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Der Mensch wurde schnell zum Fleischesser  
  Im Rahmen der so genannten neolithischen Revolution wurde der Mensch einst sesshaft - und ging zu Ackerbau und Viehzucht über. Dabei hat sich auch der Speiseplan deutlich geändert. Wie lange diese Umstellung allerdings gedauert hat, war bei den Experten bislang umstritten. Nun wollen britische Forscher das Problem geklärt haben: Die Ernährungsgewohnheiten - zumindest der damaligen Bewohner des heutigen Großbritanniens - änderten sich demnach geradezu schlagartig.  
Die Wissenschaftler um Michael P. Richards vom Institut für Archäologie der Universität Bradford haben mithilfe von Isotopenuntersuchungen an Knochenresten untersucht, wann und vor allem wie schnell der Mensch auf Fleisch und Ackerbauprodukte umgestiegen ist.
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Der Artikel "Archaeology: Sharp shift in diet at onset of Neolithic" von Michael P. Richards, Rick J. Schulting und Robert E. M. Hedges ist in dem Fachmagazin "Nature", Bd. 425, Seite 366, vom 25. September 2003 erschienen (doi:10.1038/425366a).
->   Abstract des Artikels in "Nature"
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Der Übergang zum sesshaften Leben
Die Bewohner der westlichen Industrieländer essen häufig viel zu viel Fett - von Landtieren. Dabei gehört Fisch eigentlich zu den ältesten Protein-Lieferanten des Homo sapiens. In den Küstengebieten etwa stand Fisch zumindest bis zur so genannten neolithischen Revolution täglich auf dem Speiseplan.

Jener allmähliche Übergang von der mittleren Steinzeit (Mesolithikum) zur Jungsteinzeit (Neolithikum) in Mitteleuropa vor rund 7.600 Jahren stellte einen drastischen Einschnitt in der Lebensweise der Menschen dar: Vom Dasein als Jäger und Sammler gingen sie über zu einer sesshaften Lebensweise als Ackerbauern und Viehzüchter.
->   Informationen zum Neolithikum (Universität Leipzig)
->   Informationen zum Mesolithikum (Universität Leipzig)
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Die neolithische Revolution
Der Terminus "neolithische Revolution" wurde von dem englischen Wissenschaftler Gordon Childe geprägt und bezeichnet den Übergang vom Jäger-und-Sammler-Dasein zu Ackerbau und Viehzucht. Eine genaue räumliche und zeitliche Eingrenzung ist allerdings problematisch, denn jene Umstellung hängt eng mit den sich ändernden klimatischen Bedingungen (drastische Erwärmung, Gletscherschmelze) gegen Ende der letzten Eiszeit zusammen.

Landwirtschaft und Viehzucht begannen vor etwa 10.000 Jahren im so genannten "Fruchtbaren Halbmond", dem Euphrat-Tigris-Gebiet im Vorderen Orient. Von dort ausgehend gelangte die neue Lebensweise nach und nach auch nach Süd- und Mitteleuropa (um 5.600 v. Chr.). Die britischen Inseln erreichte sie allerdings erst relativ spät - vor etwa 5.200 Jahren).
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Langsamer Umstieg auf "neue" Nahrung?
Wie schnell der Mensch allerdings insgesamt auf Fleisch und Ackerbauprodukte umstieg, hat nun das britische Wissenschaftlerteam untersucht. Denn bislang war die Antwort auf diese Frage umstritten, viele Forscher etwa meinten, der Menüplan unserer Vorfahren habe sich nur sehr langsam angepasst - im Rahmen eines Zeitraums von rund 1.000 Jahren.
Untersuchung von Knochenresten
Um die Ernährungsgewohnheiten der damaligen Bewohner der britischen Inseln festzustellen, verwendeten die Forscher so genannte Isotopenuntersuchungen von Knochenresten. Damit lässt sich feststellen, wie alt bestimmte Relikte sind bzw. welche Nahrung jene Menschen einst hauptsächlich zu sich nahmen.

Die jüngeren der untersuchten Funde stammten klar aus dem frühen Neolithikum, die älteren aus dem Mesolithikum. Verglichen wurden auch die Funde aus den Bereichen vom Meer bis zehn Kilometer ins Landesinnere und jenen aus meeresferneren Regionen.
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Kohlenstoff-Isotopen-Messungen in der Archäologie
Kohlenstoff-Isotopen-Messungen werden seit langem zur Altersbestimmungen von organischen Relikten verwendet. Die Verteilung der unterschiedlichen C-Isotopen im Knochen von Menschen und Tieren gibt Hinweise auf die Nahrung. So unterscheiden sich die Kohlenstoffisotope von Pflanzen und Landtieren deutliche von jenen, die aus den Fischen stammen.

Genau diese Merkmale nutzten die britischen Wissenschaftler: Sie untersuchten mit der Methode 164 Knochenproben aus einem Zeitraum vor 5.200 bis 4.500 Jahren und verglichen sie mit den Daten von 19 Proben aus einer Zeitperiode von vor 9.000 bis 5.200 Jahren.
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Rapide Umstellung im Landesinneren und an Küste
Das Ergebnis der Forscher: Die Umstellung der Speisepläne erfolgte erstaunlich rapide. Und zwar nicht nur im Landesinneren, sondern auch an der Küste stiegen die Menschen offenbar sehr schnell auf Fleisch um.

"Wir haben Zeichen eines schnellen und kompletten Umstiegs von einer 'marinen' auf eine 'terrestrische' Ernährung festgestellt. Das erfolgte offenbar sowohl bei den Menschen, die an der Küste wohnten, als auch bei jenen, die im Landesinneren siedelten", schreiben die Forscher in "Nature".
Neuer Lebensstil attraktiver als Fischfang?
Die Wissenschaftler versuchen sich auch an einer Erklärung jender einschneidenden Ernährungsänderung: "Die Attraktion, die von dem neuen agrarischen Lebensstil ausging, muss offenbar so stark gewesen sein, dass sie auch die Küstenbewohner dazu bewog, ihren bis dahin erfolgreichen Fischfang aufzugeben."

Nutzpflanzen und Viehzucht ersetzten wohl den wahrscheinlich im Ertrag mit größerer Unsicherheit behaftete Fischfang. Dies dürfte nicht nur auf den britischen Inseln so gewesen sein. Laut den Fachleuten liegen ähnliche Ergebnisse auch schon aus Dänemark vor.
->   Department of Archaeological Sciences der University of Bradford
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at:
->   Erste Homo-Spezies aß bereits Fleisch (4.9.03)
->   Bauern des mittleren Ostens "zivilisierten" Europa (6.8.02)
 
 
 
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01.01.2010