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ORF ON Science :  News :  Leben 
 
Unterschiedliches "Lebenstempo" liegt in den Genen  
  Seit langem ist bekannt, dass sich der Stoffwechsel warmblütiger Tiere umso mehr intensiviert, je weiter sie vom Äquator entfernt leben. Dafür gibt es zwei mögliche Erklärungen: Entweder sind sie Folge einer nicht erblichen Umweltanpassung oder die unterschiedlichen Stoffwechselraten sind ein Produkt der Selektion. In diesem Falle wären die Unterschiede genetisch bedingt. Ein deutsch-amerikanisches Forscherteam hat nun herausgefunden, dass Letzteres der Fall ist.  
Wie Ornithologen der Princeton University und von der Max-Planck-Forschungsstelle für Ornithologie in Seewiesen nun in einem aktuellen Artikel berichten, ist das "Lebenstempo" offenbar eine Sache der Gene. Zumindest, was die Singvogelart des Schwarzkehlchens betrifft.
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Der Artikel "Slow pace of life in tropical sedentary birds: a common-garden experiment on four stonechat populations from different latitudes" von Martin Wikelski und Mitarbeitern erschien in der Fachzeitschrift "Proceedings of the Royal Society of London, Series B (doi:10.1098/rspb.2003.2500).
->   Proceedings of the Royal Society of London, Series B
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Warum Reptilien nicht im kalten Norden leben
Die meisten Reptilien leben in den wärmeren Gebieten der Erde, weil ihre niedrige Stoffwechselrate ein Leben in nördlicheren Breiten verhindert.

Vögel und Säugetiere mit ihren hohen Stoffwechselraten können hingegen sehr wohl in kälteren Regionen leben, weil ihre Körpertemperatur weit oberhalb jener der Umgebung liegt. Doch viele Säugetier- und Vogelarten findet man sowohl in warmen als auch in kalten Lebensräumen und ihr Stoffwechsel kann sehr unterschiedlich ausfallen.

Eine Grundfrage in der Forschung ist daher: Sind diese Unterschiede Resultat direkter physiologischer Anpassungen an das lokale Klima oder der genetischen Ausstattung dieser Tiere?
Vier Vogel-Populationen aus Kasachstan, Österreich ...
Das deutsch-amerikanische Ornithologen-Team hat dazu vier unterschiedliche Populationen des Schwarzkehlchens untersucht, deren Brutverbreitungsgebiet sich von Nordostasien über Europa bis nach Südafrika erstreckt.

Schwarzkehlchen aus Kasachstan brüten im kontinentalen Klima Zentralasiens; sie haben eine kurze Brutsaison und verbringen den Winter 6.000 Kilometer entfernt in Indien und Pakistan.

Im Vergleich mit diesen asiatischen Vögeln ist die Brutsaison der in Österreichs beheimateten Vögel sehr viel länger, und ihre Zugwege in den Mittelmeerraum sind deutlich kürzer.
... Irland und Kenia untersucht
Auch die jährliche Brutperiode der im atlantischen Klima Irlands brütenden Schwarzkehlchen ist lang. Als typische Teilzieher wandern nur manche dieser Vögel im Winter weg. Schwarzkehlchen aus dem äquatorialen Kenia schließlich haben eine lange Brutsaison und verbleiben ganzjährig in ihren Brutgebieten.
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Ruhestoffwechsel der Vögel verglichen
Die Forscher züchteten Vögel aller vier Populationen an der Forschungsstelle in Seewiesen. Dadurch ergab sich die einzigartige Möglichkeit, den Ruhestoffwechsel, also den während der Ruhepause von Tieren gemessenen Sauerstoffverbrauch, der verschiedenen Populationen direkt miteinander zu vergleichen. Dabei legten die Wissenschaftler großen Wert darauf, dass die Vögel sowohl während ihrer Entwicklungsphase wie auch später während des Experiments unter exakt denselben kontrollierten Umweltbedingungen lebten.
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Tropische Vögel haben langsamsten Metabolismus
Das Ergebnis der Untersuchungen war eindeutig: Sowohl während der Ruhezeit im Januar wie auch während der Mauserperiode im Spätsommer hatten die tropischen Schwarzkehlchen aus Kenia einen konsistent niedrigeren Stoffwechsel als Schwarzkehlchen aus allen anderen Populationen.

Einen signifikant höheren Stoffwechsel hatten die irischen Vögel, gefolgt von den Schwarzkehlchen aus Österreich. Die höchsten Werte fanden sich schließlich bei ihren Artgenossen aus Kasachstan.
Genetische Basis nachgewiesen
Die unterschiedlichen Stoffwechselraten der vier verschiedenen Populationen gehen einher mit einer Reihe weiterer wichtiger Unterschiede in ihrer Lebensweise:

So mausern sich Schwarzkehlchen aus hohen geographischen Breiten schneller und legen mehr Eier als ihre tropischen Artgenossen. Beide Unterschiede haben eine genetische Basis, wie Kreuzungsexperimente gezeigt haben.
Nördliche Breiten: Lebensmotor "hochtouriger"
In den nördlicheren Breiten scheint also der "Lebensmotor" hochtouriger eingestellt zu sein als in den Tropen - vielleicht, weil die Tiere im Norden mit extremeren Umweltbedingungen zu kämpfen haben und zu deren Bewältigung aufwändige Mechanismen entwickelt haben.
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Hypothesen evolutionärer Anpassung
Diese erlauben ihnen beispielsweise, Energiereserven anzulegen oder als Zugvogel wegzuwandern. Möglicherweise haben auch die im Frühjahr und Sommer in den nördlichen Breiten günstigeren Ernährungsbedingungen und die dadurch bedingte höhere Fortpflanzungsrate dort die Evolution eines höheren Ruhestoffwechsels begünstigt.
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Zusammenhang mit Lebensdauer gegeben
Die Befunde sind schließlich auch deshalb von Bedeutung, weil es einen Zusammenhang zwischen der Stoffwechselrate und der Lebensdauer zu geben scheint.

So leben Säugetiere mit niedrigerem Ruhestoffwechsel (und langsameren Herzrhythmus) in der Regel länger als solche mit höherem. Und tropische Vogelarten scheinen in der Tat länger zu leben als ihre Verwandten in höheren Breiten.
->   Max-Planck-Forschungsstelle für Ornithologie
->   Princeton University
 
 
 
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01.01.2010