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Geheimnis der Mumien: Zedernholz-Extrakt statt Wacholder  
  Die alten Ägypter haben bis heute noch so manches Geheimnis bewahrt - bislang etwa galt als sicher, dass Wacholderextrakte für die Mumifizierung ihrer Toten diente. Doch neue Analysen von Überresten einer Einbalsamierungssubstanz deuten jetzt darauf hin, dass es sich vielmehr um eine Art Öl bzw. Teer aus Zedernholz handelte. Die Verwirrung ist allerdings verständlich, denn beide Pflanzen wurden offenbar schon im Altertum gerne verwechselt.  
Ein Forscherteam um Ulrich Weser vom Physiologisch-Chemischen Institut der Universität Tübingen hat bei einer ägyptischen Mumie entdeckte Reste von Einbalsamierungsmaterial einer chemischen Analyse unterzogen. Ihre Ergebnisse haben die Wissenschaftler im Fachmagazin "Nature" publiziert.
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Die Studie "Ancient materials: Analysis of a pharaonic embalming tar" ist erschienen in "Nature", Bd. 425, Seite 784, vom 23. Oktober 2003.
->   Das Abstract zur Studie in "Nature"
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Berichte bei Herodot und Plinius
Schon vor rund 2.500 Jahren hat die Menschen die Frage beschäftigt, wie die Ägypter ihre Mumien hergestellt haben.

Beschreibungen darüber finden sich bei etwa bei dem griechischen Geschichtsschreiben Herodot (490 - 425 v. Chr.), oder auch bei seinem römischen "Kollegen" Plinius dem Älteren (23/24 - 79 n. Chr.). Beide berichten von Ölen, bezeichnet als kedros bzw. cedrium. Der griechische Begriff aber steht für Wacholder ebenso wie für die Zeder.
Wacholder oder Zedern als Basis?
Von den Wissenschaftlern sei später argumentiert worden, dass die Einbalsamierungssubstanzen aus Wacholdersträuchern destilliert wurden und nicht aus Zedernholz, schreibt das Forscherteam in "Nature".

Der Grund: Manche Mumien hielten tatsächlich Wacholderbeeren in den Händen. Eine Argumentation, die sich unter Ägyptologen weitgehend durchgesetzt habe, so die Wissenschaftler weiter - "aber die nie durch chemische Analysen bewiesen wurde.
Gaschromatograph lüftet das Geheimnis
Das deutsche Forscherteam machte sich also auf, das Geheimnis der Mumien mit modernster Technik zu überprüfen. Hilfsmittel war ein so genannter Gaschromatograph, mit dem sich die einzelnen Bestandteile einer Substanzen bestimmen lassen.

Als Probe dienten Reste von Einbalsamierungsmaterial, das neben einer rund 3.500 Jahre alten Mumie aus dem ägyptischen Deir el-Bahari gefunden wurde.
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Mumifizierung im alten Ägypten: Weiterleben im Jenseits
Die Ägypter mumifizierten ihre Toten in dem Glauben, dies würde ihnen das Weiterleben im Jenseits ermöglichen. Die Körper wurden durch Austrocknungsverfahren, Einbalsamierung mit Ölen, Harzen und Kräutern sowie Umhüllung mit Binden haltbar gemacht. Zuvor wurden Gehirn und Eingeweide der Toten entfernt. In Ägypten ist diese Sitte seit dem 3. Jahrtausend vor Christus bekannt. Der Brauch findet sich allerdings auch in anderen Weltregionen: So wurden etwa in Australien und im Sudan die Körper der Verstorbenen am Feuer gleichsam gedörrt.
->   Mehr zur Mumifizierung (www.hu-berlin.de)
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Komponenten aus Zedernöl nachgewiesen
Das Ergebnis der chemischen Analyse: Es fanden sich eindeutig Komponenten, die normalerweise im so genannten Zedernöl enthalten sind - gewonnen aus Holz von Cedrus atlantica.

Die Forscher fanden Sesquiterpenoide, Junipen, Cadalen, Calamen, Cuparen und alpha-Curcumen. Diese Kombination von Inhaltsstoffen weist darauf hin, dass der Teer mit großer Wahrscheinlichkeit aus Zedern und nicht aus Wacholder hergestellt worden ist.

Vor allem ein Inhaltsstoff (Guajakol) weist demnach auch bemerkenswerte Konservierungseigenschaften auf.
"Unglückliche Tradition der Verwechslung"
Die Technik der Öl- oder Harzgewinnung zur Einbalsamierung wird schon bei Plinius dem Älteren recht genau beschrieben, sowohl er als auch Herodot berichten in ihren Schriften darüber:

"Das Holz des Baumes wird zerhackt und in Öfen [...] erhitzt. Die erste Flüssigkeit, die austritt, fließt wie Wasser ein Rohr hinab [...] und sie ist so stark, dass sie in Ägypten für die Einbalsamierung der Körper der Toten verwendet wird", heißt es bei Plinius. Und auch Herodot schreibt von der Anwendung eines flüssigen kedros-Produktes.

Trotz jener Beschreibungen galt dennoch der Wacholderstrauch als Lieferant des Mumien-Extrakts. Die Verwirrung kommt allerdings nicht von ungefähr, wie die Forscher in ihrem Artikel ausführen: Es gebe eine unglückliche Tradition der Verwechslung von Zedernbäumen und Wacholdersträuchern. Im Griechischen steht kedros demnach für Zeder und Wacholder gleichermaßen.
Auch heute noch terminologische "Unklarheiten"
Und selbst in der heute verwendeten Fachterminologie - wie schon im Altertum - werden demnach einige Wacholderarten als Zedern bezeichnet: die amerikanische Rote Zeder etwa (Juniperus virginiana) oder auch die im Mittelmeerraum verbreitete "Kleine Zeder" (Juniperus oxycedrus).

Doch die Forscher sind sich - zumindest im Fall der von ihnen untersuchten Substanz - ganz sicher: Öle oder Harze aus Wacholderöl müssten demnach hohe Konzentrationen an bestimmten Substanzen aufweisen, die sich in der analysierten Probe aber nicht nachweisen ließen.

Jene nicht aufgespürten Wacholder-Wirkstoffe heißen im Übrigen - um die Verwirrung komplett zu machen - Cedrol oder Cedren.
->   Die virtuelle Mumie (Universität Hamburg)
->   Infos, Anekdoten und Skurriles über Mumien (private Homepage)
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at:
->   Bienenwachs und Harz hielten Mumien frisch (25.10.01)
->   Geheimnis der Mumien gelüftet (25.7.01)
->   Alles zum Stichwort Mumie im science.ORF.at-Archiv
 
 
 
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01.01.2010