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Wirtschafts-Nobelpreise 2003 für Zeitreihen-Forschung  
  Der Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften geht 2003 an den amerikanischen Ökonomen Robert F. Engle von der New York University und den Briten Clive W. J. Granger von der University of California in San Diego. Sie erhalten den Preis - umgerechnet 1,1 Millionen Euro - zu gleichen Teilen für ihre Forschungen zur Analyse ökonomischer Zeitreihen.  
Engle wurde "für Methoden zur Analyse ökonomischer Zeitreihen mit zeitlich variabler Volatilität (ARCH)¿ ausgezeichnet, Granger "für Methoden zur Analyse ökonomischer Zeitreihen mit gemeinsam veränderlichen Trends (Kointegration)".

Das verkündete die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften am Mittwochnachmittag in Stockholm.
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Kein klassischer Nobelpreis
Der Wirtschaftsnobelpreis - eigentlich "Nobel-Gedenkpreis für Wirtschaftswissenschaft" - gehört nicht zu den "klassischen Nobelpreisen": Er wird seit 1969 als eine von der Schwedischen Reichsbank gestiftete Ehrung für Wirtschaft vergeben.
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Statistische Methoden für ökonomische Zeitreihen
Wirtschaftswissenschaftler verwenden zur Abschätzung von Zusammenhängen und zur empirischen Überprüfung von Hypothesen, die aus wirtschaftswissenschaftlicher Theorie gewonnen wurden, so genannte Zeitreihen.

Zeitreihen sind chronologische Reihenfolgen von Daten, die die Entwicklung von z.B. Bruttoinlandsprodukt (BIP), Preisen, Zinssätzen oder Aktienkursen zeigen. Die diesjährigen Preisträger entwickelten in den 1980er Jahren neue statistische Methoden zum besseren Umgang mit zwei zentralen Eigenschaften vieler Zeitreihen: zeitlich veränderliche Volatilität und Nichtstationarität.
Volatilität: Schwankungen auf den Finanzmärkten
Auf Finanzmärkten haben zufällige Schwankungen über die Zeit - Volatilität - große Bedeutung, weil der Wert von Aktien, Optionen und anderen Wertpapieren auf diesem Risiko beruht. Die Schwankungen können im Lauf der Zeit stark variieren - ruhige Perioden mit kleinen Schwankungen lösen turbulentere Perioden mit größeren Fluktuationen ab.

Obwohl sich also die Volatilität über die Zeit verändert, arbeiteten die Wirtschaftswissenschaftler wegen des Fehlens einer Alternative lange mit statistischen Methoden, die eine konstante Volatilität voraussetzen. Deshalb wurde die von Robert Engle gemachte Entdeckung ein großer Durchbruch.
"ARCH": Ein gutes Modell der Risikobewertung

Robert Engle
Er fand, dass der Begriff autoregressive bedingte Heteroskedastizität (ARCH) gut die Eigenschaften vieler Zeitreihen einfängt und er entwickelte Methoden, die es ermöglichen, zeitlich variierende Volatilität zu modellieren.

Seine so genannten ARCH-Modelle sind unverzichtbare Werkzeuge geworden, nicht nur unter Forschern, sondern auch unter Finanzanalysten, die sie unter anderem zur Risikobewertung verwenden.
->   Mehr über ARCH-Modelle
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Robert F. Engle, geboren 1942 in Syracuse/USA, ist Michael Armellino Professor für Management von Finanzdienstleistungen an der New York University.
->   Robert Engle
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Störungen im BIP: Nicht-stationäre Zeitreihen, ...
Die meisten makroökonomischen Variablen wachsen einem unsystematischen Trend folgend, so dass zufällige Störungen, z.B. bezüglich des Bruttoinlandprodukts (BIP), auf lange Sicht erhalten bleiben. Derartige Zeitreihen werden nicht-stationär genannt. Sie unterscheiden sich von stationären Zeitreihen, die nicht mit der Zeit wachsen, sondern sich um einen vorgegebenen Wert herum bewegen.
... die dennoch statistisch behandelbar sind
Clive Granger zeigte früh, dass statistische Methoden für stationäre Zeitreihen bei nicht-stationären Daten völlig fehlleitende Schlussfolgerungen ergeben können. Seine große Entdeckung war, dass spezifische Kombinationen von nicht-stationären Zeitreihen stationär auftreten können und somit statistische Schlussfolgerungen zulassen. Granger nannte dieses Phänomen Kointegration.
Anwendungsbeispiele

Clive Granger
Er entwickelte Methoden, die sich als besonders wichtig in Systemen zeigten, in denen die kurzfristige Dynamik von großen unsystematischen Störungen beeinflusst wird, während gleichzeitig die langfristigen Variationen durch ökonomische Gleichgewichtsbeziehungen beschränkt werden. Beispiele hierfür sind der Zusammenhang zwischen Vermögen und Konsum, Wechselkursen und Preisniveau oder kurzfristigen und langfristigen Zinssätzen.
->   Mehr über Kointegration (Uni Zürich)
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Clive W. J. Granger, geboren 1934 in Swansea/Großbritannien ist emeritierter Professor für Wirtschaftswissenschaften an der University of California in San Diego (USA).
->   Clive W. J. Granger
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Friedens-Nobelpreis steht noch aus
Mit der Bekanntgabe des Wirtschaftsnobel-Preises ist der Reigen der Auszeichnungen diese Woche allerdings noch nicht vorüber: Am Freitag folgt abschließend die Bekanntgabe des Friedens-Nobelpreises des Jahres 2003.
->   Die Nobelstiftung
Die Nobelpreisträger 2003 in science.ORF.at:
->   Chemie-Nobelpreis für Arbeiten zu "Wasser- und Ionenkanälen"
->   Physik-Nobelpreis für Forschungen zu Supraleitern
->   Medizin-Nobelpreis für "Magnetresonanz-Abbildung"
->   Literaturnobelpreis an John M. Coetzee (kultur.ORF.at)
 
 
 
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01.01.2010