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"Live" beobachtet: Wie sich Zellmembranen verformen  
  Jede Zelle, Grundeinheit des Lebens, wird sackartig von der Zellmembran umhüllt. Diese Membran besitzt die Fähigkeit ihre Form zu verändern. Welche Mechanismen dabei im Spiel sind, konnte bisher nur in theoretischen Modellen analysiert werden. Jetzt ist es erstmals gelungen, den Umformungsprozess einer Membran "live" zu beobachten und sichtbar zu machen.  
"Die Kräfte, die bei der Gestaltänderung der Membran zum Tragen kommen, ähneln jenen, die ein Unterhaltungskünstler anwendet, wenn er aus langen Luftballonwürsten die verschiedensten Tiere und Figuren formt", erklärt der Leiter des Wissenschaftlerteams Watt W. Webb.

Die Ergebnisse ihrer Arbeit sollen das Verständnis der Funktionen von Zellmembranen und ihrer Bedeutung für die Immunabwehr und die menschliche Gesundheit erhöhen. Veröffentlicht wurde die Studie in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins "Nature".
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Der Artikel in Nature: " Imaging coexisting fluid domains in biomembrane models coupling curvature and line tension" (Bd. 425, Seiten 821-824, vom 23. Oktober 2003).
->   Der Originalartikel in "Nature" (kostenpflichtig)
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Nachgebaute Zellmembran
Zellmembranen sind komplexe Gebilde, die aus einer Mischung von Lipiden, Proteinen und Fremdstoffen bestehen.

Für ihre Untersuchungen schufen die Wissenschaftler der Cornell University, des National Institute of Health und der W.M. Keck Foundation eine künstliche, vereinfachte Membran, die nur aus drei verschiedenen Lipiden - Sphingomyelin, Dioleylphosphatidylcholine und Cholesterin - bestand.

Danach wurden verschiedene Farbstoffe in die Zellhülle eingebracht, die jeweils an eines der Lipide banden. Diese Fluoreszenzfarbstoffe leuchteten auf, wenn der Laserstrahl des Mikroskops auf sie trafen. So konnten die Wissenschaftler das Verhalten der einzelnen Membranbestandteile genau beobachten.
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Aufbau der Zellmembran
Jede Zelle ist von einer Membran umgeben, und die meisten Zellen verfügen über umfangreiche intrazelluläre Membransysteme. Membranen grenzen das Zellinnere von der Umgebung ab, sie lassen Wasser, bestimmte lonen und Substrate in die Zelle hinein, sind für den Energiehaushalt der Zelle unentbehrlich und sondern Stoffe (Sekretions- und Exkretionsprodukte) ab. Sie bieten der Zelle Schutz und dienen der Abgrenzung des inneren Milieus von der Umwelt. Ohne Membranen würden Zellinhalte zerfließen, informationstragende Moleküle würden durch Diffusion verloren gehen, die Zelle einfach absterben.
->   Membranen: Diffusion, Transport usw. (Biologisches Institut Universität Hamburg)
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Schwimmende Flöße
Die Wissenschaftler fanden heraus, dass abhängig von der Temperatur eine Zellmembran gleichzeitig verschiedene Flüssigkeitszustände - Phasen - annehmen kann, die auch unterschiedliche physikalische Eigenschaften besitzen. Vergleichbar mit Öl und Wasser auf der selben Oberfläche.

Es bildeten sich also verschiedene, voneinander abgegrenzte Bereiche, die unterschiedlich aufgebaut waren. Zwei der Lipide ordneten sich zu regelmäßig strukturierten Flecken an, die als "rafts" oder "Flöße" bezeichnet werden. Weil die einzelnen Partikel sich innerhalb der Zellmembran bewegen, können die Flöße in der Membran "umherschwimmen".
Die künstliche Zellmembran
 
Bild:Cornell University

Die unterschiedlichen Bereiche, farblich gekennzeichnet
Temperatur beeinflusst Form
Umgeben wurden die Flöße von ungeordneteren Bereichen, in denen das dritte Lipid zu finden war. Dabei beeinflusste die Zusammensetzung der Lipid-Mischungen die Entstehung und Strukturbildung der verschieden Phasen, was sich wiederum auf die gesamte Form der Membranbläschen auswirkte.

Durch Veränderung der Temperatur wurde immer eine Formveränderung der Membran ausgelöst. So verschmolzen z. B. bei der Erhöhung der Temperatur zwei unterschiedliche Bereiche zu einem Neuen. Das bedeutet, so die Wissenschaftler, dass die energetische Spannung der Trennungslinien zwischen den einzelnen Flößen Temperatur-abhängig ist.
Einsichten in das Immunsystem
"Wir konnten erstmals zeigen, wie die Energien zwischen den verschiedenen Phasen die Membrangeometrie beeinflussen", sagt Webb. Im Immunsystem etwa bekämpfen spezielle Zellen - die so genannten Makrophagen - eindringende Mikroben, indem sie die Eindringlinge umhüllen und dann zersetzten.

"Das ist der selbe physikalische Prozess, den wir bei unseren Modell-Membranen beobachten konnten," meint Webb. "Unsere Versuche können dazu beitragen, die Funktion der Zellmembran besser zu verstehen und Einblicke in die Wirkungsweise des Immunsystems gewähren."
->   Biophysikalisches Institut der Cornell University
->   National Institutes of Health
->   W.M. Keck Foundation
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at:
->   Geheimnis des Zellschlosses geklärt (12.6.01)
 
 
 
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01.01.2010