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Klonen - rechtlich betrachtet  
  Weltweit wird diskutiert über die verschiedenen Bereiche der Biomedizin, insbesondere über das heikle Thema des Klonens von Menschen. Neben der ethisch-philosophischen Seite muss die Debatte aber vor allem auch auf der rechtlichen Ebene geführt werden, denn: Was nicht ausdrücklich verboten ist, das ist erlaubt. Der Jurist Christian Kopetzki diskutiert in seinem Beitrag die rechtliche Lage - auch in Österreich - bezüglich strittiger Fragen.  
Christian Kopetzki: Klonen - rechtlich betrachtet
Die Auseinandersetzung über das ("reproduktive" und "therapeutische") Klonen hat sich bisher meist auf einer ethisch-philosophischen Ebene bewegt. Da in einem Rechtsstaat den Bürgern alles erlaubt ist, was nicht verboten ist, wird künftig aber auch die Frage nach der rechtlichen Bewältigung derartiger biomedizinischer Techniken von Interesse sein.

Denn moralisch-ethische Schranken wirken immer nur bei jenen, die diese Moralgebote von sich aus akzeptieren; durchsetzbar sind sie hingegen - anders als die Rechtsordnung - nicht.

Abgesehen davon ist für manche der aktuellen Themen der Biomedizin ein gesamtgesellschaftlicher Konsens gar nicht zu erwarten: Die moralische Bewertung wird vielmehr je nach weltanschaulicher Position ganz unterschiedlich ausfallen, wie sich am Beispiel des so genannten "therapeutischen Klonens" schon jetzt zeigt.

Mit allgemein anerkannten moralischen Verhaltensmaßstäben für die Medizin ist daher in einem säkularen und pluralistischen Staat nur begrenzt zu rechnen. Eine einigermaßen sichere und unab-hängig vom guten Willen der Beteiligten einforderbare Grenzlinie zwischen dem, was die Medizin tun darf, und dem, was ihr verwehrt ist, wird letztlich nur die Rechtsordnung bieten können.
Verbot des "reproduktiven" Klonens
Das österreichische Recht enthält keine ausdrückliche Regelung über das Klonen. Es besteht aber kein vernünftiger Zweifel daran, dass sich aus den näheren Bestimmungen des Fortpflanzungsmedizingesetzes zumindest implizit ein Verbot des "reproduktiven" Klonens - also der "Herstellung" eines genetisch identen Menschen - ergibt.

Ob ein solches Verbot auch verfassungsrechtlich begründet werden kann - etwa aus dem Grundsatz der Menschenwürde - ist weniger leicht zu beantworten; immerhin kennt die österreichische Verfassung keine dem deutschen Grundgesetz entsprechende umfassende Menschenwürdegarantie.

Angesichts der mit diesen Klonierungstechniken verbundenen Risken sprechen aber gute Gründe für eine staatliche Pflicht zur Unterbindung solcher Manipulationen am Menschen.
Klare Formulierungen wünschenswert
Für die Zukunft wäre es freilich wünschenswert, wenn man sich bei der rechtlichen Regelung derart sensibler Phänomene klarerer und expliziter Formulierungen bedienen würde, deren regulierende Kraft nicht nur von unbestimmten Prinzipien abhängt, unter denen im Konfliktfall jeder etwas anderes verstehen kann.

Bei der Gelegenheit wäre auch zu hinterfragen, ob die derzeit drohende Verwaltungsstrafe von höchstens 500.000 ATS eine ausreichend abschreckende Sanktion darstellt.
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Konvention über Menschenrechte und Biomedizin
Ein eindeutiges Verbot des reproduktiven Klonens enthält das Zusatzprotokoll zur - unzutreffend oft als "Bioethik-Konvention" bezeichneten - Konvention über Menschenrechte und Biomedizin des Europarates (Biomedizinkonvention). Umso bedauerlicher ist es, dass sich Österreich diesem europäischen Wertekonsens derzeit aus völkerrechtlichen Gründen nicht anschließen kann, da dies einen Beitritt zur Biomedizinkonvention voraussetzen würde.
->   Mehr Informationen zur Konvention bei science.orf.at
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"Therapeutisches Klonen" zulässig?
Komplizierter stellt sich die Rechtslage zum so genannten "therapeutischen Klonen" dar: Mit Sicherheit verboten ist aufgrund des Fortpflanzungsmedizingesetzes die Verwendung überzähliger Embryonen aus der Reproduktionsmedizin für therapeutische und/oder forschende Zwecke (z.B. zur Stamm-zellengewinnung), weil das Gesetz sämtliche Eingriffe an befruchteten Eizellen verbietet, die nicht zur Herbeiführung einer Schwangerschaft erforderlich sind.

Weit weniger klar ist, ob das geltende Recht auch den Transfer somatischer Zellkerne in entkernte Eizellen untersagt - und genau diese Technik steht beim "therapeutischen Klonen" im Mittelpunkt des Interesses, weil sie zur Gewinnung genetisch identer embryonaler Zellen führt.

Es gibt jedenfalls gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass dieser Sachverhalt weder vom Fortpflanzungsmedizingesetz noch vom Gentechnikgesetz erfasst wird. Das Fehlen einer Regelung würde aber im Ergebnis auf eine Erlaubnis hinauslaufen - und nicht umgekehrt. Begründungspflichtig ist also nicht, ob die Rechtsordnung das therapeutische Klonen zulässt, sondern ob sie es verbietet.
Grundrecht auf Leben bezieht sich nicht auf Ungeborene
Versuche, aus dem Grundrecht auf Leben oder aus dem Grundsatz der Menschenwürde ein Verbot des "therapeutischen Klonens" abzuleiten, stehen - soweit es um die rechtliche und verfassungsrechtliche Perspektive geht - auf schwachen Beinen: Nach der von den österreichischen Höchstgerichten vertretenen Auslegung bezieht sich das Grundrecht auf Leben nicht auf das ungeborene Leben.

Darüber kann man zwar gewiss streiten (und es folgt daraus auch nicht die völlige Schutzlosigkeit des Embryos). Eine Ausdehnung des grundrechtlichen Lebensschutzes auf die früheste Embryonal-entwicklung - insbesondere auf Embryonen in vitro - lässt sich aber auf dem Boden der herrschenden Lehre verfassungsrechtlich nicht begründen.
Berufung auf Menschenwürdegarantie ist unsicher
Noch unsicherer ist die Berufung auf die Menschenwürdegarantie, weil diese weder über eine hinreichend sichere bundesverfassungsrechtliche Verankerung noch über einen (gerade in den hier entscheidenden Bereichen) hinreichend konsensfähigen inhaltlichen Bedeutungskern verfügt.

Damit ist eine ethische und rechtspolitische Bewertung des "therapeutischen Klonens" noch keineswegs vorweggenommen; man sollte sich für die Ablehnung dieser medizinischen Techniken aber nicht vorschnell auf die Verfassung berufen, zumal auch die Forschungsfreiheit zu den Grundrechten zählt.
Biomedizinkonvention des Europarates
Eine etwas deutlichere Sprache als die österreichische Verfassung spricht die Biomedizinkonvention des Europarates: Artikel 18 verbietet zwar nicht die Embryonenforschung an sich, sehr wohl aber die Erzeugung von Embryonen zu Forschungszwecken.

Eine Erzeugung zur therapeutischen Verwendung - etwa zur Gewinnung von embryonalen Stammzellen - wäre danach zwar erlaubt (genauer gesagt: dürfte von den Vertragsstaaten zugelassen werden). Sofern jedoch die Technik des "therapeutischen Klonens" nur über den Umweg der Forschung erreicht werden kann, stünde das "therapeutische Klonen" aus heutiger Sicht im Konflikt mit der Konvention.

Allerdings - und dieser Aspekt wird in der öffentlichen Diskussion oft vernachlässigt - enthält Art. 18 nur ein allgemeines Prinzip, das wegen des Gesetzesvorbehalts der Konvention (Art. 26) unter gewissen Voraussetzungen wieder eingeschränkt werden kann.

Das ändert aber nichts daran, dass das "therapeutische Klonen" einen Eingriff in die Grundrechte der Konvention darstellt, dessen Rechtfertigung strengen Regeln unterliegt. Insofern enthält die Biomedizinkonvention in diesem Punkt einen weitergehenden Schutz als das österreichische Verfassungsrecht.
Was ist ein "Lebewesen"?
Ob das - im Gegensatz zur Hauptkonvention nicht einschränkbare Zusatzprotokoll zur Biomedizinkonvention neben dem "reproduktiven" auch das "therapeutische" Klonen untersagt, hängt davon ab, was man unter der Herstellung eines genetisch identischen "Lebewesens" ("human being") versteht.

Der Erläuternde Bericht deutet darauf hin, dass man diesen Begriff an seinen "Rändern" nicht exakt festlegen, sondern der Konkretisierung durch die einzelnen Vertragsstaaten überlassen wollte.

Auch der Umstand, dass der Embryonenschutz Thema eines weiteren Zusatzprotokolls werden soll, lässt den Schluss zu, dass das Klonen von Embryonalzellen für andere Zwecke als jene der Fortpflanzung nicht in den Anwendungsbereich des Zusatzprotokolls fällt.
Ein Fazit
Als Fazit lässt sich daher festhalten: Das "reproduktive Klonen" ist nach österreichischem Recht verboten, wenngleich die geringe Strafdrohung ehrgeizige Interessenten kaum abschrecken dürfte.

In Bezug auf das "therapeutische Klonen" besteht hingegen keine einhellige Meinung: Soweit es um die Methode des somatischen Kerntransfers in entkernte Eizellen und nicht um die (zweifellos unzulässige) Verwendung befruchteter Embryonen geht, sprechen rechtliche Überlegungen eher für als gegen die Zulässigkeit dieser Technik.

Will man die rechtlichen Schranken künftig anders und/oder genauer definieren, so bedürfte es dafür präzise formulierter gesetzlicher Regeln. Die meines Erachtens überfällige Ratifikation der Biomedizinkonvention wäre dafür ein guter Anlass, weil deren Schutzniveau im Hinblick auf den Embryonenschutz immer noch strenger ist als jenes der österreichischen Bundesverfassung.

(Univ. Prof. Christian Kopetzki, Institut für Ethik und Recht in der Medizin, Universität Wien)
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->   Ulrich Körtner: Therapeutisches Klonen - Fortschritt oder Irrweg?
->   Heinz Barta: Bio-Ethik: Ein Thema auch für Österreich
 
 
 
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01.01.2010