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Schizophrenie: Das Verschwimmen der Welt  
  Fast 60.000 Österreicher und Österreicherinnen sind von Schizophrenie betroffen. Eine genaue Erklärung, was sie eigentlich ist, gibt es bisher keine. Dennoch bestehen heute gute Chancen auf Heilung.  
Keine Bewusstseinsspaltung
Weltweit leidet rund ein Prozent der Bevölkerung unter einer schizophrenen Störung. Doch bereits bei dem deutschen Begriff "Bewusstseinsspaltung" und seiner Deutung à la "Dr. Jekyll und Mr. Hyde" beginnen die Missverständnisse und Fehlinterpretationen. Schizophrene weisen in der Regel keine Bewusstseinsspaltung auf, es leben also nicht "mehrere Seelen" in ihrer Brust.

Vielmehr leiden Schizophrene unter psychotischen Phasen, während deren Dauer Denken, Fühlen, Verhalten und Wahrnehmung massiv beeinträchtigt sind.

Ein typisches Zeichen der Schizophrenie ist das Verschwimmen der eigenen inneren Welt, die oft voller phantastischer Inhalte steckt. In solchen Phasen können Betroffene den Alltag nicht mehr meistern, ihre Sprache und ihr Benehmen erscheinen verwirrt und fremdartig, der Umgang mit Gefühlen und Gedanken verändert sich.
->   Was ist Schizophrenie?
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7. April - Weltgesundheitstag: ''Dare to care''
Weltweit sind mindestens 400 Millionen Menschen von psychischen Erkrankungen und neurologischen Störungen betroffen. "Mental Health: Stop exclusion - Dare to care" ("Psychische Gesundheit: Ausgrenzung stoppen - Mut zur Hilfe"), heißt daher das Motto, unter das die World Health Organisation (WHO) den diesjährigen Weltgesundheitstag am 7. April gestellt hat.
->   Weltgesundheitstag der WHO
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Die Geschichte der Schizophrenie
Schizophrenie (gr. schizein = spalten, phren = Geist) kam zu allen Zeiten und in allen Kulturkreisen vor. Hielt man die Betroffenen bis zum 18. Jahrhundert für von Dämonen Besessene, so geht der eigentliche Begriff auf Eugen Bleuler (1911) zurück. Bleuler beobachtete bei manchen Patienten eine merkwürdige Auflockerung und Veränderung der gesamten Persönlichkeit.

Nach dem heutigen Stand der Forschung ist eine gewisse ererbte Krankheitsdisposition anzunehmen. Biochemische Untersuchungen deuten auf Veränderungen des Stoffwechsels von Botenstoffen im Gehirn, den so genannten Neuro-Transmittern (z.B. des Dopamins und des Serotonins) hin. Eine gesicherte Theorie über Ursache und Entstehung der Schizophrenie steht noch aus; nach derzeitigem Stand des Wissens wird eine multifaktorielle Genese angenommen - psychosoziales Umfeld eingeschlossen.
->   Die verschiedenen Formen der Schizophrenie
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Schizophrenie-Gen entdeckt
Mitte März berichtete die Zeitschrift "Molecular Psychiatry" von einem neu entdeckten Gen, das auf dem Chromosom 22 liegt und laut Würzburger Forschern in enger Verbindung zur Entwicklung von Schizophrenie steht. Isländische Forscher behaupteten Ähnliches bereits ein halbes Jahr zuvor.
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Die Behandlung
Wurden Schizophrene bis in die 50er Jahre einfach in psychiatrischen Krankenhäusern "weggesperrt", so änderte sich die Situation mit dem Aufkommen von Antipsychotika (auch: Neuroleptika) grundlegend.

"Die Entdeckung des Chlorpromazins im Jahr 1951 führte zu einer Umkehrung der Entwicklung", so Heinz Katschnig, Vorstand der Universitätsklinik für Psychiatrie am Wiener AKH anlässlich eines Presseseminars im historisch passenden Wiener "Narrenturm".

Das erste effektive Medikament zur Behandlung der Schizophrenie ermöglichte es, die in den Anstalten "verwahrten" Patienten zu entlassen und zu rehabilitieren.
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Der Narrenturm
In Wien wurden Schizophrene wie alle anderen psychisch Kranken ehedem in den Narrenturm gesteckt. Der 1784 unter Kaiser Josef II. errichtete Bau im AKH war Wiens erstes psychiatrische Krankenhaus. 1866 wurde der Betrieb eingestellt und als Wohnraum genutzt. Seit 1971 befindet sich das Anatomisch-pathologische Museum im Narrenturm.
->   Anatomisch-pathologisches Museum
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Einsatz von Antipsychotika
1972 wurde Clozapin als erstes so genanntes atypisches Antipsychotikum eingeführt - allerdings mit zum Teil schweren, parkinsonähnlichen Nebenwirkungen. In den 90er Jahren kamen dann Risperdal und Olanzapin auf den Markt.

Deren Vorteile laut Katschnig: Neben einem erhöhten Sicherheitsprofil wirken sie nicht nur auf die eigentlichen Symptome der Schizophrenie, sondern auch auf die "Minus-Symptome". Darunter wird der oft erfolgende Rückzug der Patienten aus ihrem sozialen und gesellschaftlichen Umfeld verstanden.
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Neues Medikament auf dem US-Markt
Die US-Ernährungs- und Arzneimittelbehörde FDA hat im Februar ein neues Schizophrenie-Medikament des Pharmakonzerns Pfizer genehmigt. 1998 war es noch zu einer Ablehnung gekommen, nachdem es bei einigen Patienten zu verlängertem Herzschlag gekommen war. Das neue Produkt gilt als Konkurrenz für die bereits erhältlichen Medikamente "Zyprexa" von Eli Lilly and Co. und "Risperdal" von Johnson & Johnson.
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Gute Behandlungschancen
Die Erfolgschancen sind gut. Katschnig: "30 bis 35 Prozent der Schizophrenie-Patienten werden wieder völlig gesund. Bei 20 bis 25 Prozent der Betroffenen beißen wir uns weiterhin die Zähne aus. Bei um die 50 Prozent verläuft die Krankheit mehr oder weniger gut, je nachdem, wie sehr wir uns bemühen."

Eine "Crux": Derzeit entfallen - auch in Österreich - noch 70 Prozent der Neuroleptika-Verschreibungen bei Schizophrenie-Betroffenen auf die alten Substanzen. Sie können - müssen aber nicht - Nebenwirkungen verursachen.

(APA/dpa/Reuters/red)
->   Österreichische Schizophreniegesellschaft
->   Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde zu Schizophrenie
->   Kompetenznetz Schizophrenie
->   Schizophrenia.com
->   schizophrenia.co.uk
 
 
 
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01.01.2010