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Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Kosmos 
 
Das Universum gleicht einem Fußball - oder doch nicht?  
  Das Weltall hat nach Berechnungen eines französisch-amerikanischen Astronomenteams die Form eines überdimensionalen Fußballs. Diese Struktur passe am besten zu den jüngsten Satelliten-Beobachtungen des Urknall-Echos, schreiben die Forscher in einer aktuellen Publikation. Das letzte Wort scheint in diesem Zusammenhang allerdings noch nicht gesprochen: Andere Wissenschaftler ziehen aus dem selben Datensatz nämlich eine ganz gegenteilige Schlussfolgerung.  
Ihrer Meinung zufolge ist das Universum nicht klein und endlich, sondern vielmehr sehr groß oder gar unendlich. So steht nun Aussage gegen Aussage, nachzulesen in den aktuellen Ausgaben der Wissenschaftsmagazine "Nature" und "New Scientist".
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Die Studie "Dodecahedral space topology as an explanation for weak wide-angle temperature correlations in the cosmic microwave background" von Jean-Pierre Luminet, Jeffrey R. Weeks und Kollegen erschien im aktuellen Heft des Magazins "Nature" (Band 425, S.593-5, Ausgabe vom 9.10.3).

Zudem erschien im selben Heft ein begleitender Kommentar von George F. R. Ellis mit dem Titel "The shape of the Universe" (S.566-7).
->   Zum Original-Abstract der Studie (kostenpflichtig)
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Schon die alten Griechen ...
Das Thema hat durchaus Tradition: Schon die alten Griechen spekulierten eifrig über die Frage, ob das Universum nun endlich oder doch unendlich sei. Aristoteles ging etwa von einem sphärischen, endlichen Universum aus, in dessen Mittelpunkt die Erde liegen sollte.

Was die Stellung der Erde betrifft, lag der antike Denker bekanntlich falsch. In Bezug auf die Endlichkeit dieser Welt erhält er jedoch neuerdings Schützenhilfe.
->   Das Universum von Aristoteles und Ptolemäus (Uni München)
Das Universum als gigantischer Fußball
Bild: Nature
Wie der amerikanische Mathematiker Jeffrey Weeks und seine französischen Kollegen in "Nature" berichten, gleicht das Universum einem Fußball.

Oder, um es akademischer zu formulieren: Es hat die Form eines Dodekaeders, der zusammen mit angelagerten Kopien seiner selbst eine so genannte Hypersphäre bildet.

Abgesehen von der Tatsache, dass eine anschauliche Vorstellung dieser topologischen Hypothese wohl zu gedanklichen Verknotungen führt, lässt sich daraus zumindest folgende konkrete Aussage ableiten:

Der Kosmos wäre demnach endlich und hätte den überraschend kleinen Durchmesser von rund 70 Milliarden Lichtjahren.
Urknall-Echo liefert Daten
Bild: NASA
Weeks und Kollegen stützen ihr Modell auf Daten des NASA-Satelliten WMAP, der seit Sommer 2001 das "Echo" des Urknalls beobachtet.

In dieser allgegenwärtigen kosmischen Hintergrundstrahlung fahndet der Satellit nach winzigen Temperaturschwankungen.

Dabei stellte sich heraus, dass sehr großräumige derartige Schwankungen viel schwächer sind, als bei einem unendlich großen Universum zu erwarten wären.

Bild rechts: Die Fluktuationen der Hintergrundstrahlung aus Sicht von WMAP.
->   WMAP-Satellit der NASA
Nicht genug Platz für große Schwankungen
Möglicherweise sei im Kosmos einfach nicht genug Platz für die sehr großräumigen Schwankungen, meinen die Forscher:

"Genau so, wie die Schwingungen in einer Glocke nicht größer sein können, als die Glocke selbst, können auch die Fluktuationen im Raum nicht größer sein als der Raum selbst", erklärt Weeks gegenüber der Zeitschrift "New Scientist".
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Der Artikel "Does the universe go on forever?" von Hazel Miur erscheint im aktuellen Heft der Zeitschrift "New Scientist " (Ausgabe vom 11.10. 2003).
->   New Scientist
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Der Kosmos als gigantisches Pacman-Spiel?
Da der überdimensionale Fußball allerdings auf bizarre Weise an seinen Außenflächen mit sich selbst verknüpft wäre, würde das Weltall dennoch grenzenlos erscheinen:

Lichtstrahlen und Raumschiffe, die durch eine Grenzfläche hindurchfliegen, würden sofort durch die gegenüberliegende Fläche wieder in das Gebilde hineinkommen. Oder - um einen Vergleich aus der Unterhaltungselektronik zu strapazieren:

Das Universum verhält sich gemäß der kosmologischen Fußball-Hypothese ähnlich wie die Spielfläche des legendären Computerspiels "Pacman", bei dem die Spielfiguren den Bildschirm auf der einen Seite verlassen können um sogleich auf der gegenüberliegenden Seite wieder zum Vorschein zu kommen.
Strahlungsmuster gesucht - aber nicht gefunden
Allerdings sollten in einem solchen mit sich selbst verknüpften Fußball-Universum bestimmte zyklische Muster in der Hintergrundstrahlung zu sehen sein, die bei der Suche durch andere Gruppen bisher nicht gefunden wurden.

Wie der Astrophysiker David Spergel von der Princeton University gegenüber "New Scientist" ausführt, gibt es auch eine andere Möglichkeit, die Fußball-Hypothese zu überprüfen.
Materiedichte bestimmt Raumkrümmung
Und zwar mittels der Materiedichte, die wiederum die Krümmung des Universums bestimmt. Ein vollkommen flacher (d.h. ungekrümmter) Raum ergäbe den Messwert 1, die Dodekaeder-Theore sagt hingegen einen Wert von 1,013 voraus.

Aktuelle Messungen der Hintergrundstrahlung weisen darauf hin, dass der Wert zwischen 1 und 1,04 liege - aber auch hier ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Weitere Messungen durch den Satelliten WMAP sollen in Zukunft Klarheit bringen.
->   Mehr zu Materiedichte und Raumkrümmung (Uni Bonn)
Mögliche Universen: Fußball, Donut ...
Spergels Kollege Neil Cornish von der Montana University vertritt indes eine eher pessimistische Meinung: Seinen Angaben zufolge hat die Arbeitsgruppe bereits mehr als die Hälfte aller Modelle für ein "kleines" Universum überprüft - solche mit Fußball-Topologien oder etwa auch solche mit "Donut"-Formen. Das Ergebnis war bis dato allerdings immer negativ.
... oder doch unendlich?
Cornishs Schlussfolgerung: "Wir sind enttäuscht, da wir die Idee des kleinen Universums bevorzugt haben. Aber ich denke, wir müssen mit dem Universum vorlieb nehmen, das uns gegeben ist." Soll heißen: Wenn das Universum doch nicht klein und begrenzt ist, dann ist es entweder sehr groß oder unendlich.
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at
->   Bestätigung: Universum dehnt sich immer schneller aus (17.9.03)
->   Der "Survival Guide" für Schwarze Löcher (4.9.03)
->   Die "Grenzen des Universums" - existieren nicht (11.8.03)
->   Alles zum Stichwort Universum im science.ORF.at-Archiv
 
 
 
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01.01.2010