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Die kriegerischen Wurzeln der deutschen Sprache  
  Ein Sammelwerk kriegerischer Ausdrücke der deutschen Alltagssprache - vom Spießrutenlauf über den Vorreiter bis hin zum Fadenkreuz - ist an der Universität Graz entstanden: Rund 400 Wörter und Phrasen mit martialischem Ursprung wurden bisher am Institut für Germanistik gesammelt, analysiert und in eine komplexe Datenbank übertragen, die nun auch im Internet abrufbar ist.  
Sensibilisierung für deutsche Sprache
"Es geht darum, die Sensibilität für die deutsche Sprache zu schärfen und Alternativen für die oft unbewusst kampfbetonte Verwendung anzubieten", erklärt der Grazer Dozent für Ältere Deutsche Literatur, Wernfried Hofmeister, im Gespräch mit der APA.
Martialische Redewendungen schaffen Stimmung
Zahlreiche Redewendungen würden die "kriegerischen Wurzeln" oft nicht mehr eindeutig zu erkennen geben. Dennoch wohne gerade diesem Sprachgut eine Kraft inne. "Auch der gedankenlose Gebrauch von martialischen Redewendungen schafft letztlich eine gewisse Stimmung", so der Germanist, der die Datenbank nun auch für den Einsatz in Schulen zur Verfügung stellen will.

"Unser Team kommt an die Schulen. Wir denken vor allem an AHS-Oberstufenschüler, die in ihrer Wortwahl sensibilisiert werden könnten", so Hofmeister.
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Zwei Beispiele: Anbandeln und Werbetrommel
Dass Worte wie "Zielscheibe", "Dolchstoß" oder "Kanonenfutter" martialische Wurzeln haben, ist nicht besonders verwunderlich. Dass aber selbst das vermeintlich amouröse "Anbandeln" oder die "Werbetrommel" eine Herkunft in der Sprache des Krieges hat (ersteres aus der Fechtkunst, zweiteres aus der Rekrutierungspraxis von Soldaten), erfährt man erst aus der historischen Analyse des "Wehrhaften Wortschatzes".
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Verwurzelung in Wehrkultur
Die hohe Zahl an aus dem Kriegsbereich herleitbaren "Wortfunden" zeige die starke Verwurzelung unserer Sprache in der historischen, aber auch in der modernen Wehrkultur, so Hofmeister.

"Beispielsweise sind 'etwas im Schilde führen', 'Lunte riechen' oder 'für jemandem eine Lanze brechen' Zeugen solcher bis ins Mittelalter zurückreichenden Ausdrücke, die ihren ursprünglichen Fachbereich verlassen und sich mit neuer, übertragener Bedeutung in der Alltagssprache eingenistet haben", analysiert Hofmeister.
Auswertung von Lexika - und vom Parlament
Für die Erhebung wurden deutschsprachige Wörterbücher und Lexika ausgewertet. Die Grazer Germanisten haben auch genau auf die Alltagssprache gehört. "In den Sitzungsprotokollen des Parlamentsservers sind wir besonders oft fündig geworden", so Hofmeister.
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Zwei Datenbanken: Wort und Bild
Entstanden sind im Rahmen des vom Land Steiermark geförderten Projektes zwei elektronische Datenbanken: Eine, die sich aufs Wort konzentriert, und eine, die entsprechendes Bildmaterial enthält. So werden wehrtechnische Details, die sich hinter einzelnen Wortprägungen verbergen, erklärt, Angaben über das erste Auftreten bestimmter Wendungen gemacht, und Erläuterungen über den historischen Wandel der Begriffe gegeben.
->   Datenbank "Wehrhafte Wortschätze"
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Nächster Arbeitsbereich: Sport-Ausdrücke
Mittlerweile schmiedet man am Germanistikinstitut schon weitere Pläne: "Als nächstes wollen wir den 'Bildspenden' aus dem Sportbereich - man denke nur an 'Latte hoch legen' oder den berühmten 'Sitzungsmarathon' - nachgehen", kündigt Hofmeister an.
->   Institut für Germanistik, Uni Graz
Mehr zu dem Thema in science.ORF.at:
->   Seriously Deutsch: Die Anglifizierung der Wissenschaft (11.6.02)
->   Spurensuche nach slawischen Wurzeln (14.3.02)
->   Deutsch als Wissenschaftssprache (7.8.01)
->   Brathendl ist nicht gleich Brathendl (15.5.01)
 
 
 
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01.01.2010