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Die Gedächtnispille  
  Eine Pille für das Gedächtnis? Der Wunschtraum vieler! Wissenschaftler haben nun Mäusen ein Antibiotikum verabreicht, wodurch deren Gedächtnisleistung erheblich gesteigert wurde. Wird das Mittel wieder abgesetzt, sinkt auch das Erinnerungsvermögen wieder. Ein erster Schritt zu Behandlung von altersbedingten Gedächtnisstörungen?  
Bis dorthin sei es noch ein weiter Schritt, meinen die Forscher am "Howard Hughes Medical Institute" in Chevy Chase, USA. Doch könnten die gewonnenen Erkenntnisse uns auf der Suche nach Arzneimitteln für Menschen mit altersbedingtem Gedächtnisverlust weiterbringen, wenn auch nicht bei schweren Erkrankungen wie Alzheimer.

"Medikamente dieser Art könnten das 'Aspirin' für das Gedächtnis sein, in dem Sinn, dass sie die Gedächtnisleistung etwas verbessern", meint der Nobelpreisträger und Leiter der Studie, Eric R. Kandel. Die Forschungsergebnisse publizierten sie in der jüngsten Ausgabe der Fachzeitschrift "Cell".

Die wissenschaftlichen Erkenntnisse erlauben allerdings neue Einsichten in das differenzierte molekulare Gleichgewicht, mit dem Erinnerungen gespeichert werden.
Bessere Gedächtnisleistung reversibel
Den Mäusen wurde ein zusätzliches Gen eingepflanzt. Wurde dieses durch das Antibiotikum Doxycyclin aktiviert, produzierten die Nager einen Hemmstoff des Enzyms Calcineurin.
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Calcineurin, das in allen Zellen vorhanden ist, spielt eine Reihe von wichtigen Rollen im Körper, insbesondere für das Immunsystem. Es reguliert wichtige neuronale Zellfunktionen, unter anderem die so genannte Langzeitpotenzierung (LTP). LTP erhöht die Verbindungen zwischen den Nervenzellen und ist einer der wichtigen neuronalen Wege, über die Erinnerungen im Gehirn gespeichert werden. Im Hauptgedächtnisort des Gehirns, dem Hippocampus, wirkt Calcineurin einem anderen Enzym entgegen: der PKA. (PKA ist eine Kinase, die an ein Enzym Phosphate hängt. Calcineurin als Phosphatase, entfernt diese Phosphate wieder.)
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Wurde bei den gentechnisch modifizierten Mäusen das Calcineurin gehemmt, stieg ihre Gedächtnisleistung an. Im Vergleich mit ihren normalen Artgenossen schnitten die Calcineruin-inhibierten Tiere besser bei Verhaltenstests ab. Sie erinnerten sich besser an bekannte Gegenstände, die an einen anderen Ort verschoben wurden. Und es fiel ihnen auf, wenn ein Gegenstand durch einen anderen ausgetauscht wurde.

Allerdings war die Gedächtnisleistung reversibel: Bekamen die Mäuse kein Antibiotikum mehr, verhielten sie sich ganz wie vorher. "Bei solchen Experimenten sorgt man sich darüber, ob das Gedächtnis der Tiere sich deshalb verändert, weil man während ihrer Entwicklung irgendwie in deren normale Funktion eingegriffen hat. Wir konnten mit unseren Versuchen jedoch feststellen, dass das nicht der Fall war", meinte Kandel.

Darüber hinaus stellten sie fest, dass die Mäuse genauso sehen und riechen konnten und sich genauso bewegten wie immer. "Das heißt, dass es tatsächlich Auswirkungen auf das Lernen im Hippocampus gibt", fügt er hinzu.
Man merkt sich nur das Wichtige
Wichtige Erkenntnis aus den Untersuchungen ist laut Kandel die Einsicht, dass es bei der Merkfähigkeit auf ein sensibles Gleichgewicht zwischen Hemmung und Aktivierung ankommt. "Man stellt sich die Gedächtnisspeicherung immer als einen Vorgang vor, der nur eine positive Richtung hat: d.h. dass das Merken nur auf einem einzigen Mechanismus beruht", sagt Kandel. "Doch konnten wir die Beschränkung der Gedächtnisspeicherung schon in früheren Arbeiten an niederen Organismen nachweisen. In dieser Arbeit nun belegen wir erstmals eine Hemmschwelle im Gehirn eines Säugetiers."

Das bestätige, was jeder wisse: dass man sich nur die wirklich wichtigen Dinge merkt. Um die anderen zu vergessen, ist die hemmende Seite unverzichtbar.
->   Howard Hughes Medical Institute
->   Cell
 
 
 
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01.01.2010