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Ig Nobel-Preise: Die etwas anderen Auszeichnungen  
  In dieser Woche werden die Nobelpreise 2003 verliehen - schon zuvor wurden die "IG Nobel Preisträger" des Jahres geehrt. Ausgezeichnet wurden sie für amüsante, skurrile, aber nicht weniger ernsthafte Forschungsarbeiten als jene ihrer "noblen Vorbilder". Darunter: Einsichten in die Ergonomie des Schaf-Scherens, Gehirnforschung an Taxifahrern, Schönheitsideale von Hühnern - und last but not least: die Entdeckung von Murphy's Law.  
Wie zerrt man ein Schaf zum Scheren?
Wie viel Kraft braucht man, um ein Schaf zu ziehen? Wie hängt die Anstrengung von der Beschaffenheit des Bodens ab? Und ist es bergab wirklich leichter als bergauf? Eine neunseitige Untersuchung, die im vergangenen Jahr (natürlich) von einem australischen Wissenschaftler in der Fachzeitschrift "Applied Ergonomics" veröffentlicht wurde, kam am Donnerstag zu ganz besonderen Ehren: Ihr Autor John Culvenor aus Victoria in Australien erhielt dafür in Cambridge im US-Bundesstaat Massachusetts den Ig Nobel-Preis für Physik.
... eine Frage der Ergonomie
Schafe scheren ist eine mühevolle Tätigkeit und durchaus ein lohnendes Gebiet für Ergonomen, das zeigte die Untersuchung. Bis zu 15 Prozent Unterschiede im Kraftaufwand bedeutet es, je nachdem, ob der Boden der Scherhütte aus einem Stahlgitter, gelochten Kunststoffplatten oder einfachen Balken besteht, fand Culvenor.

Das beste Ergebnis brachte ein einfacher Holzboden mit Balken, die parallel zur Ziehrichtung der Schafe angelegt waren, mit einem leichten Gefälle von 10 Prozent. Australische Schaffarmer werden von diesen Forschungen profitieren.
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Die Studie von Culvenor und Kollegen ist unter dem Titel "An analysis of the forces required to drag sheep over various surfaces" in "Applied Ergonomics" (Bd. 33, Nr. 6, S. 523, November 2002) erschienen.
->   Original-Abstract
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Ig Nobel-Preise: Abwegig, aber ernsthaft
Der Preis ist typisch für die Ig Nobel-Preise, die seit 13 Jahren von einer Jury der Zeitschrift "Annals of Improbable Research" an der amerikanischen Harvard-Universität verliehen werden. Ihr Ziel: Forschungen auszuzeichnen, die erst zum Lachen, dann zum Denken anregen.

Der Name verbindet natürlich die so noblen Nobel-Preise mit dem englischen Wort "ignoble", das mit schändlich oder unwürdig nur durchaus unwürdig zu übersetzen ist. Immer wieder werden Forscher ausgezeichnet, deren auf den ersten Blick abwegig erscheinende Untersuchungen ganz ernsthafte Hintergründe haben.
->   Ig Nobel
Hippocampus von Taxifahrern ist anders
So etwa der diesjährige Medizin-Preis, vor drei Jahren veröffentlicht in den amerikanischen "Proceedings of the National Academy of Sciences" (PNAS). Er zeigte, dass die Bereiche im Gehirn, die für die räumliche Orientierung verantwortlich sind, bei Londoner Taxifahrern deutlich besser entwickelt sind als beim Rest der Bevölkerung. Die Untersuchung zeigt wichtige Aspekte der Hinforschung auf.

Und so nehmen es die meisten Forscher auch überhaupt nicht übel, einen Ig Nobel-Preis zu bekommen. Sowohl die Hirnforscherin Eleanor Maguire als auch der australische Schafexperte John Culvenor kamen persönlich nach Cambridge, um sich ihren Preis abzuholen.
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Die Studie von Eleanor Maguire und Kollegen ist unter dem Titel "Navigation-related structural change in the hippocampi of taxi drivers" in den PNAS (Bd. 97, S. 4398, Ausgabe vom 11. April 2000) erschienen.
->   Original-Abstract
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Literaturpreis an Baseballkappen-Träger-Forscher
Sie waren in guter Gesellschaft. Im seit Wochen ausverkauften historischen Sanders-Theater wurden die Preise von echten Nobelpreisträgern verliehen, wie etwa Wolfgang Ketterle, dem Physik- Preisträger des Jahres 2001. Auch die Anwesenheit aller anderen Ig Nobel-Preisträger, die ihre jeweiligen Erkenntnisse in Kurzvorträgen erklärten, war sicherlich ein Erlebnis.

Der diesjährige Literaturpreisträger John Trinkaus aus New York City konnte nur einen kleinen Teil seiner mehr als 80 Publikationen vorstellen, bei denen es um so interessante Probleme ging wie um dieses, nämlich welcher Anteil von Baseballkappen-Trägern die Kappe nach vorn oder hinten stellt.
->   Mehr über die Arbeiten von John Trinkaus (Ig Nobel)
Schönheitsideale von Hühnern
Stefano Ghirlanda aus Stockholm (Preis für interdisziplinäre Forschung) berichtete darüber, dass Hühner Menschen nach den gleichen Schönheitsidealen betrachten wie diese sich selbst. Yukio Hirose (Chemie) erklärte die Forschungen an einer Bronzestatue in seiner Heimatstadt Kanazawa (Japan), die auffallend von Tauben gemieden wird.
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Die Studie von Stefano Ghirlanda und seinem Team ist unter dem Titel "Chickens Prefer Beautiful Humans" in "Human Nature" (Bd. 13, Nr. 3, S. 383, 2002) erschienen.
->   Original-Abstract
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Friedenspreis für tot erklärten Lebenden
Ein besonderer Preis ist in jedem Jahr der für Frieden, ganz wie bei den echten Nobelpreisen. Er ging an Lal Bihari aus Indien für seinen jahrelangen Kampf gegen die Behörden, um zu erreichen, dass er offiziell wieder zu den Lebenden gerechnet wurde.

Wie sehr viele Leidensgenossen in Indien war er von raffgierigen Verwandten für tot erklärt und bereits beerbt worden. Bihari gründete daraufhin die Vereinigung der Toten, die mittlerweile viele tausende Mitglieder hat. Der Preis wurde von seinem Landsmann Madhu Kapoor entgegengenommen.
->   Mehr über Lal Bihari (Time Magazine)
... Murphy's Law ebenfalls geehrt
Ein Preis schließlich war längst überfällig: Die Ehrung im Fachgebiet Ingenieurwissenschaften ging an John Paul Stapp, George Nichols und Edward E. Murphy. Schon im Jahr 1949 formulierten sie ein Gesetz, das unter dem Namen "Murphy's Law" zumindest in der Fachwelt weltberühmt wurde.

Hier die wenig bekannte Urfassung: Gibt es zwei oder mehr Wege etwas zu tun und einer davon führt zur Katastrophe, so wird jemand diesen Weg wählen. Die Alltagsfassung gehört heute fast zum Allgemeingut: Wenn etwas schief gehen kann, dann tut es das auch.

Von Harald Michaelis/dpa
science.ORF.at
->   Mehr über Murphy's Law (Ig Nobel)
->   Alles über die Nobel-Preise in science.ORF.at
 
 
 
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01.01.2010