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"Small World": Jeder kennt jeden via sechs E-Mails  
  Das Internet ist eine kleine Welt: Jeder kennt jeden über durchschnittlich sechs Ecken. Das hat ein Experiment amerikanischer Soziologen ergeben, die den E-Mail-Verkehr von 61.168 Freiwilligen aus 166 Ländern ausgewertet haben. Auf diese Weise bestätigt die Gruppe um Duncan Watts von der Columbia University in New York die bereits in den sechziger Jahren aufgestellte "Small- World-Hypothese" auch für das weltumspannende Datennetz.  
Der Sozialpsychologe Stanley Milgram hatte Ende der sechziger Jahre in einem klassischen Experiment herausgefunden, dass jeder Mensch über durchschnittlich sechs Bekannte mit jedem anderen Menschen bekannt ist.
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Die Studie "An Experimental Study of Search in Global Social Networks" von Peter Sheridan Dodds, Roby Muhamad und Duncan J.Watts erschien im aktuellen Heft des Wissenschaftsmagazins "Science" (Band 301, S. 827-28, Ausgabe vom 8.8.2003).
->   "Science"
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Was sind überhaupt "Small Worlds"?
Small World-Theoretikern ist Duncan Watts kein Unbekannter: Gemeinsam mit seinem Kollegen Steve H. Strogatz veröffentlichte der amerikanische Mathematiker im Jahr 1998 einen Aufsatz, der allgemein als Durchbruch in der Netzwerktheorie angesehen wird.

Denn auch 30 Jahre nach Milgrams legendärem Experiment, war nicht klar, was überhaupt das Besondere an diesen "Small Worlds" sein sollte.
Netzwerktheorie: Frühe Untersuchungen nutzlos
Das lag daran, dass man bis dahin nur zwei Extremformen von Netzwerken genauer mit mathematischen Mitteln untersucht hatte. Zum einen solche, in denen jeder Knoten fix mit sämtlichen anderen Knoten verbunden ist.

Zum anderen jene, bei denen die Verbindung rein zufällig ist. Beide bieten jedoch keine besonders gute Beschreibung von sozialen Netzen, in denen das "Small World"-Phänomen ursprünglich entdeckt wurde: Denn schließlich ist kein Mensch mit jedem anderen bekannt, noch sind alle Bekanntschaften rein zufällig und daher gleich wahrscheinlich.
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Die Studie " Collective dynamics of 'small-world' networks" von Duncan J. Watts und Steven H. Strogatz erschien in der Zeitschrift "Nature" (Band 393, S. 440, doi:10.1038/30918).
->   Abstract des Original-Artikels in "Nature"
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Soziale Netze sind weder geordnet noch zufällig
Watts und Strogatz konnten in ihrem "Nature"-Artikel zeigen, dass das Small World-Phänomen in solchen Netzwerken auftritt, deren Verbindungsmuster in einem Zwischenbereich von absoluter Ordnung und totaler Zufälligkeit liegt.

Die (graphentheoretische) Beschreibung dieses Sachverhalts ist zwar ziemlich abstrakt, doch glücklicher Weise haben die beiden ihrer Arbeit eine Abbildung beigefügt, die zeigt, worauf es ankommt.

 
Bild: Nature

Auf die schwachen Bindungen kommt's an
Dass man jeden beliebigen Menschen auf der Erde nur über durchschnittlich sechs Bekanntschaften ("six degrees of separation") erreichen kann, liegt an den so genannten schwachen Bindungen im sozialen Gefüge.

Diese betreffen nicht die Mitglieder des engeren (und wohlgeordneten) Freundeskreises, sondern vielmehr die entfernten Bekannten, mit denen man nur losen oder zufälligen Austausch unterhält.

Diese fungieren gewissermaßen als Brücke zwischen den sozialen Clustern - und lassen einen so die halbe Welt mit nur wenigen Schritten durchmessen.
Die aktuelle E-Mail-Studie: 18 Empfänger in 13 Ländern
Die Teilnehmer des neuen Projekts von Duncan Watts sollten eine E-Mail so lange weiterleiten, bis diese einen von 18 vorbestimmten Empfängern in 13 Ländern erreichte. Von diesen waren Daten wie Name, Beruf und Wohnort bekannt.

Die Studienteilnehmer sandten ihre elektronische Post dazu an Bekannte, von denen sie annahmen, dass diese näher am Zielobjekt "dran" waren. Auf diese Weise entstanden 24.163 E-Mail-Ketten, die Duncan mit seinen Kollegen auswertete.

Ihre Ergebnisse im Fachblatt "Science" bestätigen Milgrams Pioniertat: Im Durchschnitt waren sechs Weiterleitungen nötig, um den Empfänger zu erreichen.
Eine Kette rund um die Welt
 
Bild: Duncan J. Watts

Eine der jetzt beschriebenen E-Mail-Ketten nahm ihren Ursprung in Eastbourne (Großbritannien). Ein britischer Offizier sandte die Nachricht zu einem Onkel im ugandischen Kampala, von wo aus sie zu dessen Internet-Freundin Karina nach Moskau gelangte.

Karina war mit Zinerva aus Novosibirsk zur Schule gegangen, wohin sie die E-Mail weiterleitete. Zinerva wiederum hatte mit dem "Zielobjekt" Olga studiert, die ebenfalls in Novosibirsk wohnt - und beendete die Kette, indem sie die Nachricht zum letzten Mal weiterschickte.

Das neue Experiment im Internet zeigt, dass die Hypothese von der "Kleinen Welt" auch im Internet Bestand hat.
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Legendär: "Sind Sie auch mit Marlon Brando befreundet?"
Auch die Redakteure der deutschen Wochenzeitung "Die Zeit" sahen sich im Jahr 1999 veranlasst, die Milgramsche Hypothese einer Prüfung zu unterziehen. Sie erkoren den Filmschauspieler Marlon Brando als Ziel aus, der Startpunkt des Bekanntschaftsreigens war freilich weniger prominent: Dabei handelte es sich um Salah ben Ghaly, den Besitzer einer Berliner Imbissbude. Daraus entstand die unterhaltsame Artikelserie "Sind Sie eigentlich auch mit Marlon Brando befreundet?", die einige Wochen die Leserschaft in Atem hielt. Das Ergebnis vorweg: Milgram lag richtig, auch hier konnte Brando über sechs (Bekanntschafts-)Ecken erreicht werden.
->   Zur Artikelserie in der "Zeit"
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->   Homepage des Small World-Projekts
->   Mehr zu S. Milgram in www.stanleymilgram.com
 
 
 
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01.01.2010