-DNA mit einer bestimmten Länge, die sie bei der Teilung auch an die Tochterzellen weitergeben. Nach mehreren Generationen lässt sich untersuchen, ob eine bestimmte Längenvariante der Mikrosatelliten-DNA überproportional zugenommen hat.
Mutanten finden und aussortieren
In den Bakterien, die diese überproportional auftretende Längenvariante tragen, ist dann offensichtlich eine positive Mutation aufgetreten, die es ihnen erlaubt, sich effizienter als alle anderen zu vermehren.

Diese Bakterien können die Forscher auch aussortieren und getrennt von den anderen wachsen lassen und weiter untersuchen. Was die positive Mutation selbst ausmacht, können sie mit dieser Methode allerdings noch nicht sagen.

Aber immerhin ließe sich bereits nicht nur zeigen, wo die Bakterien mit den positiven Mutationen sind - es lässt sich so außerdem auch nachweisen, das Evolutionsprozesse wiederholbar sind, sagt Christian Schlötterer. Unter den gleichen Umweltbedingungen setzen sich die gleichen Mutationen im Laufe der Zeit nämlich immer wieder durch.
->   Informationen zur DNA
->   Proceedings of the National Academy of Science
 
 
 
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01.01.2010