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Südpol-Teleskop liefert ersten Neutrino-Sternen-Atlas  
  Schwarze Löcher, die miteinander kollidieren, mysteriöse Gammastrahlen-Ausbrüche oder andere hochenergetische Phänomene im Universum: das sind die Quellen der kosmischen Neutrinos, die in der Teilchenphysik ebenso prominent wie rätselhaft sind. Auf der Erde angekommen sind sie äußerst schwierig nachzuweisen - mit Hilfe eines Teleskops im tiefen Eis der Antarktis ist es nun umfassend gelungen. Herausgekommen ist die erste "Sternenkarte der Neutrino-Quellen".  
Vorgestellt wurde die Neutrino-Karte bei der 25. Generalversammlung der "International Astronomical Union" (IAU) in Sydney vom Physiker Francis Halzen von der Universität Wisconsin-Madison.

Die Visualisierung basiert auf Daten des Teleskops AMANDA, das knapp zwei Kilometer tief in der Antarktis nach den "Geisterteilchen der Physik" fahndet.
->   Die IAU in Sydney
Neutrinos: VIPs in der wunderbaren Welt der Teilchen
 
Bild: AMANDA Project

Bild: Die "Neutrino-Sternenkarte" basiert auf Daten des AMANDA-Teleskops am Südpol. Sie zeigt hunderte potenzielle Quellen dieser Geisterteilchen im Universum.

In der wunderbaren Welt der subatomaren Teilchen gehören Neutrinos zu den geheimnisvollsten. Bereits im Jahr 1930 postulierte der österreichische Physiker Wolfgang Pauli die Existenz von leichten, neutralen Teilchen, um die scheinbare Verletzung der Energieerhaltung im so genannten Betazerfall erklären zu können.

Erst 1956 konnten sie nachgewiesen werden - allerdings in viel geringeren Mengen, als es vom Standard-Erklärungsmodell der Physik vorhergesagt wurde. Der theoretische Schluss daraus: Die Neutrinos müssen sich auf ihrer langen Reise zur Erde derart verändert haben, dass sie von den Detektoren nur noch schwer registriert werden können.
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2002 bewiesen: Wandelbarkeit der Neutrinos
Neutrinos treten in drei Klassen auf: Myon-, Tau- und Elektron-Neutrinos. Im Jahr 2002 gelang der Beweis, dass die Teilchen ihre Klassenzugehörigkeit offensichtlich verändern können. Dies erklärt auch die zu niedrige Nachweisrate, da man mit den irdischen Detektoren nur Elektron-Neutrinos erfassen kann.
->   Mehr darüber in: Physikalische Sensationen 2002
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Besonders flüchtig und schwierig zu messen
Laut Schätzungen von Experten wird auf der Erde eine Fläche von der Größe einer Fingerkuppe in jeder Sekunde von etwa 65 Milliarden von der Sonne stammenden Neutrinos durchdrungen, nur ein winziger Bruchteil kollidiert dabei mit anderen Teilchen - etwa Protonen.

Dementsprechend schwierig ist ihre Untersuchung, denn sie passieren herkömmliche Detektoren, ohne eine Spur zu hinterlassen. Die Wissenschaft hat dennoch Möglichkeiten ersonnen, wie sie den flüchtigen Teilchen auf die Schliche kommt: Etwa mit Hilfe des Teleskops AMANDA, das die gesamte Erde als "Filter" verwindet.
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Neutrinos
Neutrinos sind elektrisch neutrale Elementarteilchen mit einer vermutlich sehr geringen Masse. Sie bewegen sich mit Lichtgeschwindigkeit und haben nur sehr schwache Wechselwirkungen mit den anderen Elementarteilchen. Neutrinos unterliegen nur einer der vier fundamentalen Wechselwirkungen, die heute der Physik bekannt sind. Die für die Neutrinos relevante schwache Wechselwirkung ist für den radioaktiven Beta-Zerfall und ähnliche Prozesse verantwortlich. Da Neutrinos zudem sehr kleine Reaktions-Wirkungsquerschnitte besitzen, können sie nahezu ungehindert Materie durchdringen.

Im Standardmodell der Elementarteilchenphysik bilden Neutrinos zusammen mit den drei geladenen Fermionen Elektron, Myon sowie Tau die Gruppe der so genannten Leptonen.
->   Mehr dazu in www.teilchen.at
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AMANDA: Erde filtert massereiche Teilchen heraus
AMANDA (Antarctic Muon and Neutrino Detector Array) ist ein einzigartiges Teleskop, dessen lichtbündelnde Detektoren sich mehr als eineinhalb Kilometer tief unter der Oberfläche im Eis des Südpols befinden.

Auf den ersten Blick verblüffend ist die Ausrichtung der AMANDA-Detektoren. Sie sind nicht gegen den nahen Südpol gerichtet, sondern "blicken" durch die Erde in Richtung Nordpol. Der Planet dient als "Filter" für die nachzuweisenden Neutrinos - die im Gegensatz zu massereicheren Teilchen die Erde mühelos durchdringen.

Aus diesen Daten entwickelten die Forscher nun die Himmelskarte der Ursprungsregionen der kosmischen Neutrinos.
->   AMANDA (Universität Wisconsin)
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Nachfolger von AMANDA soll in Zukunft IceCube sein, ein noch leistungsstärkeres Teleskop, das auf den selben Prinzipien beruht und sich ebenfalls in der Antarktis befindet.
->   IceCube
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Messung der Cerenkov-Strahlung
Die AMANDA-Detektoren messen die so genannte Cerenkov-Strahlung, die es den Physikern ermöglicht, auf die Anwesenheit von Neutrinos zu schließen. Diese Cerenkov-Strahlung ist ein fließendes, bläuliches Glühen, das dann entsteht, wenn Neutrinos mit irdischen Partikeln - etwa Eis aus der Antarktis - kollidieren.

Dabei setzten sie Myonen und Energie in Lichtform frei. Ein Cerenkov-Lichtkegel gibt zudem Aufschluss über die Ursprungsregion der jeweiligen Neutrinos.
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Erstmals berichteten Francis Halzen und sein Team von ihren erfolgreichen Versuchen mit AMANDA in der Antarktis im Jahr 2001 unter dem Titel "Observation of high energy neutrinos with Cerenkov detectors embedded in deep Antarctic ice" in "Nature" (Bd. 410, Seiten 441- 443, 2001).
->   Nature
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"Kosmische Teilchenbeschleuniger"
AMANDA, so die Forscher, habe mittlerweile Neutrinos identifizieren können, die über ein hundertfach höheres Energieniveau verfügen als alle Partikel, die bisher auf der Erde mit den leistungsstärksten Teilchenbeschleunigern hergestellt werden konnten.

Mit hoher Wahrscheinlichkeit stammen sie aus den beschriebenen hochenergetischen Regionen des Universums. Die nun vorgestellte Neutrino-Karte könnte somit auch ein Nachweis für einen derartigen "kosmischen Teilchenbeschleuniger" sein.

Noch sei die Neutrino-Karte aber nur vorläufig, betont Halzen - sie bestehe aus Daten, die im Lauf eines Jahres gesammelt worden sind, die Auswertung der Daten weiterer Jahre sei nötig, um den Inhalt der Karte zu verifizieren.
->   Mehr über Neutrinos in science.ORF.at
 
 
 
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01.01.2010