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Spiel- und Internetsucht: 250.000 Österreicher betroffen  
  Mindestschätzungen gehen davon aus, dass etwa drei Prozent der Österreicher der Spiel- und Internetsucht verfallen sind - die Dunkelziffer dürfte um einiges höher sein.  
Scheinwelten und Realität
"Spielen ist menschlich, macht Spaß oder sogar glücklich" - mit dem Gehalt dieses Satzes arbeiten viele Werbeslogans der Glücksspielanbieter. Bilder, die an das Casino in Monte Carlo erinnern und eine heitere Champagnerlaune verbreiten, sind häufig verwendetet Sujets.

Die Realität der süchtigen Spieler, bzw. der Internet-Süchtigen sieht völlig anders aus. In den Spiel- oder Online-Pausen sind es Scham, Versagensgefühle, zunehmende Isolation, Familientragödien usw., die das Leben eines süchtigen Spielers oder Netz-Surfers bestimmen.
Bittere Konsequenzen
Der soziale Abstieg und auch körperliche Schäden sind häufig weitere Konsequenzen. Depressionen, erhöhte Suizidrate, zusätzliche Alkoholproblematik etc. betreffen viele Spielsüchtige. Chronische Übermüdung, Schäden an den Augen und am Bewegungsapparat können bei Internetsüchtigen auftreten.
->   Mehr zum Thema Internetsucht (fm4.ORF.at)
Eine Sucht euphorisierender als Kokain
Wissenschaftlich wird zwischen substanzgebundenen Süchten, z.B. der Abhängigkeit von Substanzen wie Alkohol, Heroin, Nikotin, etc. und substanzungebundenen Süchten, also z.B. der Spiel-, Sex-, Sammelsucht oder auch Essstörungen unterschieden.

Der Experte Peter Berger,Facharzt für Psychiatrie am AKH Wien: "Eine Besonderheit der Spielsucht ist, dass manche Betroffene das Prickeln, den Kick beim Spielen fast noch stärker erleben, als dies von Kokainsüchtigen beschrieben wird."
Zunehmender Wirklichkeitsverlust
"Typisch für Spielsüchtige sind", so Berger, "die Missinterpretationen der Wirklichkeit. Viele Spielsüchtige sagen: 'Ich habe gerade eine Pechsträhne, beim nächsten Einsatz beginnt meine Glückssträhne. Dann gewinne ich alles zurück.' Somit setzt sich der Gedanke fest, man müsse Verlorenes zurückgewinnen. Dadurch wird Stress immer höher, der dann die Einengung auf das Spiel begünstigt. Die Betroffenen spielen zunehmend alleine. Das Spiel wird zum Mittelpunkt des Denkens und des Lebens. Arbeit und Familie werden vernachlässigt. Hat man sich von Freunden Geld ausgeborgt und kann man es nicht mehr zurückzahlen, so meidet man auch diese. Die Isolation wird immer größer. Es gibt viele Teufelskreise und Vorhöfe der Hölle für Spielsüchtige."
->   Fragebogen: Sind Sie gefährdet?
Der Einstieg in die Spielsucht
Immer mehr junge Menschen - auch bereits 12- bis 14-Jährige, erliegen der Spielsucht. Allerdings kann das Suchtverhalten auch erst im Erwachsenenalter erstmals auftreten.

Der Spielsuchtspezialist Berger: "Es gibt viele mögliche Auslöser und Begleitumstände. Natürlich ziehen in jedem Land jene Spielangebote, die leicht zugänglich sind, die Mehrzahl der Süchtigen in ihren Bann. Hierzulande sind es z.B. Spielautomaten, Casinos, Lotto etc., in England sind es traditionell eher die Wettbüros, die übrigens auch in Österreich eine immer größere Rolle spielen."
Das Suchtmodell
Spezialisten gehen von jenem Suchtmodell aus, dass durch die drei Pole Mensch-Droge-Umwelt bestimmt wird.

Der Psychiater Berger erklärt: "Ob sich eine Sucht entwickelt, hängt davon ab, wie eine bestimmte Person durch das Spannungsfeld persönliche Eigenschaften, Spezifika der Droge und bestimmende Umweltfaktoren beeinflusst wird. Nicht jeder Mensch, der ein Casino besucht, wird süchtig, nicht jeder User eines Internet-Chat-Angebotes wird davon abhängig."
Wo ist Hilfe zu finden?
Der erste und wichtigste Schritt für den Süchtigen ist, sich der Wahrheit zu stellen und Beratung in Anspruch zu nehmen. Seit mehr als 20 Jahren gibt es den Verein der Anonymen Spieler in Österreich. Der Verein versteht sich als Beratungsstelle und Therapiezentrum für Glücksspielabhängige und deren Angehörige.

Die Therapie verläuft individuell abgestimmt in Einzel- oder Gruppenstunden. Natürlich können auch die Angehörigen in die Betreuung einbezogen werden. Neben der psychischen Hilfe sind es vor allem die praktischen Hilfestellungen, wie Schuldnerberatung und Geldmanagement, die zumeist im Vordergrund stehen.

Christoph Leprich, Ö1 Radiodoktor
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Sie erreichen den Verein der Anonymen Spieler telefonisch unter: 01/ 544 13 57.
Dort erhalten Sie auch eine umfangreiche Liste über Hilfsangebote in allen Bundesländern.
->   Verein der Anonymen Spieler
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->   Zum Thema Internetsucht (Gesundheitsinformationsnetz)
->   Internetsucht (deutschsprachige Studienergebnisse)
->   Deutsches Selbsthilfeforum I (mit vielen Bekenntnissen Betroffener)
->   Deutsches Selbsthilfeforum II
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Eine kostenlose Infomappe zur Sendung vom 13.10.03 kann bestellt werden unter: ORF Redaktion Radiodoktor, Postfach 1000, Kennwort: Spiel- und Internetsucht, 1040 Wien oder per E-Mail.
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01.01.2010