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Mit kalten Gasen zum Quantencomputer  
  Der österreichische Physiker Peter Zoller zeichnet - gemeinsam mit weiteren Fachkollegen - für eine richtungsweisende Idee verantwortlich, welche das Forschungsgebiet der Quanteninformation revolutionierte: Durch die Manipulation von ultrakalten Gasen lassen sich Zustände erzeugen, die letztlich zum Aufbau von Quantencomputern dienen können. Das Faszinierende daran: Das Ganze ist nicht nur graue Theorie, sondern wurde zum Teil auch schon erfolgreich im Experiment umgesetzt.  
Dies berichtet Peter Zoller von der Universität Innsbruck gemeinsam mit seinem Fachkollegen Juan Ignacio Cirac vom Max-Planck-Institut für Quantenoptik in München in einem Übersichtsartikel im amerikanischen Fachmagazin "Science".
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Der Artikel "How to Manipulate Cold Atoms" von P. Zoller und J.I. Cirac ist in "Science" (Bd. 301, S. 176-177, Ausgabe vom 11.7.03) erschienen.
->   Science
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Prognose und Nachweis - Triumph der Physik
Wenn theoretische Physiker eine Vorhersage treffen, die zunächst als Phantasterei angesehen, später jedoch im Experiment bestätigt wird, wertet man das gemeinhin als Triumph des physikalischen Lehrgebäudes.

Besonders aufregend ist die Sache, wenn sich die Prognosen nur auf Gedankenexperimente stützen, die dann erst mehrere Forschergenerationen später durch neue Technologien umgesetzt werden können.
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Einstein und Bose: Vorhersage 1924
So geschehen etwa bei einer Vorhersage, die Albert Einstein und der indische Physiker Satyendra Bose im Jahr 1924 tätigten: Damals sagten sie voraus, dass gewisse Teilchentypen - so genannte Bosonen - einen Zustand einnehmen könnten, in dem alle die selbe (niedrigst mögliche) Energie aufweisen.

Das klingt zunächst wenig aufregend, ist aber nicht so. Denn dieser heute als Bose-Einstein-Kondensat (BEC) bezeichnete Zustand hat einige äußerst bizarre Eigenschaften: Die Wellenfunktionen von Bosonen können bei extrem niedrigen Temperaturen (nahe dem Nullpunkt) "verschmelzen", sodass ihre physikalischen Eigenschaften nicht mehr unterscheidbar sind. Das heißt, die einzelnen Atome verhalten sich dann so, als ob sie zu einem großen "Superatom" gehörten.
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Realisierung erst 1995
Die experimentelle Realisierung der Idee ließ dann - zumindest bei schweren Teilchen - einige Zeit auf sich warten. Erst im Jahr 1995 gelang C. E. Wieman and E. A. Cornell vom Joint Institute of Laboratory Astrophysics in Colorado die Herstellung eines Bose-Einstein-Kondensats mit Rubidium-Atomen. Die beiden erhielten für ihre Pioniertat im Jahr 2001 den Nobelpreis für Physik.
->   Mehr über den Physik-Nobelpreis 2001
Neue Herausforderung: Kalte atomare Gase
Mittlerweile gehört die Herstellung von BEC-Zuständen fast schon zum Standardrepertoire in experimentalphysikalischen Labors. Wie Zoller und Cirac in ihrem "Science"-Artikel ausführen, liegt die große Herausforderung der Zukunft nun in der Herstellung ähnlicher Zustände bei kalten, gasförmigen Atomen.

Das Neue an diesem Ansatz: In solchen Systemen wird die Wechselwirkung zwischen den einzelnen Teichen durch die so genannte starke Kernkraft bestimmt. Ein Umstand, der weitreichende Anwendungen ermöglicht.
Revolutionäre Idee von Zoller und Cirac
Das Herstellungsprinzip solcher Gase wurde von Zoller, Cirac und Mitarbeitern bereits in den 1990er Jahren formuliert: "Die Idee dabei ist, die Bewegungsenergie der Teilchen so stark zu erniedrigen, sodass die Wechselwirkungen zwischen den Atomen die Dynamik beherrschen", so Zoller im Gespräch mit science.ORF.at.

Das heißt: Auch hier muss das System extrem abgekühlt werden. Um die Atome in den gewünschten Zustand zu befördern, bedienen sich die Forschergruppen um Zoller und Cirac eines so genannten optischen Gitters: Dabei werden die Atome Laserfeldern ausgesetzt, durch stehende Wellen gleichsam gefangen und dergestalt manipuliert, dass sie in Wellentälern zu liegen kommen.
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Zu dieser grundsätzlichen Idee siehe die Arbeit "Cold Bosonic Atoms in Optical Lattices" von D. Jaksch et al. aus dem Jahr 1998, die in den Physical Review Letters (Band 81, Nr. 15, S. 3108-11) erschienen ist.
->   Zum Originalartikel (pdf-File)
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Eine Anwendung: Quantenrechner
Das ermöglicht - neben vielen anderen Anwendungen - die Erzeugung verschränkter Zustände, was wiederum den experimentellen Pfad zum Computer der Zukunft, den Quantenrechner, eröffnet. Wie science.ORF.at berichtete, konnten am Innsbrucker Institut für Quantenoptik bereits einfache (quanten-)logische Schaltelemente mit einer ähnlichen Vorgehensweise hergestellt werden.
->   Innsbrucker Forscher: Quantencomputer rückt näher
Nächster Meilenstein: Rechnen mit 40 Atomen

Zoller und Cirac sehen in ihrem Artikel nun den nächsten Meilenstein in greifbare Nähe gerückt: Mit nur 40 Atomen in einem optischen Gitter könnten bereits Operationen (so genannte "Quantensimulatoren") durchgeführt werden, die auf einem klassischen Computer unmöglich sind.

Komplexere Anwendungen (z.B. Faktorisierungsprobleme) benötigen dann allerdings bereits Teilchenzahlen von 10.000 und mehr.

Robert Czepel, science.ORF.at
->   Peter Zoller Homepage (Uni Innsbruck)
->   Max-Planck-Institut für Quantenoptik
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at:
->   Meilenstein auf dem Weg zum Quantencomputer
->   Neues Prinzip der magnetischen Kühlung
->   Quantencomputer - der richtige Zeitpunkt macht's aus
->   www.innovatives-oesterreich.at
 
 
 
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01.01.2010