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Superpille soll Herzinfarkt-Risiko verringern  
  In Zukunft soll die Einnahme einer "Polypille", die aus sechs verschiedenen Medikamenten besteht, das Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko um 80 Prozent senken. Die Kombination aus Aspirin, Cholesterin- und Blutdrucksenkern sowie Folsäure sei kostengünstig, die Nebenwirkungen äußerst gering, meinen ihre Erfinder.  
Die "Polypille" soll von Menschen ab dem 55. Lebensjahr prophylaktisch eingenommen werden. Aber auch jüngere Menschen, die an Herz-Kreislauferkrankungen oder Diabetes leiden, würden als Zielgruppe in Frage kommen.

Nach Angaben der Initiatoren der "Wunderpille", Nicholas Wald und Malcolm Law vom Wolfson Institute of Preventative Medicine, würde ein Drittel der Anwender davon profitieren und die Gefahr eines Herzinfarkts oder Schlaganfalls bis zu 20 Jahre ihres Lebens bannen.

Die genaue Funktionsweise der "Polypille" stellten die Wissenschaftler im British Medical Journal (BMJ) vor.
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Der Artikel ist im "BMJ" unter dem Titel "A strategy to reduce cardiovascular disease by more than 80 Percent" (Bd. 326, S. 1419, Ausgabe vom 28. Juni 2003) erschienen.
->   Der Artikel
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Reduktion von vier Hauptrisiken
Durch die Kombination eines Cholesterin-senkenden, dreier Blutdruck-senkender Mittel, Folsäure und Aspirin werden laut Wald und Law vier Hauptrisiken von Herz-Kreislauferkrankungen drastisch reduziert:

- Die LDL (Low Density Lipoprotein)-Werte, dabei handelt es sich um das so genannte "böse Cholesterin". Eine hohe LDL-Konzentration im Blut kann zu Ablagerungen von überschüssigem Cholesterin in den Zellen und Gefäßwänden führen.

- Blutdruckwerte

- Homocystein'(Hcy), dabei handelt es sich um ein hoch potentes Produkt des Protein-Stoffwechsels. Erhöhte Hcy-Spiegel steigern auch das Risiko für das Auftreten von koronaren Herzkrankheiten oder Schlaganfällen.

- Missfunktion der Blutplättchen; die Medikamente beeinflussen die Funktion der Blutgerinnung im positiven Sinn.
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Metaanalyse von 750 Studien
Die britischen Wissenschaftler analysierten die Wirksamkeit verschiedener Medikamente, die an 40.000 Menschen in 750 verschiedenen Studien getestet wurden. Auf Basis der Ergebnisse ihrer Studien stellten sie die Kombination der "Superpille" zusammen.
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Enorme Effekte für die Gesundheit der Bevölkerung
Natürlich wäre die "Polypille" nicht für Menschen geeignet, die aufgrund anderer Erkrankungen keine Beta-Blocker oder Aspirin nehmen dürfen oder an Asthma leiden. Von den restlichen in Frage kommenden Menschen würden wahrscheinlich noch zehn Prozent die "Polypille" nicht vertragen, aber dennoch wäre der Effekt dieser Pille für die Gesundheit der Bevölkerung enorm, meinen die Forscher.

Denn Herzinfarkt und Schlaganfall gehören zu den häufigsten Todesursachen in der westlichen Welt. Umso verlockender scheint diese "All in One-Pille", da es laut Angaben der Wissenschaftler auch nur zur wenigen bis keinen unerwünschten Nebenwirkungen kommen sollte.
Änderungen der Lebensweisen kaum möglich?
Derselbe Effekt wie derjenige der "Polypille" könne laut Wald auch auf natürlichem Wege erreicht werden. Etwa durch eine Gemüse- und Obstdiät in Verbindung mit regelmäßigen Sport und dem Verzicht auf Zigaretten.

"Aber die Lebens- und Ernährungsweise in unserer Gesellschaft zu ändern, ist einfach ein Ding der Unmöglichkeit", meint Wald.
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Vorbeuge-Pille gegen Prostatakrebs
Doch dies ist nicht die einzige aktuelle Idee einer Vorbeuge-Pille: US-Forscher schlagen Männern von 55 Jahren und älter vor, den Wirkstoff Finasterid zur Prävention von Prostatakrebs einzunehmen. Die Arznei könne das Risiko für Prostatakrebs um 25 Prozent senken. Die Studie des Forschernetzwerkes Southwest Oncology Group wurde vom nationalen Krebsforschungsinstitut (NCI) der USA gefördert.

"Finasterid ist die erste Arznei, die das Risiko für Prostatakrebs nachweislich reduziert", sagte Studienleiter Ian Thompson von der University of Texas. Allerdings bekamen eine geringe Anzahl der Männer, die Finasterid nahmen, einen relativ gefährlichen Prostatakrebs. Die auf ein Hormon wirkende Substanz wird bislang gegen Prostatavergrößerung eingesetzt und steckt in Propecia, der ersten Pille gegen die Glatze.
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Gefahren der Polypille
"Die Idee für eine Pille gegen alle Leiden ist verlockend, aber wir sollten das Ansteigen von Fettleibigkeit, Bewegungsarmut, Diabetes und die immer größer werdende Zahl von jugendlichen Rauchern nicht ignorieren", meint der Direktor der British Heart Foundation, Sir Charles George.

"Daher müsste man darauf achten, das die Polypille nicht als Lizenz für ungesunden Lebenswandel angenommen wird".
Weiter Untersuchungen und Patentanmeldung
Wie die Wissenschaftler im British Medical Journal schreiben, ist ein Patent für die "Polypille" beantragt. Jetzt müssten im nächsten Schritt Studien für die Umsetzung, nicht zuletzt auch zu den Nebeneffekten, in Angriff genommen werden.
->   Wolfson Institute of Preventative Medicine
->   Southwest Oncology Group
->   Mehr zum Thema Herzinfarkt in science.ORF.at
 
 
 
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01.01.2010