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Wissenschaftler arbeiten am "Aufzug ins All"  
  Ob Astronauten, Satelliten oder Weltraumteleskope - um Frachten ins All zu bringen, ist die Raumfahrt heute immer noch auf die gute, alte Rakete angewiesen. Dank neuer Materialien könnte sich das in Zukunft ändern: Amerikanische Wissenschaftler arbeiten an einem "Aufzug ins All".  
Dieser soll einfachere und vor allem preiswertere Transporte in den Weltraum ermöglichen.

Die Idee klingt nach Science Fiction - und das ist kein Zufall: 1979 beschrieb Arthur C. Clarke ("2001 - Odyssee im Weltraum") in seinem gleichnamigen Roman einen "Fahrstuhl zu den Sternen". Inzwischen beschäftigen sich Forscher bereits ernsthaft mit dem "Unternehmen Weltraumlift".
"Unternehmen Weltraumlift"
Bild: NASA
Die Basis für das Projekt ist ein Seil, das von der Erde etwa 40.000 Kilometer weit ins All reicht - und das von einem Gegengewicht dort draußen aufgrund der Fliehkraft unter Spannung gehalten wird.

Einmal abgesehen von Problemen wie Stürme oder Gewitter, Flugverkehr oder Weltraumschrott: Das Konzept des "Aufzugs ins All" steht und fällt mit der Entwicklung eines superstarken Kabels.

Das Liftkabel muss aus extrem reißfestem Material bestehen, denn schließlich soll es neben seinem eigenen Gewicht auch die Last des Fahrkorbes aushalten - samt der Fracht, die ins All gehievt wird. Immerhin könnte man auf diese Weise Satelliten quasi "im Vorbeifahren" in jeder gewünschten Umlaufbahn aussetzen.

Als Ausgangspunkt dienen ausrangierte Ölplattformen, die irgendwo im Pazifik verankert werden - soweit die Vorstellungen der beteiligten Wissenschaftler.
->   Institute for Scientific Research - Space Elevator
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Eiffelturm als Inspiration
Bereits 1895 formulierte der russische Raumfahrttheoretiker Konstantin Ziolkowski erste Ideen in diese Richtung. Inspiriert vom 1888 fertig gestellten Eiffelturm in Paris, ersann Ziolkowski einen 36.000 Kilometer hohen Turm, an dessen Spitze sich ein "Schloss im Himmel" befand. Es war auch als mögliche Startrampe für Weltraumfahrzeuge gedacht: In dieser Höhe ist nur mehr ein geringer Energieaufwand notwendig, um den Anziehungsbereich der Erde zu verlassen.
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Die geostationäre Umlaufbahn als "Parkplatz"
Der vom russischen Raumfahrttheoretiker Ziolkowski ersonnene Turm sollte deshalb 36.000 Kilometer hoch sein, weil sich in dieser Höhe die so genannte geostationäre Umlaufbahn befindet.

Dort oben kreisende Objekte bewegen sich mit genau der selben Geschwindigkeit um die Erde, mit der diese sich selbst dreht.

Die Folge: Geostationäre Objekte scheinen stets über dem selben Punkt der Erde still zu stehen. Dieser Effekt wird schon seit längerem konkret genutzt. So sind mittlerweile zahlreiche Satelliten zur Wetterbeobachtung oder Telekommunikation in einer geostationären Umlaufbahn "geparkt".
->   Informationen zur Geostationären Umlaufbahn (www.eduspace.esa.int)
Seil statt Turm
Auf der Erde einen 36.000 Kilometer hohen Turm zu errichten, das ist bestenfalls in Science-Fiction-Romanen denkbar. Und so ging 1960 ein weiterer russischer Wissenschaftler namens Artsutanow das Problem von der anderen Seite an.

Seine Idee klingt bestechend einfach: Von einem geostationären Satelliten wird ein Kabel zur Erde hinab gelassen, das als Tragseil für den Weltraumlift dient.
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Problem: Belastungen für Material zu groß
Das größte Problem dabei: Es gibt kein derzeit verwendetes Material, das der vorgesehenen Belastung gewachsen wäre.
Ein senkrecht hängendes Stahlseil etwa würde ab einer Länge von neun Kilometern durch sein eigenes Gewicht reißen.
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Kabel aus Kohlenstoff als Lösung?
Neue Materialien könnten hier möglicherweise eine Lösung bieten, genauer: die so genannten "Carbon Nanotubes" - winzige Röhrchen aus Kohlenstoff.

Die Abmessungen dieser Kohlenstoffröhrchen scheinen zunächst wenig verheißungsvoll: Ihre Länge beträgt etwa tausend Nanometer, ihr Durchmesser gar nur rund einen Nanometer. Und dennoch setzen Wissenschaftler, die sich mit dem "Aufzug ins All" beschäftigen, große Hoffnungen in dieses exotisch anmutende Material.
->   Informationen über Nanotechnologie (www.nanoscience.at)
->   Nanoröhrchen (www.weltderphysik.de)
Nanotechnologie für die Raumfahrt
Auch Materialphysiker der Universität Wien erforschen die bemerkenswerten Eigenschaften der Kohlenstoff-Nanoröhrchen.

So besitzen "Carbon Nanotubes" eine extrem hohe Reißfestigkeit. In Experimenten unter Laborbedingungen wurden bereits Werte erreicht, die in jenem Bereich liegen, der für ein "Weltraumliftkabel" notwendig wäre.

Um jedoch ein derart langes Seil aus Kohlenstoff-Nanoröhrchen herstellen zu können, müssen erst noch entsprechende Verfahren entwickelt werden.
Mögliche Ansätze für Nanoseile
Die Wiener Wissenschaftler haben zwar schon erste Ansätze, über das mögliche Verfahren zum Bau eines Kohlenstoff-Nanoröhrchen-Seils bewahren die Wissenschaftler allerdings Stillschweigen. Sie möchten sich das Verfahren zuerst patentieren lassen.

Auf einen Zeitpunkt, ab dem superstarke "Kohlenstoff-Nanoseile" - zumindest für irdische Zwecke - industriell produziert werden könnten, möchte sich ohnehin niemand festlegen.
->   Institut für Materialphysik, Universität Wien
Projekt mit Nebenwirkung
Und selbst wenn es eines Tages soweit sein sollte: Angesichts der geschätzten Baukosten von 40 Milliarden Dollar bleibt es wohl eher fraglich, ob der "Aufzug ins All" jemals abheben wird.

Dennoch hat allein schon die Idee dazu nicht zu unterschätzende Auswirkungen, wie Klaus Pseiner, Direktor der Austrian Space Agency, betont: "Für mich ist es ein reizvolles Konzept - nicht deswegen, weil ich glaube, jemals selbst in diesem Aufzug fahren zu können. Aber weil es einen Technologieschub in den Bereichen der Nanowissenschaften und der Weltraumtechnik bringen könnte."

Übrigens - auf die Frage, wann denn der Weltraumaufzug Realität wird, antwortete Arthur C. Clarke angeblich: "Etwa 50 Jahre, nachdem die Leute aufgehört haben, darüber zu lachen".

Ivo Filatsch, Modern Times
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Mehr Informationen zu diesem Thema erhalten Sie in der Sendung "Modern Times" am Freitag, 14.11.2003 um 22.35 Uhr in ORF 2.
->   "Modern Times"
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->   Austrian Space Agency
->   NASA Marshall Space Flight Center, Space Elevator
->   Mehr über Nanotechnologie in science.ORF.at
 
 
 
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01.01.2010