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Ausblick in die Zukunft der Reproduktion  
  Auf einem zur Zeit in Spanien stattfindenden Kongress kann man einen Blick in die Zukunft der Reproduktionsmedizin werfen: Hier werden Methoden am Tiermodell präsentiert, die man später auch auf den Menschen anwenden will. So transplantierten etwa schwedische Forscher Mäusen neue Gebärmütter, worauf diese gesunde Jungtiere zur Welt brachten.  
Ein internationales Forscherteam wähnt sich indes - ebenfalls am Mausmodell - kurz vor dem Erreichen eines anderen langersehnten medizinischen Zieles: der Herstellung künstlicher Eizellen. Die Ergebnisse wurden auf der jährlichen Tagung der "European Society for Human Reproduction and Embryology" (ESHRE) präsentiert.
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Die Resultate der schwedischen Studie mit dem Originaltitel "Transplantation of the uterus in the mouse; studies on rejection in an allogenic model" von C. Almen Wranning, R. Racho El-Akouri, J. Mölne, G. Kurlberg und M. Brännström wurden heute Nachmittag (1.7.03) auf der ESRHE-Tagung in Madrid präsentiert (Abstract Nr. O-159).
->   ESHRE-Meeting 2003
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Mäuse mit verpflanztem Uterus
Schwedische Wissenschaftler von der Salgrenska Universität in Göteborg berichten von einem Durchbruch auf dem Gebiet der Transplantationsmedizin. Das Team um Mats Brännström entnahm Mäusen ihre Gebärmutter (lat. Uterus) und transplantierte sie in andere, erbgleiche Mäuse.

Die Empfängertiere überstanden den Eingriff nicht nur ohne Probleme, sondern waren auch in der Lage, gesunde, fortpflanzungsfähige Junge zu gebären.
Weltneuheit: Geburt mit transplantiertem Organ
Brännström erklärt, warum dieses Ergebnis eine Weltneuheit darstellt: "Es gab bereits in den 1960er und 1970er-Jahren Berichte von Lebendgeburten aus transplantierten Gebärmüttern.

Aber diese wurden wieder in das Spendertier eingepflanzt - es handelte sich daher um keine echten Transplantate. Unsere Transplantate sind die weltweit ersten, die zur Geburt von lebenden Jungtieren geführt haben."
Hürde: Unterversorgung mit Blut
Eine besondere Schwierigkeit, welche die schwedischen Mediziner zu umgehen hatten, war die Ischämie, die Unterversorgung des Uterus mit Blut.

Gebärmütter, die 24 Stunden in speziellen Nährlösungen gelagert worden waren, zeigten zwei Wochen nach der Verpflanzung normale Blutkreislauf- und Gewebseigenschaften. Bei doppelt so langer Lagerung traten hingegen bereits ernste Schädigungen auf:
Zeitfenster der Verpflanzung: 48 Stunden
"Dies zeigt, dass - zumindest bei Mäusen - das Zeitfenster zwischen Entnahme und Transplantation von Gebärmüttern zwischen 24 und 48 Stunden liegt", so Brännström.

Neben der Ischämie untersuchten die Skandinavier das zweite große Problem der Transplantationstechnik: Abstoßungsreaktionen durch das Immunsystem.

Eine Analyse der Uterus-Verpflanzungen zwischen zwei verschiedenen Maus-Zuchtlinien zeigte, dass kein prinzipieller Unterschied zu anderen Organen besteht.
Langzeitziel: Von Mäusen zu Menschen
Langfristig will Brännström diese Methoden auch im humanmedizinischen Bereich angewandt wissen: Etwa drei bis vier Prozent aller unfruchtbaren Frauen könnten auf diese Weise behandelt werden, so die Einschätzung des schwedischen Mediziners.
Wunschtraum künstliche Eizelle
Der Realisierung eines anderen reproduktionsmedizinischen Wunschtraumes hat sich eine internationale Forschergruppe vom amerikanischen Kontinent verschrieben.

Peter Nagy von Reproductive Biology Associates, Atlanta, und seine Kollegen vom medizinischen Forschungszentrum Roger Abdelmassih in Sao Paulo erklärten in ihrem Vortrag, dass die Herstellung künstlicher Eizellen nur mehr eine Frage der Zeit sei.
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Die Resultate der US-amerikanisch-brasilianischen Studie mit dem Originaltitel " Spindle integrity and chromosomes alignment during haploidization of somatic cell " von C.C. Chang, Z.P. Nagy, X.C. Tian, R. Abdelmassih, X. Yang wurden Mittwoch Nachmittag (1.7.03) auf der ESRHE-Tagung in Madrid präsentiert (Abstract Nr. O-169).
->   ESHRE-Meeting 2003
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Idee: Kernlose Eizelle empfängt Zellkern
Die grundlegende Idee der amerikanischen Forscher: Man nehme eine Eizelle, entferne deren Zellkern und ersetze diesen durch jenen einer Körperzelle. So weit ist die Vorgehensweise nicht besonders Aufsehen erregend.

Das Problem dabei ist allerdings, dass Körperzellen einen doppelten Chromosomensatz aufweisen, während diese bei Keimzellen (Spermien, Eizellen) nur in einfacher Ausfertigung vorhanden sind.
Problem der Chromosomenzahl ...
Die Lösungsstrategie von Nagy und seinem Team: Zellen des Bindegewebes wurden zu einer Verdoppelung ihres genetischen Materials angeregt und mit einer entkernten Eizelle fusioniert. Dann wurden zwei Zellteilungen initiiert, worauf künstliche Einzellen mit der gewünschten Chromosomenzahl von 23 entstanden.
... mittels "Haploidisierung" gelöst
Dieser neuen Technik, im Fachjargon "Haploidisierung" genannt, stehen allerdings noch einige Hürden im Wege: Speziell die Spindelbildung und die Aufteilung der Chromosomen machen noch Schwierigkeiten.

Doch Nagy lässt keinen Zweifel daran, dass der Wunsch nach künstlichen Eizellen in naher Zukunft realisiert werden wird: "Ich bin wirklich überzeugt - nicht bloß optimistisch -, dass die Haploidisierung funktionieren wird. In ein oder zwei Jahren werden wir künstliche Keimzellen herstellen können."
Optimismus: Schöne neue Medizin
Die Haploidisierung hat im Übrigen nichts mit Klonen zu tun, auch wenn - oberflächlich betrachtet - gewisse Ähnlichkeiten zur berühmten "Dolly-Methode" bestehen:

Die künstlichen Eizellen nach Nagys Rezept sollen, so zumindest die Hoffnung, ganz "natürlich" mit Spermien verschmelzen können - und somit unfruchtbaren Paaren zum Elternglück verhelfen.

Robert Czepel, science.ORF.at
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01.01.2010