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Die Rolle der Biotechnik für die Pharmakologie  
  Die Entwicklung neuer Medikamente wird immer teurer. Denn neue Technologien ermöglichen nicht nur die Herstellung aufsehenserregender Arzneimittel, sondern treiben auch die Entwicklungskosten in die Höhe. Der Lebensmittel- und Biotechnologe Albert Karsai beschreibt in einem Gastbeitrag für science.ORF.at in Kooperation mit "dialog<>gentechnik" die Rolle der Bio- und Gentechnik in der Pharmakologie.  
Pharmakologie und Gentechnik
Von Albert Karsai, dialog<>gentechnik

800 Millionen US-Dollar - so viel betrugen die durchschnittlichen Entwicklungskosten für ein neu entwickeltes Medikament im Jahr 2001. Diese formidable Summe macht deutlich, warum die Welt der Pharmaindustrie auch eine Welt der multinationalen Firmen und Konzerne ist.

Die Entwicklung neuer Medikamente von der Forschung bis hin zur Marktzulassung dauert mittlerweile zehn bis 15 Jahre. Neue, bessere - aber auch teurere - Technologien und jährlich steigende Auflagen der Zulassungsbehörden sind mit für die Kostenexplosion verantwortlich.

Kleinere Firmen müssen sich da aufs Nachbauen erfolgreicher Präparate beschränken, deren Patentschutz bereits ausgelaufen ist.
Große Gewinne und Verluste
Gewiss, die Gewinne aus erfolgreichen Präparaten gehen ebenfalls in die Millionen. Drei bis vier solcher "Blockbuster" benötigt eine Firma, will sie wettbewerbsfähig bleiben und weiter in Forschung und Entwicklung investieren.

Doch das Risiko ist groß: Stellt sich ein neues Medikament als Flop heraus oder muss es aufgrund unerwarteter Schwierigkeiten vom Markt genommen werden, so mag das einmal zu verkraften sein. Passiert dies mehrmals hintereinander, bringt es selbst große Konzerne an den Rand eines finanziellen Kollaps.
Wie "funktionieren" Krankheiten?
Das Herzstück eines jeden Medikaments ist die Wirksubstanz (oder eine Kombination aus mehreren Substanzen). Um eine geeignete Wirksubstanz zu finden, muss ein lohnendes Angriffsziel ("Target") bekannt sein, das heißt, die Forscher müssen die Entstehung der Krankheit auf molekularer Basis verstehen. Erst dann können die spezifischen Wechselwirkungen zwischen Target und möglichen Wirkstoffen untersucht werden.

Neben hochleistungsfähigen automatisierten Screening-Verfahren sind spezielle molekularbiologische Methoden zum unerlässlichen Werkzeug der Wissenschaftler geworden. "Nur wenn am Ende dieses Prozesses eine Substanz steht, die besser ist als der momentane Standard, kann die Entwicklungsphase beginnen", betont Anton Stütz, Forschungsbereichsleiter im Novartis Forschungsinstitut Wien.
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"Targets" - Angriffspunkte für Medikamente
Unter einem "Target" versteht die Wissenschaft einen Angriffspunkt, gegen den sich eine Therapie richten kann. So ein Angriffspunkt kann zum Beispiel ein Rezeptormolekül einer Körperzelle oder eines eingedrungenen Mikroorganismus sein. Um geeignete Targets identifizieren zu können, muss der Krankheitsverlauf auf molekularer Basis genau bekannt sein.
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Unerwünschte Wirkungen
Hat man eine neue, vielversprechende Substanz identifiziert und charakterisiert, wird der Patentschutz beantragt. Damit sichert man sich die alleinigen Vermarktungsrechte für 20 Jahre.

Danach beginnt mit der Produktentwicklung ein langwieriger Weg: zuerst einmal muss neben den pharmakokinetischen und pharmakologischen Eigenschaften (Verteilung und Wirkung im Körper) auch auf akute und chronische Toxizität geprüft werden. Ist die Substanz diesbezüglich unbedenklich, führt man Tests auf die allgemeine Verträglichkeit bei gesunden Versuchspersonen durch.
Klinische Studien und Registrierung
Daran schließen sich Therapieversuche und klinische Studien an "echten" Patienten an, die von einigen Dutzend bis zu Zehntausenden Personen umfassen können. Nach Abschluss der klinischen Studien vergehen bis zu zehn Jahre seit Beginn der Produktentwicklung.

Hat sich das Präparat bewährt, so steht es vor der letzten großen Hürde - der Registrierung. Die zuständige Behörde prüft die eingereichten Unterlagen; diese Evaluierungsphase dauert nochmals ungefähr eineinhalb Jahre.
Die Vermarktung
Erfolgt eine positive Beurteilung, folgen separate Verhandlungen über Preisgestaltung und Kassenzulassung in jedem Land, in dem es vermarktet werden soll. Im Normalfall verbleiben dem Hersteller dann noch sieben bis acht Jahre vom Patentschutz, innerhalb dessen die Entwicklungskosten zurück verdient werden können und das Produkt Gewinn abwirft.

In manchen Fällen kann der Patentschutz darüber hinaus auf maximal fünf Jahre verlängert werden. "Der Anstieg der Entwicklungskosten war einer der Gründe für die Verarmung an neuen Medikamenten; der andere Grund ist, dass die bisher bekannten Targets weitgehend ausgereizt waren", so Stütz.
->   Auf der Suche nach neuen Wirkstoffen (Albert Karsai über das Novartis Forschungsinstitut)
Gentechnik in Forschung und Produktion
In der Forschung ist die Bio- und Gentechnologie zu einem unverzichtbaren Werkzeug geworden. Doch auch in der industriellen Produktion spielen gentechnische Verfahren eine wichtige Rolle. "Manche Substanzen sind nur auf gentechnischem Weg herstellbar. Dann kommt die Gentechnologie zum Einsatz", erklärt Friedrich Dorner, Forschungsleiter des Bereichs BioSciences der Firma Baxter.

So werden zum Beispiel die Blutgerinnungsfaktoren VIII und IX, die zur Behandlung der Hämophilie (Bluterkrankheit) eingesetzt werden, mit Hilfe gentechnisch veränderter (so genannter "rekombinanter") Zellen im großen Maßstab hergestellt.

Auch bei der Herstellung von Impfstoffen helfen molekularbiologische Methoden mit, die Sicherheit und Reinheit dieser Produkte zu erhöhen. "Die Gentechnologie hat die konventionellen Verfahren nicht ersetzt, sondern zusätzliche Anwendungsgebiete erschlossen", so Dorner.
->   Rekombinant hergestellte Blutgerinnungsfaktoren (Albert Karsai über ein biotechnologisches Erfolgsmodell)
Die Eröffnung neuer Horizonte

Angesichts der großen Erwartungshaltung habe die Gentechnologie nicht all das gebracht, was man sich von ihr erhofft hatte. Dennoch erwartet sich der Wissenschaftler einiges vom internationalen Humangenom-Forschungsprojekt (HUGO): "Mit der Entschlüsselung des menschlichen Genoms wurde eine neue Ära eingeleitet", gibt sich Dorner optimistisch.

Zu der gleichen Ansicht kommt auch Anton Stütz von Novartis: "Die meisten pharmazeutischen Präparate weltweit zielen auf nicht mehr als etwa 100 Targets ab. Mit der Veröffentlichung des menschlichen Genoms könnten in Zukunft leichter neue Targets identifiziert werden."
->   dialog<>gentechnik
->   Weitere Beiträge von dialog<>gentechnik in science.ORF.at
->   www.innovatives-oesterreich.at
 
 
 
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01.01.2010