News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Umwelt und Klima 
 
Hormone im Wasser: Keine Gefahr für Menschen erwiesen  
  Durch Abwässer aus der Industrie, aber auch über die Klospülung in jedem Haushalt gelangen Stoffe ins Wasser, die wie Hormone wirken können. Bei Fischen kann man daraufhin mitunter Veränderungen feststellen: sie "verweiblichen". Wie sich hormonwirksame Stoffe im Wasser auf den Menschen auswirken, ist allerdings noch unklar. In einem dreijährigen Forschungsprojekt wurden die heimischen Gewässer analysiert. Jetzt liegen die Ergebnisse vor.  
Zusammenhang mit Spermien-Reduktion unklar
Die gute Nachricht: Für den Menschen besteht nach derzeitigem Wissensstand kein Risiko, wenn er Fisch isst oder Wasser trinkt. Sein Hormonhaushalt wird durch die geringen Spuren von hormonwirksamen Stoffen anscheinend nicht beeinflusst.

Allerdings, so weisen Experten daraufhin, sei heute noch unklar, ob die sinkende Spermienanzahl bei Männern damit in Zusammenhang stehen könnte.
Drei Jahre auf der Suche nach Östrogenen und Nonylphenol
Drei Jahre lang wurden Grund- und Bodenwasser, Quellen und Gewässer bei Mülldeponien untersucht. Dabei ging es um zwei Stoffgruppen: zum einen um das weibliche Geschlechtshormon Östrogen, das z.B. in der Antibabypille verwendet wird oder in Arzneimitteln zur Hormonersatztherapie bei Wechselbeschwerden.

Zum anderen interessierten sich die Wissenschaftler für Chemikalien aus der Industrie, nämlich für Nonylphenol, das in Pflanzenschutzmitteln, Klebstoffen oder Kunststoffen vorkommt. Durch Abwässer oder über die Klospülung gelangen diese Stoffe, die wie Hormone wirken können, in die Umwelt.
...
Das Projekt ARCEM
ARCEM steht für "Austrian Research Cooperation on Endocrine Modulators". An dem Projekt waren die Universität Wien, die Veterinärmedizinische Universität Wien, die Technische Universität Wien, die Universität für Bodenkultur in Wien, das Umweltbundesamt sowie das Umweltministerium beteiligt.
Am Donnerstag werden bei einem Symposium in Wien die Ergebnisse präsentiert und mit Experten aus der Schweiz und Deutschland besprochen.
->   ARCEM
...
"Verweiblichte" Fische in der Schwechat
Im Fluss Schwechat haben die Wissenschaftler die Auswirkungen hormonwirksamer Stoffe auf Fische untersucht. Das Ergebnis: die Zahl der Weibchen und Männchen blieb zwar unverändert, doch "verweiblichten" die jungen Fische: ihre Geschlechtsorgane waren kleiner und ihre Spermien weniger reif, erklärte Britta Grillitsch von der Wiener Veterinärmedizinischen Universität im Ö1-Mittagsjournal. Doch daraus könne man nicht schließen, dass diese Fische weniger Nachkommen haben.
Mögliches Risiko auch für andere Flüsse
Für Gewässer, die ähnlich wie die Schwechat mit hormonwirksamen Stoffen belastet sind, müsse man ebenfalls mit einer Verweiblichung der Fische rechnen, so Britta Grillitsch: "Ein entsprechendes Risiko für die aquatische Umwelt ist nicht auszuschließen und zwar - nach unseren Untersuchungen - in den Flüssen Wulka, Leitha, Dornbirnbach, Alter Rhein, Wienfluss, Glan, Piesting, Donau, Traum, Ager und Neuer Rhein."
...
Der Kreislauf der Medikamente
Ein guter Teil der hormonwirksamen Stoffe gelangt durch menschliche Ausscheidungen von Medikamenten ins Wasser. So gelangen jährlich österreichweit 16 Kilogramm 17beta-Östradiol (Hormonersatztherapie), 32 Kilogramm Östron und 300 Kilogramm Östriol in die Gewässer.
->   Internationales Jahr des Süßwassers 2003
...
Pröll: Kläranlagen ausbauen
Nach drei Jahren Forschung empfehlen die Autoren der Studie, die hormonwirksamen Stoffe im Wasser zu vermindern. Östrogene z.B. könnten gut durch einen Ausbau der Kläranlagen herausgefiltert werden, meinte Umweltminister Josef Pröll im ORF-Radio: "Wir können damit in Zukunft bis zu 90 Prozent Klärung erreichen. Wien wird dazu - mit der Hauptkläranlage und den Ausbaustufen - mehr als die Hälfte beitragen können. Das wird die Gewässerqualität in Österreich sicher richtungsweisend verbessern können."

Die Haupt-Kläranlage in Wien soll bis 2005 für hormonell wirksame Stoffe aufgerüstet sein. Eine Möglichkeit ist, den Klärschlamm länger in der Anlage zu belassen, damit die Bakterien mit den hormonwirksamen Stoffen fertig werden können.
Nonylphenole bald nicht mehr am Markt?
Für die zweite Problemstoff-Gruppe, die Nonylphenole aus z.B. Kosmetikprodukten oder Pflanzenschutzmitteln, gilt: Auf diese Stoffe werde die Industrie in Zukunft verzichten müssen, so Umweltminister Josef Pröll gegenüber Ö1.

"Es hat in Europa eine Selbstverpflichtung der Industrie gegeben, die aber nicht ausreichend war. Deswegen haben wir - nicht zuletzt auf das Betreiben Österreichs - im Mai beschlossen, rigoros vorzugehen und diese hormonell wirksamen Chemikalien zu verbieten. Der Ausstieg passiert jetzt und überall werden diese Chemikalien aus der Produktion genommen. Die Einigung ist im Wettbewerbsrat beschlossen worden," meinte Pröll.

Innerhalb der kommenden 18 Monate müssen diese europäischen Vorgaben in nationales Recht umgewandelt werden.
Positives Resümee
Insgesamt lautet das Resümee der Studie und des Umweltministers: Im Vergleich zu anderen Staaten sei das Problem von hormonwirksamen Stoffen im Wasser in Österreich gering.

Barbara Daser, Ö1-Wissenschaft
Mehr zum Thema in science.ORF.at:
->   Neue Sensoren für Schadstoffe in Wasser (7.3.03)
->   Hormonell wirksame Stoffe im heimischen Wasser? (14.6.02)
->   Herbizid lässt Froschmännchen "verweiblichen" (16.4.02)
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Umwelt und Klima 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010