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Studie: Wann die ersten Menschen Amerika besiedelten  
  Über die Frage, wann die ersten Menschen Amerika besiedelten, wird in Wissenschaftlerkreisen immer noch gestritten. Wollen die einen diesen Zeitpunkt auf 30.000 bis 40.000 Jahre in der Vergangenheit datieren, sprechen andere wiederum von einer ersten Besiedlung vor "lediglich" 13.000 Jahren. Letztere erhalten nun Unterstützung durch eine neue Studie: Demnach begann die Einwanderung in Amerika vor frühestens 15.000 Jahren.  
Für die Beantwortung von Fragen, die etwa die Abstammung des Menschen betreffen, wird in zunehmendem Maße die Genetik herangezogen. So auch eine aktuelle Studie, die sich mit der ersten Besiedlung Amerikas befasst hat.

Die Forscher nahmen sich laut einem Bericht in BBC Online dem menschlichen Y-Chromosom an - genauer gesagt: einem bestimmten Genkomplex auf dem Y-Chromosom, bekannt als Haplotyp 10. Beteiligt an der Studie war auch der Populationsgenetiker Spencer Wells vom Wellcome Trust Centre for Human Genetics der University of Oxford.
Zwei Haplotypen bei männlichen Ureinwohnern
Unter männlichen amerikanischen Ureinwohnern finden sich demnach lediglich zwei Haplotypen, der untersuchte gilt als der ältere - und kommt zudem in Asien vor. Was wiederum die These unterstützt, die ersten Ureinwohner Amerikas seien einst von dort auf den Kontinent gelangt.
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Diskussion um Nachweise früher Besiedlung
Nach dem lange akzeptierten "Clovis-Modell" begann die Besiedlung Amerikas vor rund 13.000 Jahren - mit einem Strom von Menschen, die den neuen Kontinent (genauer gesagt Alaska) während der letzten Eiszeit von Sibirien über die Beringstraße erreichten.

Doch immer wieder meldeten sich auch Forscher zu Wort, die mit neuen Funden eine sehr viel frühere Besiedlung belegen wollten. So etwa ein amerikanisch-chilenisches Team, dass 1997 in 33.000 Jahre altem Sediment-Gestein vom Monte Verde in Chile Beweise dafür gefunden haben wollte. Verbranntes Holz wurde als von Menschen gelegtes Lagerfeuer bei einem Jagd-Camp gedeutet, gebrochene Steine hätten demnach als Hilfsmittel beim Zerkleinern von Fleisch gedient. Doch diese Beweise wurden immer wieder von anderen Experten angezweifelt.
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Mutation M242: Vor erster Besiedlung entstanden
Die Forscher machten sich also daran, Mutationen auf Haplotyp 10 genauer zu untersuchen. Denn dort findet sich etwa eine Mutation (M3), die in Asien nicht vorkommt - also der Theorie zufolge erst irgendwann nach der Auswanderung der "ersten Amerikaner" entstand.

Interessant dagegen erschien die Mutation M242: Sie kommt sowohl in Asien als auch in Amerika vor und entstand somit vermutlich noch vor der ersten Besiedlung des Kontinentes.

Mit dem Wissen um die Mutationsrate von DNA auf dem Y-Chromosom berechneten die Forscher also den Entstehungszeitpunkt für M242.
"Innerhalb der letzten 15.000 Jahre"
Als maximales Alter ergab die Untersuchung 18.000 Jahre. Demnach müssten zu diesem Zeitpunkt die späteren amerikanischen Ureinwohner noch in Asien gelebt haben - und hätten ihre Migration nach Osten erst nach diesem Datum beginnen können.

"Ich würde sagen, dass sie [Amerika] innerhalb der letzten 15.000 Jahre betraten", wird Spencer Wells in BBC Online zitiert.
Politische Implikationen einer archäologische Debatte
Die Debatte um die Ursprünge der ersten Amerikaner hat auch weitreichende politische Implikationen. Denn in den USA wurden nach diversen Klagen aufgrund des "Native American Graves Protection and Repatriation Act" viele archäologische Sammlungen an amerikanische Ureinwohner zurück gegeben.

Zum Bedauern vieler Archäologen, die argumentieren, die Überreste der ersten Siedler auf dem Kontinent seien von ihren Nachfahren so verschieden, dass sie von dem Gesetz ausgenommen werden sollten.
Beispiel "Kennewick Man"
Als Beispiel dient etwa ein etwa 9.300 Jahre alter Schädel, der als "Kennewick Man" bekannt ist. Er wird dem Aussehen nach als europäisch beschrieben - dank seiner vergleichsweise langen und schmalen Form. Spätere Populationen dagegen zeigen eine eher kurze, breite Schädelform.

Nach Auskunft von Spencer Wells könnte dagegen eine spätere Migration vor rund 6.000 bis 10.000 Jahren von Ostasien nach Amerika, die auch mit der Verbreitung des zweiten Y-Chromosm-Haplotyps 5 in Verbindung gebracht wird, für das asiatische Aussehen vieler amerikanischer Ureinwohner heute verantwortlich sein.
Möglichkeit weiterer Besiedlungen
Es gibt allerdings laut Wells auch eine weitere Möglichkeit: Viele weitere Populationen hätten Amerika einst besiedeln können - Träger eines nicht identifizierten Y-Chromosom-Haplotyps, der durch spätere Migrationen völlig ausgelöscht wurde.

"Wir können das nicht ausschließen", so der Genetiker. "Doch in der Wissenschaft müssen wir uns mit dem befassen, was noch vorhanden ist."
->   Wellcome Trust Centre for Human Genetics
->   BBC Online
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01.01.2010