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Studie: Auch Gesichter sprechen Dialekt  
  Nicht nur die Sprache dient der Verständigung, auch so genannte nonverbale Signale wie Mimik, Gestik oder Körperhaltung unterstützen die menschliche Kommunikation. Teile dieser "sprachlosen Sprache" gelten als angeboren - darunter etwa das in allen Kulturen zu findende Lächeln. US-Forscher haben nun diverse emotionale Gesichtsausdrücke auf kulturelle Unterschiede untersucht, und festgestellt, dass sehr wohl feine Nuancen entscheidend sind: Denn auch beim Lächeln sprechen Gesichter demnach "Dialekt".  
Die Wissenschaftler um Abigail Marsh von der University of Harvard in Bosten haben sich der "nonverbalen Akzente" angenommen. Im Fachmagazin "Psychological Science" berichten sie von den kulturellen Unterschieden bei emotionalen Gesichtsausdrücken.
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Der Artikel "Nonverbal 'accents': cultural differences in facial expressions of emotion" von Abigail Marsh ist erschienen in "Psychological Science", Bd. 14, Nr. 4, Seiten 373-376, vom Juli 2003 (doi: 10.1111/1467-9280.24461).
->   Abstract des Artikels in www.ingenta.com
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Lächeln: Angeboren und freundlich
Das mimische Signal des Lächelns zählt zu den Klassikern der nonverbalen Kommunikation beim Menschen. Das Freundlichkeit und Beschwichtigung ausstrahlende Zeichen tritt bereits reflexartig bei Säuglingen - und selbst bei taubblinden Kindern - auf, ohne dass diese es bewusst steuern.

Ab einem Alter von sechs bis acht Wochen beherrschen auch die Kleinsten das Lächeln im sozialen Bezug. Verschiedene Studien haben überdies nachgewiesen, dass das mimische Signal in allen menschlichen Kulturen in mehr oder weniger derselben Form gefunden wird.
Kulturelle Unterschiede bei Lächeln und Co.
Dennoch, trotz der grundsätzlichen Ähnlichkeit - beim "echten" Lächeln (Duchenne-Lächeln) werden nicht nur die Mundwinkel nach oben gezogen, auch die Augen sind beteiligt und zeigen in den äußeren Winkeln die typischen kleinen Fältchen - gibt es offenbar gewisse kulturelle Unterschiede.

Die Psychologin Abigail Marsh hat gemeinsam mit Kollegen untersucht, ob sich bei emotionalen Gesichtsausdrücken, zu denen auch das Lächeln zählt, kulturelle Verschiedenheiten feststellen lassen.

Sie legten US-amerikanischen Probanden verschiedene Fotos vor, auf denen entweder in Japan geborene und aufgewachsene Personen zu sehen waren, oder japanischstämmige Amerikaner. Deren Gesichtsausdrücke wiederum variierten zwischen neutral und emotional in Form verschiedener Gefühle wie Ärger, Freude, oder Angst.
Nationale Zuordnung via Emotionen
Die Versuchsteilnehmer sollten nun die auf den Bildern zu sehenden Personen der richtigen Nationalität zuordnen - und siehe da: Bei allen Fotografien, die eine deutlich emotional geprägte Mimik zeigten, gelang ihnen dies mit mehr als zufälliger Erfolgsquote, wie die Forscher schreiben.

Bei neutralem Gesichtsausdruck viel die Zuordnung derselben Personen allerdings weitaus schwerer und entsprach häufiger nicht der Realität.
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Von Haar bis Fuß: Nonverbale Kommunikation
Der Mensch ist als einziges Lebewesen dazu imstande, sich durch eine abstrakte Verbalsprache zu verständigen. Diese ist jedoch bei weitem nicht die einzige Möglichkeit der Kommunikation - sowohl Homo sapiens als auch Tier verwenden nichtsprachliche Zeichen oder Signale, die vom Gegenüber entschlüsselt werden können. Dazu zählen Mimik, Gestik, Körperhaltung, Blickverhalten und auch die räumliche Distanz zu anderen Personen.

So spielen etwa die Kopfhaare in der weiblichen Körpersprache eine Rolle, und die Augenbrauen sind Bestandteil eines klassischen Beispiels: Der Augengruß als soziale Geste, beschrieben von dem Verhaltensforscher Irenäus Eibl-Eibesfeldt. Er erfolgt durch ein kurzes Anblicken sowie Heben der Augenbrauen und dient der freundlichen Kontaktaufnahme, meist verbunden mit einem Lächeln. Das Verhalten gilt als erblich, da sich der Augengruß laut Studien bei allen Menschen in derselben Form zeigt.
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Nonverbale "Dialekte" existieren
Die Forscher deuten ihre Ergebnisse als Zeichen für die Existenz einer Art nonverbaler "Akzente" oder Dialekte, die neben einer universellen Körpersprache bestehen und sich je nach kulturellem Hintergrund unterscheiden dürften.

"Diese Ergebnisse weisen darauf hin, dass emotionale Gesichtsausdrücke nonverbale Akzente enthalten können, welche die Nationalität oder Kultur des Betreffenden identifizieren", so die Wissenschaftler in ihrem Bericht.

Die Unterschiede, so die Vermutung der Forscher, bestünden wahrscheinlich in sehr kleinen Veränderungen der Muskelbewegungen.

Sabine Aßmann, science.ORF.at
->   University of Harvard Department of Psychology
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->   Wut oder Angst? Gehirn interpretiert auch Blickrichtung (6.6.03)
 
 
 
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01.01.2010