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Frauen an der Uni: Männliche Fallstricke  
  Trotz Gleichbehandlungsgesetz gelingt es nach wie vor nur wenigen Frauen, in universitäre Spitzenjobs vorzudringen. Ein Lehrbeispiel wie Frauen von Berufungslisten für Professuren verdrängt werden, hat sich zuletzt in der Volkswirtschaftlichen Fakultät der Wirtschaftsuniversität Wien abgespielt.  
Auf keiner Universität in Wien gibt es derzeit im Fachbereich Volkswirtschaft eine einzige Ordentliche Professorin. Nur kurz hat die Chance bestanden, dass zumindest auf der Wirtschaftsuni eine Wissenschaftlerin die höheren universitären Weihen erhält.
Kandidatenliste gekippt
Wie das Ö1-Morgenjournal am Montag berichtete, wurde ein Berufungsvorschlag, der zwei Frauen als aussichtsreiche Bewerberinnen enthielt, vom Rektor der WU Wien Robert Hansen gekippt. Statt dessen wurde ein neuer Vorschlag erstellt, der die Chancen der männlichen Kandidaten erhöhte.
Vorschlag Eins: Zwei Frauen
Eine Berufungskommission hatte einen Vorschlag erstellt, in dem an erster Stelle ein Mann gereiht war, an zweiter Stelle eine Frau und auch an dritter Stelle eine Frau ex aequo mit einem Mann.

Da der erstgereihte Wunschkandidat allerdings einen sehr großen Fachbereich in Deutschland leitet, war die Wahrscheinlichkeit gering, diesen Mann nach Wien zu holen, was also erhöhte Chancen für die beiden Frauen auf der Liste ergab.
Neue Ansätze
Das veranlasste offenbar einige männliche Kollegiumsmitglieder zu einer Gegenoffensive. Über den Grund sagen Uni-Insider: Die beiden Bewerberinnen vertreten andere, neuere wissenschaftliche Denkansätze als die etablierten Herren.
''Verwunderliche Sexualproportion''
Rektor Hans-Robert Hansen holte vier Sondergutachten aus Deutschland zu den Bewerbern ein. Zwei davon sprachen sich dezidiert gegen die beiden Frauen aus und mokierten sich auch darüber, dass sechs Frauen eingeladen waren. Zitat: "Eine Sexualproportion, die angesichts der Marktlage sehr verwunderlich ist."
Neue Vorladungen
Daraufhin kippte Rektor Hansen die erste Kommission und setzte eine Sonderberufungskommission ein. Ein Vorgehen, das es bisher noch nie gegeben hatte. Unter der Leitung von Erich Streissler, Institutschef an der Volkswirtschaft der Uni Wien, wurden neue Vorladungen für Kandidaten verschickt.
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Sieben Prozent Professorinnen
Mehr als die Hälfte aller Studienanfänger und Uni-Absolventinnen sind Frauen. Doch je höher es die Leiter einer Universitätskarriere aufwärts geht, desto seltener trifft man auf Frauen. Nur 28 Prozent der Uni-Assistenten sind weiblich. Magere 7 Prozent der Professuren sind von Frauen besetzt. Eine Rektorin gibt es österreichweit überhaupt noch nicht.
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''Nur auf Grund der Gleichbehandlung''
Sechs Männer und eine Frau erhielten eine normale Einladung. Fünf weitere Frauen, darunter die beiden Top-Kandidatinnen der ersten Liste, bekamen ein Schreiben, in dem stand, dass sie nur auf Grund der Verordnung über Gleichbehandlung eingeladen sind.

Zitat: "Unbeschadet einer Überprüfung, ob sie den Anforderungen des Ausschreibetextes entsprechen". Vanessa Redak, Studentin und Kommissionsmitglied sieht darin "nicht unbedingt einen Akt der Gleichbehandlung."
''Keine Chance''
Als besonderen Wink mit dem Zaunpfahl verlieh Vorsitzender Streissler zusätzlich in Briefen, E-Mails und persönlichen Gespächen mit den ungewünschten Kandidatinnen seiner Ansicht Ausdruck, dass sie keine Chance haben. Was Streissler auch in einem Schreiben an die SOKO-Mitglieder festhielt: Er habe damit sowohl den Bewerberinnen als auch der Kommission Kosten erspart.
Gilt das Amtsgeheimnis?
Streissler selbst kann in seinem Vorgehen keine Ungleichbehandlung erkennen. Immerhin sei ja "eine" Frau dabei gewesen. Alle Vorgänge würden ausserdem unter das Amtgeheimnis fallen, sagt Streissler, darüber zu berichten sei rechtswidrig.
Neuer Vorschlag: Zwei Männer
Das Ende der Geschichte: Ein neuer Vorschlag wird erstellt. An erster Stelle stehen ex aequo zwei Männer, jene Namen, die auch beim ersten Vorschlag topgereiht waren. An dritter Stelle dann eine Frau, eine andere als im ersten Vorschlag. Ihre Chancen sind marginal.

Petra Pichler
->   Wirtschaftsuniversität Wien
 
 
 
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01.01.2010