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Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
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Die Zukunft der Forschung und ihrer Grundlagen  
  Die Zukunft der Forschung in Zeiten von Hochschul-Autonomie und dem Entstehen eines europäischen Forschungsraums standen im Mittelpunkt einer Enquete am Mittwochabend in Wien. Die Debatte entzündete sich dabei vor allem an zwei Themen: an der bedrohten Rolle der Grundlagenforschung und an der Frage der Mobilität von Wissenschaftlern innerhalb Europas.  
Wiewohl kein Fazit der prominent besetzten Diskussionsrunde zu ziehen ist, konnte man sich auf eines doch einigen: die Forschung braucht in Hinkunft mehr Geld, um im Wettbewerb bestehen zu können.
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Enquete: "Forschung in/für Europa"
Österreichs Chancen und Perspektiven.
Veranstalter waren die Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW), das Bildungsministerium, das Innovationsministerium und der ORF/Ö1.
->   Mehr über die Enquete
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Bedrohung der Grundlagenforschung?
Nach heißen politischen Diskussionen, kritischen Einwänden und zustimmenden Kommentaren ist es ab diesem Studienjahr soweit: Die Hochschulen des Landes werden mit 1.1. 2004 gemäß des neuen Universitätsgesetzes in die Autonomie entlassen.

Neben arbeitsrechtlichen, strukturellen und organisatorischen Änderungen könnte dies auch eine der ureigensten Aufgaben der Hochschulen in Mitleidenschaft ziehen: die Grundlagenforschung.

"Das Entstehen unternehmerischer Universitäten" - also die stärkere Betonung anwendungsorientierter und somit wirtschaftsnäherer Forschung - "wird die Grundlagenforschung bedrohen", prophezeite Christoph Badelt, der Rektor der Wirtschaftsuniversität Wien.
Mehr Geld, Leistungsverträge
Persönlich sei er zwar ein Anhänger der Hochschulautonomie - weshalb er von Barbara Weitgruber, Sektionschefin im Bildungsministerium, auch als "reformfreudiger Rektor" gelobt wurde - die Forschungspolitik müsse auf diese Bedrohung aber reagieren.

Und Konsequenzen ziehen: nicht nur in Form von mehr Geld, sondern auch durch die Berücksichtigung der Grundlagenforschung in den Leistungsverträgen des Ministeriums mit den Unis.
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Zwei weitere START-Preise werden heuer vergeben
Eröffnet wurde die Enquete von Bildungsministerin Elisabeth Gehrer (ÖVP), die ankündigte, dass heuer noch zwei weitere START-Preise für Nachwuchswissenschaftler vergeben werden. Die Preisträger erhalten jeweils über einen Zeitraum von sechs Jahren jährlich bis zu 200.000 Euro für ihre Forschungen. Budgetbedingt waren heuer im Juni zunächst nur drei statt wie im Vorjahr fünf START-Preise vergeben worden.
->   Wittgenstein- und START-Preise 2003 (30.6.03)
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"Hofnarrenfunktion" der Grundlagenforschung
Grundlagenforschung solle auch "Hofnarrenfunktion haben", indem sie Dingen nachgeht, "die nicht im Interesse derer sind, die an den Machtzentren der Gesellschaft sind", so Badelt weiter. Was nicht heiße, das sie frei von Kontrolle sein soll - für letztere stünden Bewertungen durch Peer Groups oder Impact Faktoren zur Verfügung, keine idealen Indikatoren zwar, aber brauchbar.

Wie stark historische oder kulturwissenschaftliche Kenntnisse auch bei so scheinbar trockenen Diskussionen wie dieser von Vorteil sind, zeigte sich in Folge an der Frequenz, mit der am Bild des "Hofnarren" gedeutet wurde.
Zwischen närrisch und Kopf-Verlust
Jürgen Mittelstraß, Philosoph der Universität Konstanz, etwa konnte damit wenig anfangen. Grundlagenforschung sei nicht närrisch, sondern ernst zu nehmen, sie betrete Neuland der Wissenschaft. "Forschung ist, wenn Forschung Forschung verändert", philosophierte Mittelstraß, und "noch nicht, wenn ein Chemiker ein Reagenzglas in die Hand nimmt".

Sonja Puntscher-Riekmann, Politikwissenschaftlerin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, trat zur Verteidigung der Figur des Hofnarren an, denn dieser "nahm eine sehr prekäre Stellung am Hof ein und konnte dabei auch seinen Kopf verlieren".
Sondermittel und Leistungsverträge
Damit das so schnell nicht passiert, verwies Barbara Weitgruber vom Bildungsministerium auf die bekannten 600 Millionen Euro, die von der Regierung zwischen 2004 und 2006 an Sondermitteln für die Forschung geplant sind, darunter auch ein Schwerpunkt zu Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften. Zusätzlich stimmte sie der Forderung nach Einbeziehung der Grundlagenforschung in die Leistungsverträge zwischen dem Ministerium und den Universitäten zu.
Brüssel lässt das Wort wieder zu
Durfte man "bis vor sehr kurzer Zeit das Wort 'Grundlagenforschung' in Brüssel nicht in den Mund nehmen", so sah Rainer Gerold von der Direktion Wissenschaft und Gesellschaft der Europäischen Kommission nun ein positives Signal darin, "dass dies nun möglich" sei. Der Weg dahin führe über die Vernetzung auf europäischer Ebene - was so viel heiße wie das "Schaffen einer kritischen Masse".

Was Jürgen Mittelstraß eher nachdenklich stimmte ("was ist die kritische Masse bei Philosophen, 50 Philosophen auf einem Haufen? - das ist eher die wissenschaftliche Hölle"), ist dennoch einer der EU-Strategien.
Mobilität statt Platz in einer Institution
Ähnlich der "kritischen Masse" wurden bei der Enquete auch die Begriffe "Mobilität" und "Networking" kritisiert, die oft nur als modische Schlagworte durch die einschlägigen Diskussionen geisterten und Realitäten verstellten. Die vielgepriesene und angestrebte Mobilität speziell von Nachwuchswissenschaftlern im europäischen Raum, werde oft zur "l'art pour l'art", so Puntscher-Riekmann.

Sie verdecke oft den Umstand, dass junge Forscher nach einer Reihe von Stipendiaten und/oder Forschungssemestern schlicht über keine Anbindung an eine bestimmte Institution verfügen.

Barbara Weitgruber vom Bildungsministerium kündigte an, in dieser Hinsicht "die nationalen Stipendienprogramme zu durchleuchten", um eine verbesserte institutionelle Einbindung von jungen Forschern zu gewähren.

Lukas Wieselberg, science.ORF.at
->   Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW)
->   Bildungsministerium
->   Innovationsministerium
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Eine Zusammenfassung der Enquete können Sie in den Ö1-Dimensionen vom 3. Oktober 2003, 19.05 Uhr hören.
->   Radio Österreich 1
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01.01.2010