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Der Traum vom Supraleiter  
  Ein weiterer Traum der Physik scheint Wirklichkeit zu werden. Ein Supraleiter, der bei relativ hohen Temperaturen Leitfähigkeit zeigt sowie kostengünstig und einfach herzustellen ist, wurde vor einigen Tagen auf einer Konferenz in Seattle vorgestellt.  
Aufregung in Seattle
Wie die neueste Ausgabe von "Nature" berichtet, herrschte auf der kurzfristig einberufenen Konferenz zum Thema Supraleiter im amerikanischen Seattle Aufregung.

Der Supraleiter Magnesiumdiborid (MgB2) stand im Mittelpunkt des physikalischen Interesses. Erstmalig schon kurz in Tokio von Jun Akimitsu von der "Aoyoma Gakuin University" präsentiert, soll der Supraleiter seinen gesamten elektrischen Widerstand bei 39 Grad Kelvin (entspricht ca. - 234 Grad Celsius) verlieren und supraleitend werden. Die Komponente sei kostengünstig und relativ einfach herzustellen, so die begeisterten Physiker.
Erste Supraleiter metallisch
Die frühesten Supraleiter waren metallisch, aber benötigten schwerfälliges und teures Equipment, um sie auf eine Temperatur knapp oberhalb des absoluten Nullpunktes (null Grad Kelvin, -273,15 Grad Celsius) abzukühlen. Das änderte sich 1986 nach der Entdeckung der Supraleitfähigkeit von Kupferoxiden bei 90 Grad Kelvin.

Einfache metallische Supraleiter wurden über jener Suche nach Supraleitern im Hochtemperaturbereich vergessen. Mit der umfassenden Präsentation des Magnesiumdiborid-Supraleiters in Seattle rückten sie wieder ins Zentrum der Aufmerksamkeit.
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Supraleitfähigkeit
1911 von H. Kamerlingh Onnes entdeckte Eigenschaft mancher Metalle und Legierungen, in der Nähe des absoluten Temperaturnullpunkts dem elektrischen Strom keinen Widerstand mehr entgegenzusetzen. Der Übergang vom normalen zum supraleitenden Zustand erfolgt sehr plötzlich bei einer für jeden Stoff bestimmten Sprungtemperatur (bis zur Entdeckung der Hochtemperatur-Supraleiter 1986 unter 23,3 Kelvin, danach bis zu 133,5 Kelvin). Bei diesem Übergang ändern sich auch andere physikalische, z. B. die magnetischen Eigenschaften in ungewöhnlicher Weise.
->   Mehr zu Hochtemperatur-Supraleitern
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Überraschendes Verhalten
MgB2 verhält sich wie ein konventioneller metallischer Niedrigtemperatur-Supraleiter - bis auf die Tatsache, dass er bei höheren Temperaturen leitet, zur großen Verblüffung der Physiker in Seattle.

Es gab bereits einige Versuche, die Performance von MgB2 zu steigern. Eine Forschergruppe um Bob Cava von der Princeton University versuchte einzelne Magnesiumatome in MgB2 durch Aluminium zu ersetzten, was zu einer Zerstörung der Supraleitfähigkeit führte. Die Lösung dieses Problems könnte, so einige Wissenschaftler, nicht im Ersetzen einzelner Atome, sondern im Zufügen weiterer Elemente bestehen.
Erste Hinweise auf Anwendbarkeit
Auf der jüngsten Konferenz in Seattle beschrieben verschiedene Gruppen von Wissenschaftlern, wie MgB2 in Leitungen und dünnen Filmen integriert werden kann, sozusagen als erste Schritte zu anwendbaren Technologien.

Als Beispiel präsentierten Physiker der Iowa State University einen einfachen Weg, um supraleitende Leitungen herzustellen: Sie setzten kommerzielle Bor-Fasern bei einer Temperatur von 950 Kelvin Magensiumdampf aus. Die Iowa-State-Physiker glauben auf diese Weise, supraleitende Magneten oder ähnliche Applikationen produzieren zu können.
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Organische Moleküle als Supraleiter
Die Synthese organischer Makromoleküle, die bei Raumtemperatur noch supraleitend sind, scheint nicht ausgeschlossen. Nach der BCS-Theorie (von J. Bardeen, L. Cooper und J. R. Schrieffer) bilden je zwei Leitungselektronen eines Metalls unterhalb einer bestimmten tiefen Temperatur so genannte Cooper-Paare. Diese Elektronenpaare können sich frei durch das Metallgitter bewegen, d. h. der elektrische Widerstand verschwindet. Steigt die Temperatur an, dann werden die Paare wieder getrennt. Die einzelnen Elektronen sind zu normalen Leitungselektronen geworden; der elektrische Widerstand tritt wieder auf. Die BCS-Theorie erklärt viele Eigenschaften der Supraleiter, die z. B. in Teilchenbeschleunigern immer mehr Verwendung finden.
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Leistungsfähige Alternative?
Was MgB2 in Zukunft zur echten Alternative von Kupferoxid-Supraleitern machen kann, sind nicht nur die moderaten "Betriebstemperaturen" des Materials, sondern auch die geringen Kosten der Herstellung.

Ob sich die in Seattle entfachte Begeisterung jetzt in konkurrenzfähige Applikationen und Produkte umwandeln lässt, wird die Zukunft weisen. Einiges spricht dafür.

(red)
Auf dem Los-Alamos-Archiv lassen sich die letzten Ergebnisse zum Thema nachlesen
->   Los Alamos Archive
->   Superconductivity Group Home Page
->   Department of Physics der Princeton University
Der Originalartikel "Superconductivity at 39 K in magnesium diboride" ist im aktuellen "Nature" erschienen (kostenpflichtig).
->   Originalartikel in Nature
 
 
 
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01.01.2010