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"Cat Walk" und Westernheld: Was Bewegungsmuster verraten  
  Gehen dient nicht allein der Fortbewegung: Die Bewegungsmuster vermitteln auch Emotionen, verraten Persönlichkeitsmerkmale und lassen Menschen sympathisch oder gar sexuell anziehend erscheinen. Forscher haben nun unter anderem herausgefunden, dass Frauen nicht wissen, was Männern gefällt - zumindest, was die Gangart betrifft. Denn während Frauen glauben, dass Männer beim weiblichen Geschlecht einen schwungvollen und vitalen Gang als attraktiv empfinden, bevorzugen diese eine andere Variante: den "Cat Walk", mit dem Models über den Laufsteg schreiten.  
In psychologischen Experimenten haben Forscher um Nikolaus F. Troje von der deutschen Ruhr-Universität Bochum (RUB) untersucht, wie das menschliche Gehirn funktioniert, wenn es komplexe Bewegungsmuster verarbeitet.

Bei ihren Forschungen trennen die Wissenschaftler auch die unterschiedlichen Informationen, die in der Bewegung stecken, und erforschen diese separat.
Psychologen lassen "Strichmännchen" laufen
 
Bild: Ruhr-Universit¿t Bochum

Im BioMotionLab, einem verdunkelten Raum, bewegen sich dazu dunkel gekleidete Testpersonen, mit reflektierenden Markierungen (Marker) an ihren Trikots: sie gehen, rennen, werfen, setzen sich hin oder heben etwas auf.

Neun Kameras zeichnen dabei die Positionen der Marker mit hoher zeitlicher und räumlicher Auflösung dreidimensional auf.

Die so entstehenden so genannten Punktlicht-Displays sehen sich andere Testpersonen auf einem Monitor an - und müssen dann etwa entscheiden, ob es sich um männliche oder weibliche Bewegungen handelt.
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Unterscheidung männlicher und weiblicher "Strichmännchen"
Innerhalb von Sekunden unterscheiden die Testpersonen bei drei Viertel der "laufenden Strichmännchen" Männer von Frauen. Die beste Erkennungsleistung zeigt sich nach Angaben von Nikolaus Troje bei Frontalansichten. Während die Testperson eine Serie von Punktlicht-Displays betrachtet, messen Elektroden die Hirnströme und liefern damit Informationen, wie das Gehirn funktioniert, wenn es komplexe Bewegungsmuster verarbeitet.
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Bewegung sagt mehr als die bloße Figur
Im nächsten Schritt zerlegen die Forscher die Bewegungen in ihre Bestandteile und setzen sie dann künstlich wieder so zusammen, dass nur noch bestimmte Teile der Gesamtinformation ihre Geschlechtsspezifität behalten, andere aber neutral werden.

Auf diese Weise lassen sich Merkmale, die für das eine oder andere Geschlecht typisch sind, herausfinden.
Figur weit weniger entscheidend als Dynamik
In den bisherigen Untersuchungen zeigte sich, dass die dynamischen Anteile der Gesamtinformation bei weitem mehr zur Geschlechtserkennung beitragen, als die strukturellen - d.h. die Figur des Strichmännchens allein sagt viel weniger aus, als wenn sie sich bewegt.
Alte Klischees bestätigen sich
Bild: Ruhr-Universit¿t Bochum
Indem die Forscher die Bewegungsmuster in einen mathematischen Raum projizierten, konnten sie mithilfe von Methoden der Mustererkennung und linearer Statistik die Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Laufmustern deutlicher machen, sie übertreiben und damit karikieren.

Die entstandenen weiblichen und männlichen Karikaturen bestätigen alte Prototypen: Der Supermann zeigt den Gang des Helden im Westernklassiker (Bild unten), die Ellenbogen werden herausgestellt, der Gang ist breitbeinig und die im Gegensatz zu den Hüften sehr breiten Schultern zeigen eine starke seitliche Bewegung.

Die Superfrau (Bild oben) hingegen zeigt sich schmal, trägt die Ellenbogen nah am Körper, führt kaum seitliche Bewegungen aus, dafür eine starke Drehbewegung der Hüfte.
->   Die laufenden Strichmännchen zum "ausprobieren" in www.biomotionlab.de
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Bewegung als Informationsquelle
Der Informationskanal Bewegung ist evolutionär betrachtet relativ alt. Sehr wahrscheinlich empfangen viele Tiere visuelle Reize nur in Form von Bewegung und sind gegenüber statischen Objekten mehr oder weniger blind. Vorwiegend Wirbeltiere können auch still stehende Bilder sehen.

Dies gelingt etwa dem Menschen unter Anwendung eines Tricks: Denn die Photorezeptoren reagieren nur auf Veränderungen im Lichtfluss und nicht auf dessen absoluten Betrag. Daher zittern unsere Augen auch dann ständig mit sehr kleinen Amplituden, wenn wir einen Punkt fixieren. Auf diese Weise ändern die Abbilder der Helligkeitskanten im Gesichtsfeld beständig ihren Ort auf der Netzhaut - und sorgen so für visuelle Bewegung.
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Welcher Gang ist attraktiv? Hier irrt sich Frau
In einem Experiment sollten die Testpersonen die sexuelle Attraktivität der Punklicht-Displays auf dem Monitor bewerten. Mit anderen Worten: Frauen beispielsweise werteten weibliche Bewegungen nach dem Grad der Attraktivität für Männer - ein offenbar recht subjektiver Vorgang.

Denn Männer und Frauen bestätigten zwar die beschriebenen Klischees, wenn es um das andere Geschlecht geht. Doch während Frauen glaubten, dass Männer bei ihren Geschlechtsgenossinnen ein besonders schwungvolles, aufrechtes und entspanntes Gehverhalten als attraktiv empfinden, bevorzugten diese das "typisch weibliche Bild":

Vor allem der so genannte "cat walk", mit dem Models über den Laufsteg schreiten, scheint es den Männern dabei angetan zu haben. Dabei machen Frauen Schritte, bei denen ihre Füße auf einer geraden Linie aufgesetzt werden.
Neue Studien: Wie drücken sich Gefühle aus?
Derzeit untersuchen die RUB-Biopsychologen, anhand welcher Merkmale Menschen identifiziert werden und wie sich verschiedene Gefühle in Bewegungsmustern ausdrücken.
Vielfältige Anwendungen: Von Medizin bis Kinofilm
Daneben ergeben sich aber auch eine Reihe fachübergreifender Anwendungen: Die sensiblen Methoden eignen sich nach Angaben von Nikolaus Troje etwa zur frühzeitigen Differentialdiagnose neurologischer Krankheiten, die oft mit Bewegungsstörungen einher gehen.

Sie könnten zudem dabei helfen, Videoanimationen realistischer zu machen oder zu überzeugenderen Bewegungen bei künstlichen, mit dem Computer erzeugten Charakteren führen.
->   Abteilung für Biopsychologie der Ruhr-Universität Bochum
 
 
 
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01.01.2010