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Weltraum-Müll als Gefahr für die Raumfahrt  
  Die Menschheit sorgt auch im Weltall für immer mehr Müll. Mit fast jeder Mission ins All und mit dem Ablauf der Lebensdauer von Satelliten nimmt die Menge des "menschgemachten" Mülls rund um die Erde zu.  
Experten in Russland und den USA zählen gegenwärtig rund 10.000 Objekte von einer Größe über zehn Zentimetern, die wie eine stille Armada des Mülls der Zivilisation durchs All treiben - ausgebrannte Raketenstufen, verbrauchte Satelliten, Teile explodierter oder einfach verlorener Weltall-Ausrüstungsstücke.
Weitere 100.000 Objekte: Kleiner, aber gefährlicher
Viel bedrohlicher aber sind die rund 100.000 Abfall-Stücke, die zwischen ein und zehn Zentimeter groß sind. Denn sie können nicht per Radar verfolgt werden, sind aber nicht minder gefährlich als die größeren Trümmer.

Da auch sie sich mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von rund zehn Kilometern pro Sekunde durch das All bewegen, können sie durchaus Satelliten außer Gefecht setzen.

Der schlimmste Fall wäre ein Einschlag in einem bemannten Raumschiff oder gar der Internationalen Raumstation ISS. Selbst ein nur wenige Millimeter kleines Partikelchen könnte sich wie die Kugel eines Scharfschützen durch den Schutzanzug von Astronauten bei Außenarbeiten im All bohren.
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NASA-Experte: Ein "Vabanque-Spiel"
"Im Grunde ist es ein Vabanque-Spiel, der Müll ist ein Teil einer Weltraummission, auf den man keinen Einfluss hat", sagt NASA-Experte William Johnson. "Müll ist bei interplanetarischen Missionen kein Thema, dafür aber bei Einsätzen rund um die Erde." Besondere Sorgen sollten sich Raumfahrer um Farbsplitter machen. "Wenn Dich so etwas trifft, ist Dein Tag gelaufen."
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Russische Experten: Risiko noch annehmbar
Russische Raumfahrt-Experten vertreten die Ansicht, dass das Gesetz der Wahrscheinlichkeit im Moment noch für Sicherheit sorgt, auch wenn sich Zwischenfälle häufen.

"In den am dichtesten besiedelten Umlaufbahnen ist ein ernster Zwischenfall innerhalb der nächsten 15 bis 20 Jahre wahrscheinlich, sodass das Risiko vorerst noch annehmbar ist", sagt Sergej Kulik, Weltraummüll-Experte der russischen Raumfahrtagentur Rosawijakosmos.
Forscher befürchten Kessler-Effekt
Mit der gegenwärtigen Müll-Produktion im All dürfte die Raumfahrt allerdings bald die größten Probleme bekommen. Denn Experten fürchten den so genannten Kessler-Effekt. Wenn Müll auf Müll trifft, beginnt eine Kettenreaktion ohne Ende. Der Müll zerbricht, und es entstehen immer kleinere Stücke.

"Wenn dies geschieht, könnten Weltraumflüge unmöglich werden", sagt Kulik. Der US-Experte Donald Kessler schätzte, das dieser Prozess um das Jahr 2030 beginnen könnte. Andere Fachleute sind der Meinung, dass die Müll-Kettenreaktion schon heute begonnen hat.
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Erster Müll-Unfall 1996 beschädigte Satellit
1996 ereignete sich der erste Müll-Unfall, als der französische Cerise-Satellit von einem Fragment einer explodierten Ariane- Raketenstufe außer Gefecht gesetzt wurde. Später wurde beim Weltraumteleskop Hubble ein Loch in einem der Solarflügel entdeckt. Und die größten Sorgen machten sich Raumfahrer, als im Februar 2002 ein Fenster der ISS einen Treffer erhielt. Um Ähnliches zu verhindern, wird gegenwärtig an Schutzschilden für die ISS gearbeitet, um Einschläge von kleinen Partikeln abzuwenden. Bei größeren Objekten ist ohnehin eine Kurskorrektur fällig - wie schon bei bisher sechs Ausweichmanövern praktiziert.
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Was tun gegen den Müll?
Doch was tun gegen den Müll? In niedrigen Umlaufbahnen bis zu 600 Kilometern Höhe löst sich das Problem durch die Erdanziehungskraft von alleine.

Experten der Weltraumbehörden haben den Vereinten Nationen bereits Empfehlungen für die künftige "Verkehrsregelung im All" vorgelegt. Doch der bereits vorhandene Müll bleibt, wo er ist.

"Es gibt vorerst keine effektive Methode, den Müll zu entsorgen", sagt Kulik. "Der beste Schutz für den Weltraum wäre, einfach von vornherein keinen Müll zu produzieren."

Nick Allen, dpa
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at:
->   Richtlinien für "Kosmische Abfallwirtschaft"
 
 
 
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01.01.2010