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Wiener Forscher entwickelt blitzschnellen Netzhaut-Scanner  
  Ein Wiener Physiker hat gemeinsam mit US-Kollegen einen optischen Netzhaut-Scanner entwickelt, der mit bislang unerreichter Geschwindigkeit dreidimensionale Bilder vom menschlichen Auge erstellen kann. Das Gerät könnte in Zukunft zur Früherkennung schleichend einsetzender Augenerkrankungen eingesetzt werden.  
Die Forscher um Christoph Hitzenberger vom Institut für Medizinische Physik der Universität Wien haben den Prototyp eines besonders schnellen Optischen Kohärenz-Tomographen (OKT) entwickelt.

Es handelt sich um das schnellste derartige System, das zur Zeit existiert, wie der Wiender Physiker gegenüber science.ORF.at erläutert. Das Gerät erstellt eine 3-D-Aufnahme der Netzhaut in lediglich 1,2 Sekunden. Ihre Ergebnisse haben die Forscher im Online-Journal "Optics Express" publiziert.
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Der Artikel "Three-dimensional imaging of the human retina by high-speed optical coherence tomography" ist erschienen im elektronischen Fachjournal "Optics Express" (Bd. 11, Seite 2753-2761, Ausgabe vom 20. Oktober 2003).
->   Abstract des Artikels in www.opticsexpress.org
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Schleichende Augenerkrankungen: Früherkennung wichtig
Erkrankungen des Auges äußern sich häufig nur schleichend - und werden im schlimmsten Fall erst dann erkannt, wenn es bereits zu spät ist. Das Glaukom etwa, bekannt unter der Bezeichnung Grüner Star, befällt rund ein Prozent der Bevölkerung und kann - unbehandelt - zur Erblindung führen.

Eine Methode, Erkrankungen dieser Art schon frühzeitig aufzuspüren, bieten dreidimensionale Scans des Auges. Eine neue und besonders schnelle Methode zur schonenden Diagnose hat nun das Forscherteam um Christoph Hitzenberger entwickelt.
64 Schichten kombiniert zum 3-D-Bild
Bild: Christoph Hitzenberger
Das Bild zeigt die Dicke der Netzhaut im Bereich der so genannten Makula.
Basis ihres Systems ist die Technik der Optischen Kohärenz-Tomographie, kurz OKT, so der Physiker gegenüber science.ORF.at. Doch während ein konventioneller OKT mit so genannten A-Scans arbeitet - die einzelnen Abtastungen der Netzhaut erfolgen hierbei jeweils in die Tiefe, ging das Forscherteam neue Wege:

Das von Hitzenberger entwickelte System arbeitet mit C-Scans: Die Retina wird flächig in insgesamt 64 übereinander liegenden Schichten abgetastet, kombiniert ergibt sich so ein dreidimensionales Bild bis ca. einen Millimeter Tiefe.

Die Geschwindigkeit ist derzeit konkurrenzlos: Ganze 1,2 Sekunden benötigt der OKT des Wiener Physikers.
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Aufbau der Netzhaut: Photorezeptoren und Co
Die Netzhaut bzw. Retina ist der lichtaufnehmende Teil unseres Auges - ein weniger als ein Millimeter dickes und aus mehreren Schichten aufgebautes Häutchen. Entwicklungsbiologisch betrachtet gehört die Netzhaut zum Zwischenhirn - und ist daher Teil des Zentralnervensystems.

Anatomisch betrachtet besteht die Retina aus Photorezeptoren (Stäbchen und Zäpfchen) sowie aus einer Vielzahl anderer Zelltypen, darunter die so genannten Bipolar- und Ganglien-Zellen. Die Photorezeptoren reagieren auf Licht und leiten die Signale an die Bipolar-Zellen weiter. Diese wiederum geben die Signale an Ganglien-Zellen ab, von denen aus der Reiz ins Gehirn gelangt.
->   Informationen zum menschlichen Auge (www.augenspezial.de)
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Lichtstrahl wird zweigeteilt ...
Das System stützt sich auf eine Laser-ähnliche Superlumineszenzdiode, erklärt Hitzenberger. Deren Strahl wird in einem so genannten Interferometer aufgesplittet: Der Referenzstrahl wandert durch einen Modulator, der dessen Frequenz verschiebt. Der Probenstrahl wiederum interagiert mit der Netzhaut.
... und wieder kombiniert
Beide Strahlen werden anschließend wieder zusammen geführt - und können interagieren. Die beim Abtasten des Gewebes erhaltenen Signale werden elektronisch verstärkt, an einen Computer weitergeleitet - und schließlich zu aussagekräftigen 3-D-Bildern der Netzhaut weiter verarbeitet.
Tests an Netzhautgrube und Blindem Fleck
Bild: Christoph Hitzenberger
Aufnahme eines Blinden Fleck sowie sechs Querschnittsbilder, die aus den gewonnenen 3-D-Daten erstellt wurden, an den gekennzeichneten Positionen
Hitzenberger und Kollegen haben ihren Prototypen auch bereits getestet: Bei zehn Probanden wurden Bilder der Fovea centralis oder Netzhautgrube erstellt. "Das ist die Stelle des schärfsten Sehens im Auge", erklärt der Wiener Forscher. "Damit fixiert man Objekte".

Auch den so genannten Blinden Fleck, die Stelle, an der der Sehnerv aus der Netzhaut austritt, habe man auf diese Weise dreidimensional abbilden können.

Die Aufnahmen, die man auf diese Weise erhält, sind 256 mal 128 Pixel groß. Laut Hitzenberger geht ein solcher Bildpunkt jeweils etwa 12 Mikrometer in die Tiefe und 15 bis 20 Mikrometer in die Breite und Höhe.
Einsatz auch für Personenerkennung denkbar

Der Prototyp des in Wien konzipierten Geräts wurde in San Diego gebaut, von der Firma Laser Diagnostic Technologies, wie der Physiker erzählt.

Gedacht ist das Gerät demnach für die medizinische Diagnostik. Denkbar wäre aber auch eine biometrische Anwendung zur Personenerkennung. "Es ist nicht das primäre Ziel", kommentiert Hitzenberger den möglichen Verwendungsbereich, ausschließen könne er es allerdings nicht.

Sabine Aßmann, science.ORF.at
->   Institut für Medizinische Physik der Universität Wien
->   Laser Diagnostic Technologies
->   www.innovatives-oesterreich.at
Mehr zum Stichwort Netzhaut in science.ORF.at:
->   Netzhaut-Prothese soll Blinde sehend machen (8.5.03)
->   Sehsinn: Forscher entdecken essenzielles Protein (7.3.03)
Mehr zum Thema Biometrie in der futureZone.ORF.at:
->   Iris-Erkennung aus der Ferne (6.11.03)
->   Einheitliche Biometrie für USA und EU (29.10.03)
 
 
 
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01.01.2010