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Pheromone: Überflüssig dank Farbsehen?  
  Pheromonen - chemische Botenstoffe, die etwa bei Insekten das Fortpflanzungs- und Sozialverhalten steuern - wird im Allgemeinen ein "betörender" Einfluss auch auf den Menschen unterstellt. Doch US-Forscher stellen dies nun in Abrede: Demnach weist der Mensch keine oder kaum mehr funktionierende Pheromon-Rezeptoren auf. Der Grund: Die Entwicklung des Farbsehens habe sich langfristig als bessere Methode bei der Partnersuche erwiesen.  
Jianzhi Zhang und David M. Webb vom Department of Ecology and Evolutionary Biology der University of Michigan haben sich in ihrer Untersuchung den Pheromonrezeptoren im Erbgut von Menschen und verschiedenen Primaten angenommen.

Ihre Ergebnisse sind in den aktuellen "Proceedings of the National Academy of Sciences" erschienen.
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Der Artikel "Evolutionary deterioration of the vomeronasal pheromone transduction pathway in catarrrhine primates" ist in den "Proceedings of the National Academy of Sciences" (PNAS, 16.6.03; DOI: 10.1073/pnas.1331721100) erschienen.
->   PNAS
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Pheromone für die Partnersuche
Seit den 50er Jahren untersuchen Wissenschaftler die Wirkungsweise der Pheromone. Dass Insekten beispielsweise diese chemischen Botenstoffe verwenden, um potenzielle Paarungspartner anzulocken bzw. zu erkennen, gilt mittlerweile als bewiesen.
Viele ungeklärte Fragen
Vieles allerdings ist nach wie vor nicht geklärt - so streiten Biologen immer noch über die Frage, was Pheromone genau sind: Laut bislang gültiger Definition handelt es sich um chemische Substanzen, die der Kommunikation zwischen Organismen einer Art dienen und als Vorläufer der Hormone angesehen werden.
Einfluss auch beim Menschen?
Und auch beim Menschen wollen verschiedene Studien bereits einen Einfluss nachgewiesen haben. Wie die Pheromone allerdings vom Menschen wahrgenommen werden, zählt zu den ungeklärten Fragen.

Die Nase steht dabei ebenso zur Debatte, wie das so genannte Vomeronasal-Organ, das bei Mäusen Rezeptoren für die Botenstoffe enthält. Ob allerdings der Mensch überhaupt ein funktionstüchtiges Vomeronasal-Organ besitzt, ist unter Biologen umstritten.
->   Informationen zum Vomeronasal-Organ
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Pheromone - unterteilt nach ihrer Wirkung
Eine Möglichkeit, Pheromone zu kategorisieren, ist die Unterscheidung nach ihrer Wirkung: Sexualpheromone etwa beeinflussen das Sexualverhalten von Tieren bzw. locken den Partner an. Am besten untersucht sind die Insektenpheromone. Es wird vermutet, dass Pheromone als "sehr alte Substanzen" funktionelle Vorläufer von Hormonen sind. Chemisch handelt es sich meist um Alkohole, Säuren oder Kohlenwasserstoffe.
->   Mehr Informationen zu Pheromonen
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Neue These: Von den Pheromonen zum Farbsehen
Jianzhi Zhang und David M. W stellen nun eine neue These auf: Demnach waren unsere Vorfahren einst durchaus in der Lage, die Partnersuche über Pheromone und ihre entsprechenden Rezeptoren zu meistern.

Doch auf Dauer habe sich das Farbsehen als die bessere Methode etabliert - und so die Wahrnehmung der Botenstoffe überflüssig gemacht. Die Folge laut den US-Forschern:

Obwohl Menschen und ihre nahen Verwandten unter den Primaten, etwa Schimpansen oder Orang-Utans, durchaus noch Gene für Pheromonrezeptoren im Erbgut tragen, seien diese zumindest teilweise mutiert und stellten heute lediglich "Pseudogene" dar - Gene, die nicht mehr funktionieren.
Menschen und Altwelt- kontra Neuweltprimaten
Den entscheidenden Hinweis fanden die Wissenschaftler bei der genetischen Analyse von Menschen sowie den so genannten Altwelt- und Neuweltaffen.

Bei den Altweltaffen ( Catarrhini) wird nämlich laut Studie das sexuelle Verhalten der Tiere stark von Farbsignalen gesteuert: Sehr bunte Hautflecken und deutliche Schwellungen signalisieren demnach etwa die "reproduktive Fitness" und Fruchtbarkeit des Trägers.

Im Gegensatz zu den in Afrika und Asien lebenden Altweltaffen sowie den Menschen sind die auf dem amerikanischen Kontinent lebenden männlichen Neuweltaffen dagegen rot-grün-farbenblind.
Genduplikat ermöglicht Männern Farbsehen
Den US-Forscher zufolge hat sich bei den gemeinsamen männlichen Vorfahren von Menschen und Altweltprimaten einst die zweite Kopie eines Gens entwickelt, das für die Rot-Grün-Erkennung notwendig ist.

Daher sind die meisten Männer genauso wie die männlichen Altweltaffen heute in der Lage, im vollen Farbspektrum zu sehen. Weibchen bzw. Frauen haben diesbezüglich im Übrigen kein Problem: Sie tragen immer zwei Kopien der entsprechenden Gene.

Die Forscher untersuchten spezielle Gene, die für die V1R-Pheromonrezeptoren sowie den TRP2-Ionenkanal, der wiederum zum Signalweg der Pheromone gehört, kodieren. Dabei fanden sie heraus, dass die Gene sowohl beim Menschen, als auch bei den Altweltprimaten mutiert waren, sodass sie schlicht funktionsuntüchtig waren.
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Entwicklungsgeschichtliche Datierung
Sogar die entwicklungsgeschichtliche Datierung haben Zhang und sein Kollege bereits vorgenommen: Die Trennung von Altwelt- und Neuweltprimaten hat demnach vor rund 35 Millionen Jahren stattgefunden, die entscheidende Genduplikation bei den Vorfahren von Altweltaffen und Menschen ereignete sich vor rund 23 Millionen Jahren.
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"Farbsehen machte Pheromone unnötig"
"Farbsehen machte Pheromone unnötig", kommentiert Zhang die Ergebnisse in einer Aussendung der University of Michigan. Seine These: Für sexuelle Signale funktionieren Farben besser als Pheromone, vor allem bei größeren Distanzen.

Ein Pheromon hänge sich an ein Molekül an, um dann über die Luft schließlich auf den Rezeptoren eines Artgenossen zu landen. Während man in diesem Fall allerdings nicht sofort auf den Ursprung des Signals schließen könne, sei dies bei Farbsignalen oder Schwellungen sofort klar.

Der Mensch und einige verwandte Primaten besitzen daher, so das Fazit der Studie, keine oder nur eine sehr eingeschränkte Fähigkeit, Pheromone wahrzunehmen. "Die willkürliche Inaktivierung der Pheromonrezeptorgene ist ein laufender Prozess - selbst bei den heutigen Menschen", schreiben die Forscher in den PNAS.
Andere Studien zeigen deutlichen Einfluss
Das letzte Wort ist damit allerdings noch nicht gesprochen: Denn mit den Ergebnissen der Wissenschaftler lässt sich nicht erklären, wieso in verschiedenen Versuchen durchaus ein deutlicher Einfluss der Pheromone auf Menschen nachgewiesen werden konnte.

Beispielsweise beurteilten Männer unter dem Eindruck weiblicher Pheromone auf Bildern dargestellte Frauen deutlich attraktiver, als Probanden, die ohne die Duftstoffe die gleichen Abbildungen sahen.

Zudem bleiben neben den untersuchten Genen einige weitere Pheromonrezeptorgene übrig, die bereits im menschlichen Erbgut identifiziert wurden und die - nach allem, was man weiß - durchaus funktionieren könnten.
->   Department of Ecology and Evolutionary Biology der University of Michigan
->   Alles zum Stichwort Pheromone in science.ORF.at
 
 
 
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01.01.2010