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Erstes Bose-Einstein-Kondensat aus Molekülen erzeugt  
  Den internationalen Wettlauf um die Erzeugung des ersten Bose-Einstein-Kondensats aus Molekülen haben österreichische Forscher für sich entschieden. Mehrere Arbeitsgruppen weltweit wetteiferten in den letzten Monaten um die Erreichung dieses Meilensteins: Physiker vom Institut für Experimentalphysik der Universität Innsbruck waren nun als erste erfolgreich - mit einem Gas aus Lithium-6-Atomen.  
"Es freut uns ganz besonders, dass wir als Außenseiter dieses Rennen für uns entscheiden konnten", strahlt der Leiter der Forschungsgruppe Rudolf Grimm: "Denn als das Science Magazin im August über diesen Wettlauf berichtete, waren wir noch gar nicht im Rennen."
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Der Artikel "Bose-Einstein Condensation of Molecules," S. Jochim, R. Grimm et al. erschien bei "Scienceexpress" als Online-Vorabpublikation des Wissenschaftsmagazins "Science".

Zu diesem Thema wurde in der aktuellen Printausgabe des Magazins auch der begleitende Kommentar "Competing Research Teams Create Long-Sought State of Matter" von Charles Seife veröffentlicht (Band 302, S. 1129).
->   "Scienceexpress"
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Erfahrung mit Nullpunktphysik war hilfreich
Der Arbeitsgruppe um Grimm ist es in kürzester Zeit gelungen, dieses Experiment erfolgreich durchzuführen. "Das hat einfach mit der großen Erfahrung zu tun, die wir in der Zwischenzeit mit Bose-Einstein-Kondensaten und ultrakalten Atomen erworben haben."

Bereits im Sommer gelang den Innsbrucker Quantenphysikern erstmals die direkte Beobachtung von ultrakalten Molekülen. Und bis heute ist Innsbruck der einzige Ort, an dem mit Cäsium-Kondensaten gearbeitet wird.
->   Mehr dazu: Schritt zur Chemie am absoluten Nullpunkt (22.8.03)
Bosonen neigen zum Kollektiv
Um einen Kondensat-Zustand zu erreichen, verwendet man für gewöhnlich Teilchentypen mit einem ganzzahligem Spin (1,2, etc.), so genannte Bosonen. Diese geben bei extrem tiefen Temperaturen ihre Individualität auf und verschmelzen zu einem Teilchenkollektiv
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Das Bose-Einstein-Kondensat
Die Vorhersage, dass es solche Zustände geben könnte, geht auf die Zusammenarbeit von Albert Einstein und dem indischen Physiker Satyendra Bose im Jahr 1924 zurück: Damals berechneten sie, dass gewisse Teilchentypen - die Bosonen - einen Zustand einnehmen könnten, in dem alle die selbe (niedrigst mögliche) Energie aufweisen.

In diesem Zustand können die Wellenfunktionen der Teilchen "verschmelzen", sodass ihre physikalischen Eigenschaften nicht mehr unterscheidbar sind. Das heißt, die einzelnen Atome verhalten sich dann so, als ob sie zu einem großen "Superatom" gehörten.
->   Mehr dazu (University of Colorado)
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Fermionen sträuben sich gegen den Gleichschritt
In dem erfolgreichen Experiment arbeiteten die Innsbrucker Experimentalphysiker mit einem Gas aus Lithum-6-Atomen. Dabei handelt es sich um Fermionen, also Teilchen mit nicht-ganzer Spinzahl (1/2, 3/2 etc.).

Im Gegensatz zu den Bosonen behalten Fermionen auch bei tiefsten Temperaturen ihre Individualität. Das heißt, sie lassen sich nicht in den physikalischen Gleichschritt zwingen.
Der Trick mit der Paarbildung
Bild: Universit¿t Innsbruck
Allerdings gibt es einen einfachen Trick, wie man die Widerständigkeit der Fermionen umgehen kann.

Gruppiert man sie paarweise, verhalten sie sich wie erwünscht. Denn: Deren nicht-ganzen Spinzahlen ergeben zusammen eine ganze.

Auf diese Weise konnten sie dann so weit abgekühlt werden, bis sie ein Kondensat bildeten. Damit ist ein erstes, wichtiges Etappenziel auf dem Weg zu fermionischen Kondensaten erreicht.

Bild rechts: Die Vakuumapperatur in der das molekulare Bose-Einstein-Kondensat erzeugt wird. In der Mitte des Bildes erkennt man die Glaszelle, die einen optischen Zugang für die zum Fangen und Kühlen verwendeten Laser gewährt.
Zeitgleich ähnliches Experiment in den USA
Wie aus dem "Science"-Begleitartikel von Charles Seife hervorgeht, hat zeitgleich mit den Innsbrucker Forschern die Arbeitsgruppe um Deborah Jin von der University of Colorado ein ähnliches Experiment erfolgreich durchgeführt.

Die Amerikaner verwendeten dafür Kalium-40-Atome. Wie man jedoch seitens der Universität Innsbruck betont, liege die Stabilität des Lithium-Kondensats mit rund 20 Sekunden um den Faktor 1.000 höher bei den US-Amerikanern.
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Der Artikel "A molecular Bose-Einstein condensate emerges from a Fermi sea" von Deborah S. Jin et al. erschien zunächst am Preprintserver arXiv.org abrufbar und wurde bei der Zeitschrift "Nature" eingereicht.
->   Zum Originalartikel bei arXiv.org
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Nächster Schritt: Paare wieder lösen
"Der nächste Schritt bestünde nun darin, die Moleküle wieder zu lösen und daraus locker gebundene Atompaare zu machen", so Rudolf Grimm. Die Erzeugung kalter Fermionen gilt als großes Ziel der Experimentalphysiker, weil damit nach Ansicht von Experten der Weg zur Lösung vieler offener Fragen der Physik geebnet würde.
Supraleitung erklären

"Für die Wissenschaft ist dieses Experiment von großer Bedeutung, da die unterschiedlichen Zustände der Quantenmaterie durch einfaches Verändern der Magnetfelder untersucht werden können", betont Grimm. So ließen sich dann etwa genauere Aussagen über die Vorgänge bei Supraleitung machen.
->   Arbeitsgruppe Ultrakalte Atome und Quantengase (Uni Innsbruck)
->   www.innovatives-oesterreich.at
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at
->   Mit kalten Gasen zum Quantencomputer (11.7.03)
->   Physik-Nobelpreis 2001 für Bose-Einstein-Kondensat (9.10.01)
 
 
 
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01.01.2010