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Eitle Gockel: Viel Sperma für neue Hennen  
  Gockel stehen beim Liebesleben auf Abwechslung, wie eine aktuelle Studie ergeben hat: Neue Hennen sind demnach bei den Hähnen besonders hoch angesehen - und werden bei der Paarung mit mehr Sperma bedacht als alt vertraute Hühner. Hennen mit besonders großem Kamm - also üppigen Geschlechtsmerkmalen - können ebenfalls mit einer "Extraportion" rechnen. Diese ausgefeilte Strategie steht allerdings rein im Dienste der Fortpflanzung.  
Dies meldet eine internationale Forschergruppe im Fachjournal "Nature" (Coverstory), die das Verhalten einer bestimmten Hühnerart untersucht hat.
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Der Artikel "Sophisticated sperm allocation in male fowl" ist erschienen in "Nature", Bd. 426, Seiten 70-74, vom 6. November 2003.
->   Abstract des Artikels in "Nature"
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Optimierung der Fortpflanzungschancen
Bild: Nature
Ein Hahn optimiere mit dieser Taktik seine Fortpflanzungschancen, berichtet das Team um Tommaso Pizzari von der Schwedischen Universität für Agrarwissenschaften.

Denn promiskuitive Paarungsmuster sind im Tierreich weit verbreitet: Sowohl Männchen als auch Weibchen greifen dabei auf mehr als nur einen Partner für die Fortpflanzung zurück.

Da allerdings laut Theorie jedes Individuum seinen eigenen Erfolg - ablesbar an der Zahl der Nachkommen - zu optimieren versucht, haben sich verschiedenste Strategien ausgebildet.

Rechts im Bild das "Nature"-Cover (Ausgabe vom 6.11.03)
Sperma-Konkurrenz als Folge
So ist es auch bei den Hühnern, die Pizzari und Kollgen untersucht haben: Die weiblichen Bankivahühner (Gallus gallus) - die Tiere gelten als Vorfahren der Haushühner - paaren sich während ihrer fruchtbaren Phase mit mehreren Männchen.

Folge ist die so genannte Sperma-Konkurrenz (sperm competition), Samenzellen verschiedener Gockel konkurrieren um die Befruchtung einer Eizelle.
Je mehr Samen, desto besser die Chancen
Eine naheliegende Möglichkeit, die männlichen Chancen auf Fortpflanzung zu optimieren, ist schlicht die Produktion besonders großer Mengen an Sperma.

Allerdings ist dies nicht ohne Einschränkungen möglich, denn schließlich müssen die Keimzellen für mehr als eine Henne reichen - und ihre "Herstellung" ist nicht ohne zeitlichen und energetischen Aufwand möglich.
"Beispiellose Raffinesse" mit limitiertem Budget
Die untersuchten Hähne jedoch zeigen eine "beispiellose Raffinesse", schreiben die Wissenschaftler in "Nature" - bei der Balance zwischen der Anforderung, zahlenmäßige Überlegenheit im Rahmen der Sperma-Konkurrenz zu erreichen, während sie mit einem limitierten "Budget" arbeiten.
Großer Kamm, besonders schwere Eier
Waren die paarungsbereiten Hennen etwa mit einem besonders großen Kamm ausgestattet, so erhielten sie deutlich größere Portionen des wertvollen Spermas. Die Erklärung laut Studie: Jene Hühner legten besonders schwere Eier.

Damit sei die Vorliebe der Hähne für Hennen mit großem Kamm zu erklären. Denn ein großes Ei mit großem Dotter, biete einem Embryo mehr Nährstoffe als ein kleines Ei.
Auch Konkurrenz vergrößert Sperma-Portion
Auch die Anwesendheit von männlichen Konkurrenten sorgte dafür, dass die Gockel die Menge an Keimzellen erhöhten.
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Dominante versus untergeordnete Gockel
Interessantes Detail: Handelte es sich um dominante und in der Rangfolge weit oben stehende Hähne, so steigerten sie die Spermienproduktion immer weiter, je größer die Konkurrenz war. Waren allerdings untergeordnete Gockel das Untersuchungsobjekt, so zeigte sich, dass jene ab einer gewissen Menge an - dominanter - Konkurrenz ihre Samenzellen-Produktion wieder zurückfuhren.

Die Erklärung: Dominante Hähne setzten im Zweifelsfall immer auf Risiko - und versuchen quasi um jeden Preis, die Konkurrenz auszustechen. Ihre niedriger stehenden Verwandten aber sparen sich bei zu viel Wettbewerb ihre Keimzellen lieber für spätere Paarungen auf, da ihre Gewinnchancen in diesem Fall offenbar relativ niedrig liegen.
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Viel Zuwendung für neue Hennen
Auch neue Hennen wurden mit einer "Extraportion" bedacht, wie die Forscher herausfanden. Sie hatten die Hähne in dem Versuch nacheinander mit verschiedenen Hennen konfrontiert. Dabei waren die Tiere immer wieder mit frischem Enthusiasmus - und großer Spermamenge - zur Tat geschritten.
Noch zu klären: Wie es funktioniert
Die Forschungen "illustrieren die selektiven Kräfte, die die Evolution männlicher Strategien zum Gewinn der Sperma-Konkurrenz antreiben könnten", schreibt Matthew J. G. Gage in einem begleitenden Kommentar in "Nature".

Weitere genaue Studien seien aber notwendig. Und: Künftige Forschungen sollten auch klären, welcher Mechanismus hinter der fein abgestimmten Spermagröße steht. Das Wie haben die Forscher nämlich noch nicht geklärt.
->   Swedish University of Agricultural Sciences
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01.01.2010