News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Wissen und Bildung .  Gesellschaft 
 
Wie funktioniert Europarecht In der EU?  
  Alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind dazu verpflichtet, Vorgaben aus dem Europarecht in nationale Normen umzusetzen. Daraus ergeben sich allerdings immer wieder Probleme in der konkreten Anwendung - auch in Österreich. Bedanna Bapuly von der ÖAW-Forschungsstelle für institutionellen Wandel und europäische Integration beschreibt in einem Gastbeitrag in der Reihe "Young Science" unter anderem, wie gemeinschaftsrechtskonform Österreichs Höchstgerichte entscheiden und welche Hilfen es für die heimische Justiz gibt.  
Europa und Recht
Von Bedanna Bapuly

Wie funktioniert Europarecht in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union? Die Forschungsstelle für institutionellen Wandel und europäische Integration der Österreichischen Akademie der Wissenschaften geht dieser Frage seit 1999 nach.

Die Beantwortung dieser Frage hat viele Facetten, wie Studien zur Umsetzung und Anwendung des Europarechts in Österreich zeigen. Ein Teilbereich dieser Arbeiten befasst sich mit Anwendungsproblemen, die sich der österreichischen Justiz seit dem EU-Beitritt stellten.

Das Projekt "Die Implementierung des Gemeinschaftsrechts - Die Gerichte" beruht auf einer breit angelegten empirischen Basis und untersucht höchstgerichtliche Judikate, die seit 1995 mit Gemeinschaftsrecht zu tun hatten.
...
Implementierung des Gemeinschaftsrechts
Es ist Aufgabe der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die aus dem Gemeinschaftsrecht erwachsenden Verpflichtungen zu erfüllen und Maßnahmen zu unterlassen, die gemeinsam festgelegte Integrationsziele gefährden könnten (Artikel 10 EG-Vertrag). Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind u.a. verpflichtet, Vorgaben aus dem Europarecht (z.B. Richtlinien) in innerstaatliche Normen umzusetzen und nationale Behörden müssen selbst unmittelbar wirkende europäische Normen anwenden.
...
Wie gemeinschaftsrechtskonform entscheiden Österreichs Höchstgerichte?
Um Mängel in der Anwendung erkennen zu können, wurde folgende Methode angewandt: Erstens wurde geprüft, ob die Entscheidungen mit den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs übereinstimmen.

Zweitens ging man der Frage nach, ob in letzter Instanz tätige Gerichte ihrer Pflicht nachkamen, ein Vorabentscheidungsverfahren beim EuGH einzuleiten.
Nur vereinzelt mangelhafte Fälle
Im Ergebnis konnte festgehalten werden, dass die Höchstgerichte im großen und ganzen die Herausforderung, Gemeinschaftsrecht anzuwenden sehr gut meisterten. Vereinzelt traf man auf Fälle, die den einen oder anderen Mangel unterschiedlicher Schwere aufwiesen.
...
Vorabentscheidungsverfahren bei Interpretationsfragen
Fragen zur Interpretation des Gemeinschaftsrechts beantwortet der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Rahmen von so genannten Vorabentscheidungsverfahren gemäß Artikel 234 EG-Vertrag. Stellt sich einem in letzter Instanz entscheidenden nationalen Richter eine Frage zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts, so ist er verpflichtet, den Europäischen Gerichtshof in Luxemburg um eine Vorabentscheidung anzurufen. Diese Pflicht entfällt unter anderem dann, wenn bereits eine entsprechende Interpretation vom Europäischen Gerichtshof vorliegt.
...
"Guidelines" für die Anwendung des Gemeinschaftsrechts
Um für potentielle Mängel bei der Anwendung von Gemeinschaftsrecht zu sensibilisieren, wurde ein Katalog erstellt, dessen Kenntnis dem Rechtsanwender in Zukunft den Umgang mit Gemeinschaftsrecht erleichtern soll.

Zahlreiche Fallstudien sollen bei der Einzelfallentscheidung die Orientierung erleichtern. Eine Datenbank, die alle von Österreich dem Europäischen Gerichtshof vorgelegten Fragen enthält, soll helfen überflüssige Mehrfachvorlagen zu verhindern.
Herausforderungen an die Justiz in den Kandidatenländern
Viele der zukünftigen Mitglieder der Europäischen Union haben in der letzten Dekade ihre Justiz tiefgreifend reformiert und ihr Rechtssystem an europäische Standards angeglichen. Diesen enormen Bemühungen der Mittel- und Osteuropäischen Länder auf ihrem Weg in die EU gebührt höchste Anerkennung.

Dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen und wird die Gerichte mit dem EU-Beitritt vor weitere Herausforderungen stellen. Die Europäische Kommission und zahlreiche Initiativen anderer Organisationen unterstützen die Beitrittsvorbereitungen in diesen Ländern.
Kooperation mit den Ländern Mittel- und Osteuropas
Die Österreichische Akademie der Wissenschaften schloss mit zahlreichen Ländern Abkommen, die der Verbreitung der an ihren österreichischen Forschungseinrichtungen gewonnenen Erkenntnisse dienen soll. Im Rahmen dieser Abkommen konnte ein Netzwerk mit Kontakten nach Bulgarien, Polen, Rumänien, der Slowakei, Slowenien, Tschechien und Ungarn geknüpft werden.

Im Rahmen von Studienaufenthalten werden die österreichischen Erkenntnisse mit Wissenschaftlern, Richtern und Beamten der Justizministerien diskutiert; dies soll zum einen Forscher in den Kandidatenländern anregen, ähnliche Projekte durchzuführen, zum anderen dazu führen, die theoretischen Erfahrungen in Ausbildungsprogrammen für Rechtsanwender zu verwerten.
EU-Workshop zum Thema in Wien
Im Juni 2003 wird in Wien eine Konferenz im Rahmen des PHARE-Programms unter Beteiligung hochrangiger Vertreter aus Wissenschaft und Justiz aus sieben Kandidatenländern und Österreich stattfinden: "The Role of Judiciary in the Implementation and Enforcement of EC-Law".

Ziel dieser Veranstaltung ist es, Erfahrungen bei der Umsetzung von Gemeinschaftsrecht und der Anwendung der Europaabkommen auszutauschen, Kooperationen zwischen Wissenschaft und Justiz zu intensivieren sowie eine problemorientierte Ausbildung von Rechtsanwendern zu initiieren.

Ein Vertreter der Europäischen Kommission wird zu diesem Thema am 27.6.2003 an der ÖAW einen der Öffentlichkeit zugänglichen Vortrag halten.
->   Näheres zu dieser Konferenz auf der ÖAW-Website
->   Forschungsstelle für institutionellen Wandel und europäische Integration
...
Bedanna Bapuly ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Forschungsstelle für institutionellen Wandel und europäische Integration der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.

Publikationen:
"Die Umsetzung des Gemeinschaftsrechts in Österreich - eine Untersuchung im Bereich der Gerichtsbarkeit", Juridikum IV (2000).
"Die Implementierung des Gemeinschaftsrechts", Bapuly/Kohlegger (im Erscheinen).

YOUNG SCIENCE ist eine Kooperation zwischen der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und science.ORF.at. Junge Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen stellen ihre Arbeiten und Projekte in Originalbeiträgen vor.
->   Alle Beiträge in der Reihe "Young Science"
...
->   Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW)
->   Das PHARE-Programm in europa.eu.int
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Wissen und Bildung .  Gesellschaft 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010