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Ungehindert Studieren mit Neuen Medien  
  Mit dem 3-D-Finger die Geografie Europas studieren, in synthetischer Sprache Referate halten und Vorträge auf dem Computer mitlesen: All dies sind vielfältige Möglichkeiten, die Studierenden mit Behinderung den Zutritt zu universitärem Wissen ermöglichen können. Informations- und Kommunikationstechnologien, Assistierende Technologien (AT) und Neue Medien, die helfen Barrieren zu überwinden, wurden am Dienstag an der Technischen Universität Wien im Rahmen eines Workshops vorgestellt und diskutiert.  
Beim Workshop präsentiert wurde etwa der "3-D-Finger" - ein System, mit dem Studenten selbstständig Tastvorlagen und sogar dreidimensionale Modelle erforschen können. Ein Computer verfolgt dabei mithilfe von Videokameras die Bewegungen des Tastenden und liefert die entsprechenden Kommentare per Sprachausgabe.
Ertasten von Landkarten wird möglich
So können zum Beispiel Landkarten ertastet werden: Eine entsprechende taktile Folie wird unter die lesende Kamera gelegt, der Anwender tastet sich mit einem seiner Finger, der durch einen farbigen Punkt markiert und so für den Computer erkennbar gemacht wird, an der Karte entlang.

Trifft er auf ein Element, das von einem sehenden User mit Information "befüllt" wurde, gibt die Sprachausgabe die abgespeicherten Erklärungen wieder. Somit können einem blinden User größere Mengen an Informationen zugänglich gemacht werden.
Der technische Assistent "AUTONOM"
Das technische Assistenzsystem AUTONOM ermöglicht schwerstbehinderten Personen die Steuerung ihrer Umgebung. Auf MS-Windows-Basis können zahlreiche Anwendungen konfiguriert werden, wie zum Beispiel - durch Augenzwinkern gesteuert - das Anwählen des Telefons.

AUTONOM zeigt dem User auf einem Computerbildschirm Optionen, die fast unendlich erweiterbar sind.

So ist es einem Studenten der TU Wien möglich, durch zuvor eingespeicherte Programmiercodes einzelne Befehle auszuwählen und dadurch selbstständig Software zu programmieren. Mit AUTONOM können auch sprechbehinderte Personen über eingebaute Sprachsynthesizer verbal kommunizieren.
->   AUTONOM in www.fortec.tuwien.ac.at
->   fortec: Forschungsgruppe Rehabilitation Technology (TU Wien)
...
12 Prozent der Studierenden gesundheitlich beeinträchtigt
Auf der Basis einer Selbsteinschätzung weisen 12 Prozent aller Studierenden gesundheitliche Beeinträchtigungen auf. Das sind in Österreich an die 24.000 Personen, so die Angaben der Studierenden-Sozialerhebung 2002. Mehr als die Hälfte der Studierenden geben Allergien und Atemwegserkrankungen an, 37 Prozent chronische oder psychische Krankheiten. Als weitere Behinderungen werden Seh- und Hörbeeinträchtigungen sowie körperliche Einschränkungen unterschiedlicher Stärke genannt.
->   Studierenden-Sozialerhebung 2002 (in www.bmbwk.gv.at)
...
Nachteile im Studium durch Behinderungen
Gesundheitlich beeinträchtigt oder behindert sein bedeuten immer, im Studium benachteiligt zu sein - sofern keine Ressourcen zur Verfügung stehen. Viele dieser Benachteiligungen können aber durch strukturelle und organisatorische Rahmenbedingungen sowie durch den Einsatz Neuer Technologien ausgeglichen und beseitigt werden.
Computerkenntnisse sind Voraussetzung
Grundvoraussetzung, um die Neuen Medien zu nutzen, sind allerdings gute Computerkenntnisse.

Der europäische Computerführerschein ECDL beispielsweise kann auch von Personen mit Einschränkungen des Hörens und Sehens oder anderen Behinderungen absolviert werden. Der ECDL bietet Studierenden die Garantie, die Möglichkeiten moderner Kommunikationstechnologie optimal zu nutzen.
->   www.ecdl.at
Hohe Hürden und Barrieren im Vorfeld der Universität
"Der Zugang zur Universität ist für blinde und sehbehinderte Personen nach wie vor schwierig", meint Bernhard Stöger, Informatiker an der Universität Linz, "da Integration an Gymnasien nicht verpflichtend vorgesehen ist und in Österreich keine Spezialschule für Blinde zum Maturaniveau führt."

Eine ähnliche Problematik sieht Franz Dotter von der Universität Klagenfurt bei Menschen mit Hörbehinderung, die oft nicht die für die Universität notwendige Sprachkompetenz erwerben konnten.

Für Klaus Miesenberger von der Universität Linz ist der Ausschluss von Personen mit Lernbehinderung von der Universität nicht schlüssig: "Denn komplexe Lehrinhalte können auch in einfacher Sprache formuliert und somit von lernbehinderten Personen verstanden werden."
Die Möglichkeiten Neuer Medien und Technologien
Der Einsatz Neuer Medien in Forschung und Lehre verbessert generell die Zugänglichkeit zu bereitgestellten Lehr- und Lernmaterialien. Zeitliche und örtliche Ungebundenheit spielen gerade auch für Studierende mit Beeinträchtigungen eine wichtige Rolle.

Können etwa administrative Wege mittels Mausklick erledigt werden, sind die Lehrinhalte online zugänglich, besteht die Möglichkeit via Videokonferenz an Seminaren und Vorlesungen teilzunehmen, so bedeutet dies für die Studierenden eine wesentliche Erleichterung.
Beispiel: Hausaufgaben in Powerpoint
Studierende mit Sehbehinderung oder Blindheit können beispielsweise Hausaufgaben und Referate in Powerpoint präsentieren.

Gehörlose Studierende können neben dem Gebärdensprachdolmetscher auch auf computerunterstütze Technologien zurückgreifen. Der Vortragende trägt ein Mikrofon, mittels Spracherkennung wird sein Text in Schrift gewandelt und auf den Laptop der Studierenden übertragen.
Forderung: Servicestellen für Studierende mit Behinderung
"Es wäre dringend notwendig an allen österreichischen Universitäten Servicestellen für behinderte Studierende einzurichten", so Marlene Fuhrmann-Ehn, "kommen doch vermehrt Studierende mit Behinderung aus EU-Ländern nach Österreich."

Die Behindertenbeauftragte der TU Wien erläutert, dass es oft schwierig sei, sofort eine Lösung für die betreffende Person zu finden. Auch in Österreich wissen noch viel zu wenige behinderte Studierende über die technischen Möglichkeiten Bescheid.

Hans Hirnsperger und Jasna Puskaric,
Redaktion Sensi_Pool für science.ORF.at
->   uniability - Interessensvertretung behinderter und chronisch kranker Studierender
->   Neue Medien in der Lehre
->   www.integriert-studieren.at
->   Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at:
->   "Barrierefreiheit" beim Arzt? (29.9.03)
->   Computer für Blinde mit spezieller Software (9.5.03)
->   Rechte statt Almosen für Menschen mit Behinderungen (2.5.03)
->   Menschen mit Behinderung als Journalisten (3.3.03)
 
 
 
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01.01.2010