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Depressionen verändern die Zeitwahrnehmung  
  Menschen, die unter Depressionen leiden, haben häufig eine gestörte Zeitwahrnehmung. Doch die Symptome gehen über das so genannte "Zeitlupengefühl" hinaus, wie deutsche Forscher nun berichten.  
Die Psychologen von der Friedrich-Schiller-Universität Jena haben jetzt nachgewiesen, dass Depressionen die Zeitwahrnehmung in noch größerem Umfang verändern als bisher erforscht.
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Studie: Weitere Aspekte des Zeiterlebens
Frühere Untersuchungen zur Zeitwahrnehmung von Depressions-Patienten hatten sich demnach vor allem auf den Zeitaspekt der Dauer konzentriert. In die Jenaer Studie sind laut einer Aussendung der Universität nun auch andere Aspekte einbezogen, die das Zeiterleben ausmachen - außer der Zeiteinteilung und der Neigung zu Stress etwa das individuelle Tempo und die Fähigkeit, mehrere Aufgaben gleichzeitig zu erledigen.
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Depression: Ein Leben in Zeitlupe
Ist die Stimmung gut, vergeht die Zeit wie im Flug. Die berüchtigten "schwarzen Stunden" dagegen kriechen nur so dahin.

Was psychisch gesunde Menschen lediglich aus vorübergehenden Stimmungstiefs kennen, quält Depressive mitunter jahrelang. Ihre Krankheit lässt sie die Zeit extrem gedehnt erleben. Betroffene sprechen vom "Zeitlupengefühl".
Auch Pünktlichkeit und Zeiteinteilung beeinträchtigt
Die Jenaer Psychologen berichten nun, dass darüber hinaus auch Pünktlichkeit, Zeiteinteilung und Stressresistenz beeinträchtigt sind.

Beispiel Pünktlichkeit: "Menschen, die an einer Depression leiden, sehen oft keinen Ausweg mehr aus ihrer Lage. Sie können sich zu nichts entschließen und planen weniger häufig und konkret als psychisch Gesunde. Deshalb fällt es ihnen auch schwerer, ihre Zeit einzuteilen und sich an Termine zu halten", erklärt Studienleiterin Brigitte Edeler.

Die Psychologin von der Universität Jena leitet das 2001 gestartete Forschungsprojekt, aus dem die neuen Erkenntnisse zur Zeitwahrnehmung stammen.
"Veränderter Zeithorizont"
"Das Gefühl, ihre aktuellen Probleme nicht lösen zu können, führt außerdem dazu, dass Depressive die Vergangenheit verklären und sich nach ihr zurücksehnen", so Edeler weiter. "Veränderter Zeithorizont" lautet der Fachausdruck für dieses Phänomen.
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Depressive fühlen sich häufig unter Zeitdruck
Auf den ersten Blick paradox wirkt ein anderes Ergebnis der Jenaer Psychologen: Obwohl Depressive häufig so viel Lebensenergie verloren haben, dass sie schon morgens nicht wissen, ob sie aufstehen oder liegen bleiben sollen, fühlen sie sich öfter als psychisch Gesunde unter innerem Zeitdruck und Stress: "Dieses besonders belastende Gefühl entsteht, wenn die Antriebslosigkeit der Patienten mit den Anforderungen der Umwelt - tatsächlichen oder bloß vorgestellten - in Konflikt gerät", macht Edeler den scheinbaren Widerspruch verständlich.
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Endgültige Ergebnisse im kommenden Jahr
"Dass sich Depressive auch im Erleben dieser Zeitaspekte von psychisch Gesunden unterscheiden, war bisher zwar schon vermutet worden", sagt Edeler, "aber was noch fehlte, war der Nachweis, den unsere Untersuchung jetzt erbracht hat."

Für ein endgültiges Ergebnis ist es aber noch zu früh: Erst im kommenden Jahr wollen die Psychologen die letzten Daten für ihre Studie erheben und auswerten. Sie untersuchen dazu eine repräsentative Gruppe von Depressions-Patienten, die in Kliniken in Thüringen, Sachsen, Schleswig-Holstein und Bayern stationär behandelt werden.

"Was wir noch besser verstehen möchten, sind die Zusammenhänge zwischen dem Zeiterleben der Patienten und ihrer Persönlichkeit, ihrem sozialen Umfeld, der Art ihrer Depression und dem Stadium ihrer Krankheit", nennt Edeler die Punkte, zu denen sie und ihr Team nächstes Jahr Ergebnisse vorlegen wollen.
->   Institut für Psychologie der Universität Jena
->   Alles zum Stichwort Depression im science.ORF.at-Archiv
 
 
 
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01.01.2010