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Dolly: Der Aufbruch ins biotechnische Zeitalter  
  Die "Väter" des berühmtesten aller Schafe zeichnen in einem neuen Buch das Bild einer langen und schwierigen Geburt - und deren Bedeutung für die Wissenschaft und die Gesellschaft.  
Die beiden Wissenschafter Ian Wilmut und Keith Campbell erzählen, wie sie sich gefunden und zusammen ihre Ideen weiterentwickelt haben und auf verschlungenen Wegen schließlich zu Dolly gekommen sind.
Die 'Zweite Schöpfung'
Einhellig meinen beide, dass die Reichweite dieser Entwicklung gar nicht überschätzt werden könnte - und sprechen im Originaltitel denn auch von "The Second Creation. The Age of Biological Control by the scientists who cloned Dolly."
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Die Autoren im Wortlaut
"Bis zu Dollys Geburt erklärten Wissenschaftler gern, diese oder jenes Verfahren sei "biologisch unmöglich" - jetzt scheint diese Aussage jeden Sinn verloren zu haben. Vom 21. Jahrhundert an wird der menschliche Forschungs- und Schaffensdrang nur noch von den Gesetzen der Physik, den Regeln der Logik und dem moralischen Empfinden unserer Nachkommen eingeschränkt werden. Kein Zweifel, Dolly hat uns ins Zeitalter biologischer Kontrolle geführt."
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Wissenschaftliche Grundlagen
Die Autoren wollen daher zum das nötige Grundwissen für informierte Entscheidungen liefern. Sie erzählen ein Stück Wissenschaftsgeschichte beginnend in den frühen Tagen der Embryologie im 19.Jahrhundert: Darin verpackt ist alles, was man zum Verständnis von Dolly und ihresgleichen wissen muss.
Wissenschaftsalltag
Die Schilderung liefert aber auch ein eindrückliches Bild des modernen Wissenschaftsbetriebes. Dolly war eine Sensation, davor lagen lange Jahre Laborarbeit, geprägt von oft wochen- und monatelanger, nervenzehrender Routine zwischen wenigen bahnbrechenden Entdeckungen. Dolly schließlich war der mit gemischten Gefühlen erwartete Höhepunkt jahrelanger Arbeit.
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'Medienrummel nicht vorhersehbar'
"Als wir im Sommer 1996 auf Dollys Geburt warteten - wobei wir nicht wussten, ob überhaupt einer der Embryonen geboren würde, die wir im vorangegangenen Winter konstruiert hatten -, wusste ich natürlich, wie wichtig sie war, und ahnte, dass sie ziemliches Aufsehen erregen würde. Allerdings sah niemand voraus, was für einen Medienrummel sie auslösen würde und wie sich unser Leben verändern sollte. Ich nehme an, meine Stimmung hat in diesem Sommer zwischen Hochgefühl und Besorgnis geschwankt - Besorgnis, dass es uns nicht gelingen würde, ein Lamm wie Dolly zu erzeugen, aber auch von Zeit zu Zeit Besorgnis bei dem Gedanken, dass es uns gelingen könnte."
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Wirtschaftliche Verflechtungen
In erster Linie aus wissenschaftlichem Interesse wollen die beiden Forscher an Dolly gearbeitet haben - um die Entwicklungsbiologie von Säugetieren besser verstehen zu lernen. Die neue Technik war da nur Mittel zum Zweck.

Gleichzeitig wurden aber auch die wirtschaftlichen Verflechtungen wissenschaftlicher Forschung immer enger, wie die Autoren anschaulich schildern.

Die Geburt Dollys wurde als Beweis des bis dato für unmöglich gehaltenen Machbaren noch in Nature publiziert und damit frei zugängliches Wissen. Heute werden von den meisten neueren Entwicklungen der Klonforscher nur noch die Aktionäre der beteiligten Firmen informiert, Details der Arbeiten erst nach der Patentvergabe bekannt gegeben.
Anwendungsmöglichkeiten
Wie umfassend das biotechnische Zeitalter tatsächlich beginnt, zeigen und kommentieren Ian Wilmut und Keith Campbell schließlich auch anhand all der möglichen Anwendungen der neuen Techniken: vom therapeutischen Klonen über Stammzellen und Pharming bis zur Gentherapie.

Bei allen Anwendungsmöglichkeiten sei aber immer auch Anlass zur Vorsicht gegeben, meinen die Autoren gegen Ende des Buches - und kommen auch noch einmal auf die Frage der biologischen Kontrolle zurück.
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'Hybris im Sinne der alten Griechen'
"Zwar wäre die Annahme gefährlich, wir könnten eines Tages alle Lebensprozesse bis in ihre letzten Verzweigungen verstehen: Das wäre Hybris im Sinne der alten Griechen, mit all den Strafen, die sie nach sich zieht. Trotzdem werden unsere Nachkommen über eine Macht verfügen, die wohl nur durch unserer Vorstellungskraft begrenzt sein wird ¿ und natürlich die Gesetze der Physik und der Logik. Doch in der Praxis wird es den Anschein haben, als hätte der Mensch absolute Macht über die Natur."
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Menschen klonen
Das Menschenklonen lehnen beide (zumindest derzeit) dezidiert ab. Im letzten Kapitel liefern sie auch eine ganze Reihe technischer Gründe, warum.

Darüber hinaus wirken ihre allgemeinen abwägenden Überlegungen dazu, die Dolly-Technik auf den Menschen zu übertragen, angesichts der vollmundigen Verkündigungen klonwütiger Fortpflanzungsmediziner in Rom Anfang März geradezu besonnen.

Birgit Dalheimer, Ö1-Wissenschaft
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Ian Wilmut, Keith Campbell, Colin Tudge: Dolly. Der Aufbruch ins biotechnische Zeitalter. Aus dem Englischen von Hainer Kober. Carl Hanser Verlag, München / Wien 2001, 405 S.
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01.01.2010