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100. Geburtstag von Konrad Lorenz  
  Am 7. November jährt sich der Geburtstag von Konrad Lorenz zum 100. Mal. Der 1989 verstorbene Verhaltensforscher und Nobelpreisträger erhitzt auch 14 Jahre nach seinem Tod die Gemüter.  
Für die einen ist er der Darwin des 20. Jahrhunderts, für die anderen ist er als Forscher längst überholt und widerlegt - und außerdem ein entlarvter Parteigänger der Nationalsozialisten.

Erst jüngst ist anlässlich seines 100. Geburtstags eine umfangreiche Biografie erschienen, welche auch Auszüge aus einer erst kürzlich entdeckten Lorenz-Autobiografie enthält.
->   Mehr dazu: Konrad Lorenz - neue Einblicke in sein Leben (23.9.03)
In den Fußstapfen seines Vaters
Bild: dpa/dpaweb/dpa
Undatiertes Archivfoto von Lorenz
mit drei seiner Graugänse am Ess-See
bei Starnberg in Oberbayern
Konrad Lorenz trat als international gefeierte wissenschaftliche Koryphäe in die Fußstapfen seines Vaters. Als Sohn Konrad am 7. November 1903 in Altenberg an der Donau vor den Toren Wiens geboren wurde, war Vater Adolf als Mitbegründer der Orthopädie und gesuchter Operateur der besseren Gesellschaft in Amerika auf dem Höhepunkt seiner Karriere angelangt.

Der Sohn konnte auf dem weiten Landgut schon früh seinen zoologischen Neigungen frönen. Er zähmte oder dressierte Katzen, Kakadus, Raben. Er studierte auf Wunsch des Vaters zunächst Medizin, promovierte 1933 im Fach Zoologie und wurde 1940 als ordentlicher Professor der Psychologie nach Königsberg berufen.
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Nationalsozialistische Vergangenheit
Die beiden Wissenschaftsjournalisten Klaus Taschwer und Benedikt Föger konnten 2001 belegen, wie sehr Konrad Lorenz dem Gedankengut des NS-Regimes verbunden war. Von ihnen vorgelegte Dokumente zeigten den Nobelpreisträger als willfährigen Wissenschaftler.
->   "Ich war immer Nationalsozialist" (10.10.01)
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Forschungsmittelpunkt in Seewiesen
Nach der Rückkehr aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft 1948 stieg der Mitbegründer der vergleichenden Verhaltensforschung schnell zum Superstar seines Faches auf. Er gelangte zu seinen Erkenntnissen durch die Beobachtung von Enten, Gänsen, aber auch Buntbarschen und Korallenfischen.

1949 wurde die Station für vergleichende Verhaltensforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in Altenberg gegründet. Forschungsmittelpunkt wurde aber das Institut für Verhaltensphysiologie der Max-Planck-Gesellschaft im oberbayrischen Seewiesen.
1973 Verleihung des Nobelpreises
1973 kehrte Lorenz nach Wien zurück und wurde zum Leiter der Abteilung Tiersoziologie des Instituts für vergleichende Verhaltensforschung der ÖAW in Altenberg und Grünau im Almtal (OÖ) ernannt. In diesem Jahr erhielt Lorenz, gemeinsam mit dem gebürtigen Österreicher Karl von Frisch und dem Niederländer Nikolaas Tinbergen den Nobelpreis für Medizin.
->   Mehr dazu (nobel.se)
Das Neue an der Lorenz'schen Ethologie
Die von Lorenz begründete Schule der Ethologie - die vergleichende Verhaltensforschung - hat vor allem die Erkenntnis erbracht, dass nicht nur der Körperbau, sondern auch die Verhaltensprogramme der Lebewesen unter Evolutionsdruck entstanden und teilweise im genetischen Code verankert sind.

Fragestellungen und Methodik einer vergleichenden Forschung, wie sie seit Darwin in allen anderen biologischen Disziplinen selbstverständlich geworden waren, wurden von Lorenz auch systematisch auf das Verhalten von Tieren und des Menschen angewendet.
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Gegensatz zu Behavioristen
Lorenz stand damit im krassen Gegensatz zu den vor allem in den USA arbeitenden Behavioristen, die davon ausgingen, dass jedes Verhalten erlernt ist. Der Wissenschafter machte dabei keinen prinzipiellen Unterschied zwischen Tier und Mensch. "Der Weg zum Verständnis des Menschen führt genau ebenso über das Verständnis des Tieres, wie ohne Zweifel der Weg zur Entstehung des Menschen über das Tier geführt hat", lautete sein Credo.
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Entwicklung einer Evolutionäre Erkenntnistheorie
Gemeinsam mit dem harten Kern des so genannten Altenberger Kreises - dem Wissenschaftstheoretiker Erhard Oeser sowie dem Meeresforscher und Theoretischen Biologen Rupert Riedl - und nicht zuletzt mit dem aus Österreich stammenden Philosophen Karl Popper erarbeitete und entwickelte Lorenz die Evolutionäre Erkenntnistheorie (EE).

Sie beschäftigt sich vor allem mit der Wahrnehmung von Tieren und Menschen, auch der Apparat (z.B. Sinnerorgane), mit dem ein Individuum die Welt erfährt, ist ein Ergebnis der Evolution.
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Welt-Wahrnehmung
"Wir nehmen die Welt so wahr, wie wir entstanden sind", lautet ein Kernsatz der Theorie. Kein Individuum fängt bei Null an, jedes bekommt von der Natur einen Apparat mit, mit dessen Hilfe es die Welt in einer für dieses Individuum nützlichen, weil stammesgeschichtlich bewährten, Art erfährt. Der lose Zusammenschluss von Wissenschaftern im Altenberger Kreis existierte bis zum Tode Lorenz'.
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Kritik an wissenschaftlichem Werk
Das wissenschaftliche Werk blieb nicht unumstritten. So bezeichnen Kritiker die Arbeit des Pioniers der Verhaltensforschung als "unwissenschaftlich". Seine Studien hätten aus bloßem Beobachten bestanden, dabei seien ihm zahlreiche Fehler unterlaufen, die zu Missinterpretation geführt hätten. Dementsprechend werden auch die umfassenden Theorien des Nobelpreisträgers angezweifelt, etwa zur Aggression.

Laut Lorenz steckt diese gleichsam in einem Organismus drin und ist Antriebsfeder für viele Verhaltensweisen. Auch dringe die Aggression unweigerlich von innen nach außen. Werde sie nicht ausgelebt, so würde sie sich ihren Weg suchen. Neuere Studien konnten dagegen zeigen, dass ausgelebte Aggression sogar noch aggressiver machen kann.
Vorliebe für Populärwissenschaft
In der breiten Öffentlichkeit wurde der Nobelpreisträger nicht zuletzt deshalb so bekannt, weil er neben seinen wissenschaftlichen Abhandlungen stets auch Zeit für populärwissenschaftliche und teils sehr schnurrige Bücher hatte.

So wurden die Werke "Er redete mit dem Vieh, den Vögeln und den Fischen", "So kam der Mensch auf den Hund", "Das sogenannte Böse", "Die acht Todsünden der zivilisierten Menschheit", "Die Rückseite des Spiegels" oder "Der Abbau des Menschlichen" jeweils mehrfach aufgelegt.
Mehr über Lorenz in science.ORF.at:
->   Bedeutung von Konrad Lorenz heute (11.1.02)
->   Konrad Lorenz: Ein Bild ohne Illusionen (von Kurt Kotrschal)
 
 
 
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01.01.2010